Hannelore Kraft gibt der SPD Hoffnung, mit einem sozialen Image wieder Wahlen gewinnen zu können. Doch auch sie wird keine Politik gegen die Finanzmärkte machen, meint Arno Klönne
Die deutsche Sozialdemokratie, da sind sich die tonangebenden Kommentatoren einig, habe mit der Landtagswahl in NRW ihre Schwächephase überwunden. Hannelore Kraft sei dies zu verdanken, ihrer Nähe zur Gefühlswelt der kleinen Leute. Und auch den Gewerkschaftsfunktionären, unter denen das Flirten mit der Partei DIE LINKE wieder aus der Mode gekommen sei. Schon Sigmar Gabriel habe hier wieder Boden für die SPD gut machen können.
Aber dieser übereinstimmenden Deutung folgen dann im Spektrum der kommerziellen Produktion öffentlicher Meinung unterschiedliche Optionen: Hannelore Kraft zur Merkelkonkurrentin hochloben, zur nächsten Kanzlerin, die soziale Vorsorge für alle verheißt? Oder doch an Peer Steinbrück (und notfalls Frank-Walter Steinmeier) festhalten, bei der Empfehlung für die Kanzlerkandidatur, des Sachverstandes bei der Krisenbewältigung wegen?
Die SPD wird gebraucht
So oder so, die SPD wird bei den medialen Vertretern des Unternehmens Deutschland als bundesregierungsfähig angesehen, in der Rolle der führenden oder der den Unionsparteien behilflichen Partei. Und es wird als nützlich empfunden, dass die Sozialdemokraten, was das Soziale angeht, ihren Ruf bei dem großen nicht so gut betuchten Teil der Bevölkerung wieder aufbessern konnten, dass sie erneut als die Wächter der Sozialstaatlichkeit erscheinen.
Eine solche Partei wird gebraucht, denn die Eurokrise und die Folgen der Schuldenbremse werden sich demnächst auch in der Bundesrepublik stärker bemerkbar machen, soziale Konflikte könnten auch hier schärfer werden. Da ist es angeraten, dass eine Partei regierend oder mitregierend Verantwortung übernimmt, der zugeschrieben werden kann, in ihr kämen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Ausdruck.
Proteste dämpfen
Wer weiß, vielleicht würden sonst französische oder südeuropäische Neigungen zum Radikalismus sich hierzulande ansteckend auswirken. Ein bisschen darf die SPD sich durchaus auf den Hollande-Stil einlassen, das wird ihr Sympathien und Stimmen von links her einbringen. Wenn sie erst im Bund Politik so verwalten muss, dass die Finanzmärkte nicht unwillig werden, wird sich der nötige Realismus schon einstellen.
Eine regierende SPD hat ihren Sinn – welch ein Ärger im Publikum hätte entstehen können, wenn es nicht die Regierung Schröder gewesen wäre, die für Einsätze deutschen Militärs auf dem Balkan und am Hindukusch sorgte und der Bundesrepublik die Agenda 2010 verpasste. Dies trieb dann freilich Wahlvolk von der SPD weg – aber solch ein Kollateralschaden ist nicht das Problem der deutschen Wirtschaftswelt und ihrer freiwilligen publizistischen Helfer. Ist die eine Partei etwas ramponiert, finden sich andere Parteien, die gern im Regierungsgeschäft tätig werden. Es handelt sich bei diesem ja um eine befristete Beschäftigung.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Liquid Democracy : Der Parteienstaat westdeutscher Prägung löst sich auf. Nichtwähler und Piratenpartei sind nur zwei der Symptome. DIE LINKE hat nur eine Chance, meint Arno Klönne: Sie muss eine Alternative zum Demokratieabbau finden, statt nach einer Heimat in einem maroden System zu suchen
- Sonntag in NRW: Volksabwählung. Der Spitzenkandidat der CDU in NRW Norbert Röttgen möchte die Wahl zu einer Volksabstimmung über den EU-Fiskalpakt machen. Wer dem Spardiktat zustimmt, gibt seine demokratischen Rechte auf, meint Arno Klönne
- Betreuungsgeld – Krieg gegen das Prekariat: Arme sollen kein Betreuungsgeld erhalten, wenn es nach der Bundesregierung geht. Dahinter steht der Wille zur sozialen Selektion, meint Arno Klönne