Warum die Asylpolitik der Bundesregierung Pegida, AfD und NPD stärkt – und wie wir die Rassisten trotzdem stoppen können. Sechs Thesen zum Kampf gegen Rechts. Von Netzwerk marx21
Die Thesen als PDF gibt es hier zum Download.
1. Die Polarisierung in Deutschland nimmt zu: Einerseits engagieren sich Zehntausende für Flüchtlinge und gegen Rassismus, anderseits ebben die rechten Straßenmobilisierungen nicht ab. In deren Windschatten entlädt sich die schlimmste Welle rassistischer Gewalt seit Jahren.
Pegida, AfD und NPD mobilisieren gegen Flüchtlinge, Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund. Im Sommer dachten viele, Pegida hätte sich schon auf den Müllhaufen der Geschichte verabschiedet, doch Politiker und Medien haben mit ihren Lügen über die angebliche »Jahrhundertwelle an Flüchtlingen« und »beschränkte Aufnahmekapazitäten« den Neonazis und Rassisten neuen Zulauf beschert. Aus den Worten von vielen werden Taten von einigen: Alleine bis Anfang November dieses Jahres gab es laut Bundesregierung die traurige Rekordzahl von 690 gegen Asyl-Unterkünfte gerichtete Straftaten.
Besonders häufig finden Brandstiftungen auf geplante und schon existierende Flüchtlingswohnheime statt. Das zeigt: Wir haben es mit einem Aufschwung an rassistischen Mobilisierungen zu tun. Doch es handelt sich keineswegs um spontane Proteste. Den organisatorischen Kern bilden lokale Nazistrukturen. Proteste gegen Flüchtlinge gibt es beispielsweise besonders häufig dort, wo die NPD oder die AfD im Stadt- oder Gemeinderat sitzt. In Sachsen hält die NPD seit den letzten Kommunalwahlen fast sechzig Mandate, unter anderem in Dresden, Heidenau und Freital. Allein bis Ende August zählte die Amadeu-Antonio-Stiftung in diesem Bundesland 61 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 32 tätliche Übergriffe auf Geflüchtete. Doch die Gefahr von rechts und die Gewalt gegen Flüchtlinge gehen nicht nur von Sachsen oder Ostdeutschland aus. Dort ist lediglich das Zentrum einer sich bundesweit formierenden rassistischen Bewegung. Auch in den alten Bundesländern gibt es ein gewaltbereites rechtes Milieu, das sich zunehmend bestärkt fühlt. Tatsächlich brannten in den vergangenen Monaten Flüchtlingsunterkünfte am häufigsten im Westen und Süden des Landes. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder Menschen durch rassistische Gewalttäter ermordet werden.
2. Die AfD ist durch ihren Rechtsruck zum Kristallisationspunkt der Neuformierung einer rechten, offen rassistischen Szene geworden. Es droht eine »neue NPD«, die jedoch weit ins bürgerliche Lager ausgreift.
In der AfD sammeln sich Nationalisten, Rassisten und Faschisten. Sie verfolgen das Ziel, die diversen bisher eher auseinanderstrebenden Teile des rechten Spektrums in einer neuen Partei zu bündeln und diese zum parlamentarischen Erfolg zu führen, um damit die rechte Bewegung auch außerhalb der Parlamente zu stärken. Noch agiert die AfD zwar nicht als offen faschistische Partei. Doch nach der Abspaltung des wirtschaftsliberalen Flügels um Bernd Lucke versucht sie sich als Sammelbecken der gesamten außerparlamentarischen, rassistischen Bewegung zu etablieren – offenbar mit Erfolg: Anfang November kam sie erstmals seit ihrer Gründung in einer bundesweiten Umfrage auf zehn Prozent. Laut AfD-Pressesprecher Christian Lüth gewinnt die Partei zurzeit jeden Monat 150 neue Mitglieder. Anfang Oktober konnte sie 18.468 Mitglieder und Förderer verzeichnen. Sie hat damit die Verluste nach dem Spaltungsparteitag von Essen schon fast wieder wettmachen können. In den kommenden zwei Jahren stehen acht Landtags- und eine Bundestagswahl an. Gemäß aktuellen Umfragen könnte die AfD am Ende des Jahres 2017 Fraktionen in dreizehn Landesparlamenten und dem Bundestag stellen. Damit verbunden wären enorme staatliche Mittel, die sie zum Parteiaufbau nutzen könnte. Zur Strategie der Partei gehört neuerdings auch, den »Kampf um die Straße« zu führen. So hat die AfD in ihrer »Herbstoffensive« erstmals zu Kundgebungen und Straßenmobilisierungen unter dem Motto »Asylchaos und Eurokrise stoppen« aufgerufen. Insgesamt konnte sie mehrere Tausend Menschen mobilisieren, darunter auch hunderte organisierte Nazis.
Auch das rassistische und ausländerfeindliche Profil der Partei hat die neue Führung um Frauke Petry weiter geschärft. Wohin die Reise gehen kann, verdeutlicht der Landesverband Thüringen. Dessen Sprecher und Fraktionsvorsitzender im Landtag, Björn Höcke, hat beste Kontakte zur Neonaziszene. Zudem ist er Mitinitiator einer »Erfurter Resolution«, in der die AfD zur »Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte (Gender Mainstreaming, Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit usf.)« und zur »Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands« stilisiert wird. Seit Mitte November mobilisiert der Landesverband Thüringen Tausende zu Parteikundgebungen in Erfurt, bei denen Höcke als Hauptredner fungiert. Mit seinem provozierenden Auftritt bei der ARD-Fernsehsendung »Günther Jauch« wurde er bundesweit bekannt und entwickelt sich seitdem zunehmend zum Wortführer seiner nach rechts steuernden Partei. Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Peter Schlobinski, betont zwar, dass man nicht die gesamte AfD über einen Kamm scheren dürfe: »Doch einzelne Mitglieder pflegen eine auffällige Nazi-Rhetorik. Der Rhythmus, das sprachliche Diktum, die Emotionalisierung – es gibt einiges, was stark an die NSDAP-Sprache angelehnt ist.«
Zu diesen Mitgliedern gehört neben Höcke auch Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der Jugendorganisation Junge Alternative (JA). Von ihm stammen Sätze wie: »Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde.«
Der Dynamik nach Rechtsaußen setzt auch die Bundesvorsitzende Frauke Petry nichts entgegen. Im Gegenteil: Sie förderte die Annäherungen der AfD an Pegida, an die rechte Hooligan-Szene und an andere organisierte Rechtsradikale. Zudem stützte sie sich im innerparteilichen Machtkampf gegen Lucke auf den Höcke-Flügel. Ehemalige Mitglieder der Republikaner und anderer faschistischer Organisationen, die in anderen AfD-Landesverbänden aufgrund ihrer braunen Herkunft nicht aufgenommen wurden, kamen über Petrys sächsischen Landesverband in die AfD. Der frühere Europaabgeordnete und stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Hans-Olaf Henkel bezeichnet seine ehemalige Partei heute als eine Art »NPD-light, vielleicht sogar identisch mit der NPD«. Dem WDR sagte er: »Wir haben ein richtiges Monster erschaffen.«
Vergangene Versuche, rechts von der Union eine Partei mit Masseneinfluss aufzubauen, sind vor allem durch antirassistische und antifaschistische Massenmobilisierungen gegen die entsprechenden Parteien gescheitert. Seit der Wiedervereinigung waren das die NPD, die Republikaner, die Deutsche Volksunion (DVU), die Schill-Partei in Hamburg und die diversen, vor allem in Westdeutschland starken Pro-Parteien. Aber jetzt besteht die Gefahr, dass die AfD zu einer neuen Nazipartei heranwächst, die weit ins bürgerliche Lager ausgreift. Wir müssen diese Gefahr erkennen und ernst nehmen.
3. Die extreme Rechte profitiert von der unsozialen und rassistischen Politik der etablierten Parteien. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist real. Doch versuchen die Eliten, den daraus resultierenden Frust auf Flüchtlinge, Muslime oder vermeintliche »Sozialschmarotzer« umzulenken.
Die rechte Szene kann sich darauf verlassen, dass sowohl die Medien als auch Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien Rassismus schüren. Im Fadenkreuz stehen dabei vor allem Geflüchtete und Muslime. Die politische Mitte bedient eine »Das Boot ist voll«-Rhetorik, um ihre Maßnahmen gegen Geflüchtete zu rechtfertigen. Innerhalb nur eines Monats beschloss die Bundesregierung zwei tiefgreifende Verschärfungen des Asylrechts. Ein Argument dafür war, ein Anstieg der Flüchtlingszahlen sei Wasser auf die Mühlen der Rassisten, Flüchtlingsgegner und Rechtsradikalen. Das ist eine fatale politische Logik. Denn wenn Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien Verständnis für die »Sorgen« und »Ängste der Menschen« vor mehr Flüchtlingen zeigen, stärken sie letztendlich die offen rassistischen Kräfte.
Anstatt ihnen argumentativ den Wind aus den Segeln zu nehmen, machen sie sich zu deren Stichwortgebern. Wenn in den Medien davon die Rede ist, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippen würde, ist das falsch. Wenn überhaupt, dann wurde sie gekippt. Denn rassistische Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen lassen sich nicht aus individuellen, psychosozialen Verhaltensmustern erklären. Sie sind keine natürlichen Abwehrreaktionen auf die Gefährdung der Privilegien der Mehrheitsgesellschaft. Rassismus ist eine Herrschaftsideologie, die von der bürgerlich-kapitalistischen Klasse und deren Thinktanks, Medien und Politikerinnen und Politikern produziert und verbreitet wird. So ist es auch kein Zufall, dass gerade der antimuslimische Rassismus in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Wenn Pegida und die AfD heute vor einer angeblichen »Islamisierung« warnen, folgen sie nur konsequent dem Rassismus gegen Muslime, den ein Thilo Sarrazin salonfähig gemacht hat.
Rassismus dient den Herrschenden dazu, ihre Klasseninteressen zu legitimieren und die große Mehrheit der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen zu spalten. So nutzt die Politik momentan die rechte Bewegung und die »Sorgen der Bürger« als Begründung für ihre striktere Abschottungs- und Abschiebepolitik. Auch versucht sie, von bestehenden sozialen Problemen und vom Klassenkampf abzulenken. Kaum jemand spricht gegenwärtig mehr von den kriminellen Spekulationsgeschäften der Banken und den milliardenschweren Steuergeschenken an die Verursacher der Krise. Doch es ist offen, ob sich rassistische Ideologien als Werkzeug der Herrschaftssicherung bewähren. Um wirksam zu sein, müssen sie von der Bevölkerung angenommen werden. Rassistische Vorurteile können nicht einfach erfunden werden. Sie sind wie jede Ideologie bei ihrer Verbreitung auf Anknüpfungspunkte in der realen Welt angewiesen. Während der Asylflutkampagne der frühen 1990er Jahre konnten sich die Produzenten der sorgsam inszenierten »Das Boot ist voll«- Argumentation beispielsweise darauf berufen, dass die Zahl der Arbeitslosen zu diesem Zeitpunkt auf vier Millionen angestiegen war und dass in Ostdeutschland binnen kürzester Zeit achtzig Prozent der gesamten industriellen Arbeitsplätze abgewickelt worden waren. Fünfundzwanzig Jahre später sind die offiziellen Arbeitslosenzahlen zwar auf einem historischen Tiefstand, doch die Armut hat in Deutschland trotzdem stark zugenommen. Millionen erhalten Löhne, die kaum zum Überleben reichen. Hunderttausende sind trotz eines Jobs auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Die Schere zwischen arm und reich ist in Deutschland mittlerweile so groß wie in kaum einem anderen Industrieland.
Dennoch sind nicht in erster Linie Arbeitslose und Geringverdiener anfällig für rassistische Ideologien. Vielmehr sehen Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bei Pegida vor allem Mittelschichtsangehörige mit Abstiegsängsten am Werk. Die soziale Krise, die durch die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte hervorgerufen wurde, bildet hier den Nährboden, auf dem der Rassismus gedeihen kann. Die Angst des Mittelstandes vor dem sozialen Abstieg ist real, doch ihr wachsender Hass auf »Sozialschmarotzer« ist irrational und kann sie vor dem Abstieg nicht retten.
4. Um die rechte Gefahr zu stoppen, fordern Medienvertreter, Politikerinnen und Politiker, dass Justiz und Polizei schärfer durchgreifen. Doch der Staatsapparat ist ungeeignet, Rassismus und Naziterror zu bekämpfen. Vielmehr ist er Teil des Problems.
»Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!«, forderte kürzlich die »Bild«-Zeitung. Auf einer Doppelseite waren unter dem Titel »Der Pranger der Schande« Hasskommentare und Gewaltaufrufe gegenüber Flüchtlingen, Muslimen und Andersdenkenden aus Facebook und Twitter abgedruckt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière begleitete die Aktion mit einem Gastkommentar. Abgesehen davon, wie scheinheilig es ist, dass ausgerechnet »Bild« und de Maizière die Hetzer an den Pranger stellen, wird der Ruf nach dem Staat das Problem der rassistischen und faschistischen Gefahr nicht lösen. Spätestens seit den NSU-Morden wissen wir, dass der Staat nicht nur auf dem rechten Auge blind ist – oder zumindest sehr schlecht sieht – sondern dass staatliche Organe wie der Verfassungsschutz die rechten Strukturen auch aktiv unterstützen.
Es ist kein Zufall, dass staatliche Stellen nur 75 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 zählen, antifaschistische Initiativen dagegen von mindestens 178 ausgehen. Der Ruf nach Polizei und Justiz verkommt noch mehr zur Farce, wenn man bedenkt, dass die Staatsorgane wesentlich intensiver mit der Verfolgung von Antifaschistinnen und Antifaschisten beschäftigt sind als mit dem Kampf gegen Nazis. Am 7. November marschierte die AfD beispielsweise durch die Berliner Innenstadt – und die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die Rassisten ungestört zur Endkundgebung zu eskortieren. 79 Gegendemonstranten wurden festgenommen.
Im Jahr 2011 blockierten Tausende in Dresden erfolgreich den bis dato größten Naziaufmarsch Europas. Daraufhin stürmten am Abend maskierte Polizisten in Kampfmontur das Pressezentrum des Blockadebündnisses. Die Staatsanwaltschaft leitete 351 Verfahren gegen Blockierer ein.
All das zeigt: Der Staatsapparat ist kein verlässlicher Bündnispartner im Kampf gegen Rassismus und Nazis. Mehr noch: Die Forderung nach einem entschlossenen staatlichen Durchgreifen gegen rechts kann sich leicht in ihr Gegenteil verkehren. Denn ideologischer Ausgangspunkt für die staatliche Extremismusbekämpfung ist das Konstrukt einer »demokratische Mitte der Gesellschaft«, die gleichermaßen von links und rechts bedroht wird. Diese These verschleiert jedoch nur, dass es der Linken, im Gegensatz zu den Nazis, um eine Ausweitung der Demokratie und Menschenrechte geht. Hinzu kommt, dass die Vertreter dieser angeblich »demokratischen« Mitte immer wieder aufs Neue Rassismus schüren.
5. DIE LINKE muss in der jetzigen Situation ihr antirassistisches und antikapitalistisches Profil schärfen. Sie sollte jetzt die Initiative für einen gesellschaftlich breit aufgestellten außerparlamentarischen Protest ergreifen, dessen Hauptforderung lautet: »Flüchtlinge willkommen, keine Stimme den Rassisten«.
»Der Tisch für die Flüchtlinge muss von den Reichen gedeckt werden«, fordert Oskar Lafontaine und verlangt eine höhere Besteuerung von Millionären. Damit benennt er einen zentralen Punkt: DIE LINKE muss verdeutlichen, dass die Debatte über die vermeintlichen Grenzen der Aufnahmekapazitäten von der seit Jahren stattfinden Ausplünderung der öffentlichen Haushalte ablenken soll. Macht sie das nicht, wird sie das Feld den Rechten überlassen. Auf keiner Pegida-Demo fehlen die Klagen über zu niedrige Renten, kaputte Schulen und fehlende Kitaplätze. Wenn DIE LINKE gegen die Rassisten und Nazis gewinnen will, muss sie auch den Widerstand gegen die neoliberale Umstrukturierung der Gesellschaft stärken und sich für ein grundlegend anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einsetzen. Jakob Augstein fordert in dem »Spiegel«-Artikel »Demonstriert lieber gegen die Banken« richtigerweise: »Was in Deutschland jedoch fehlt, ist ein positiver Populismus von links, der die demokratischen und sozialen Rechte der normalen Leute gegenüber Eliten und Oligarchen artikuliert – und der diese Aufgabe nicht den Rechten überlässt.«
Populismus bedeutet allerdings nicht, rechte Forderungen zu übernehmen, wie Lafontaine es macht. Beispielsweise verlangt er eine Grenzschließung und eine Obergrenze der Flüchtlingszahl. Doch Linke sollten entschieden gegen das Bild von »guten« und »schlechten«, von »echten« und »falschen« Flüchtlingen und der angeblichen »Grenze der Aufnahmefähigkeit« in Deutschland auftreten. Richtig sind hingegen Lafontaines Forderung, dass DIE LINKE die soziale Frage in die Flüchtlingsdebatte einbringen sollte. Um Flüchtlinge vor Lohndumping zu schützen, muss der Mindestlohn verteidigt werden und auch Flüchtlingen eine soziale Mindestsicherung von 500 Euro garantiert werden. DIE LINKE tut also gut daran, in der jetzigen Situation ihr antirassistisches und antikapitalistisches Profil zu schärfen. Es ist an der Zeit, dass sie die Initiative für einen gesellschaftlich breit aufgestellten außerparlamentarischen Protest ergreift, dessen Forderung lautet: »Flüchtlinge Willkommen, keine Stimme dem Rassismus«.
6. Der weitere Aufstieg der extremen Rechten kann durch Konfrontation verhindert werden: auf der Straße, im Wahlkampf und in den Parlamenten. Dafür sind breite und zugleich entschlossene Bündnisse nötig, unter Beteiligung von SPD, Grünen, Gewerkschaften sowie muslimischen, jüdischen und christlichen Verbänden und anderen gesellschaftspolitischen Gruppen.
Die Rechtsextremen und Rassisten müssen bei jedem öffentlichen Auftritt merken, dass große Teile der Bevölkerung nicht nur ihre Inhalte ablehnen, sondern auch bereit sind, sich ihnen aktiv in den Weg zu stellen. Wenn die Rechten nicht marschieren können, entmutigt man vor allem ihr Umfeld, das durch machtvolle Aufmärsche und Kundgebungen beeindruckt werden soll.
Es gibt zwei wichtige Voraussetzungen, um rassistische Kundgebungen und Aufmärsche erfolgreich zu verhindern: Erstens massenhafte Aufklärung über deren menschenfeindlichen Ziele und zweitens breite Gegenmobilisierungen und Blockaden. So konnten beispielsweise noch in Dresden in den Jahren 2010 bis 2013 die größten Naziaufmärsche Europas empfindlich geschwächt und schließlich sogar verhindert werden.
Tatsächlich hat es in der Vergangenheit immer wieder erfolgreiche antirassistische und antifaschistische Mobilisierungen gegeben: Als Pegida im vergangenen Jahr versuchte, sich über Dresden hinaus auszubreiten, hat die antirassistische Gegenbewegung das verhindert. In München, Stuttgart, Leipzig und anderen Städten demonstrierten mehrfach Tausende gegen die entsprechenden Pegida-Ableger und blockierten deren Demonstrationswege. Auch an vielen anderen Orten konnten sich breite und entschlossene lokale Bündnisse etablieren, welche die Aufbaubemühungen der rassistischen Rechten empfindlich störten. Doch diese Tradition der antifaschistischen Bündnisarbeit droht vielerorts verlorenzugehen, wie sich beispielsweise im Europawahlkampf des vergangenen Jahres zeigte. Damals versuchten Antifa-Gruppen durch die Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative!« die Ausbreitung der AfD zu verhindern. Die daran beteiligte Frankfurter Gruppe kritik&praxis schrieb später: »Die Parteien der ›Mitte‹ sind für rechte Positionen offen; insbesondere dann, wenn sie von rechts unter Druck geraten. Es wäre deshalb falsch, im Falle der AfD zu versuchen, ein breites Bündnis zu schließen, das sich zum Ziel setzt, die so genannte ›Mitte der Gesellschaft‹ gegen rechts zu verteidigen.«
Diese Haltung ist auf der radikalen Linken weit verbreitet: Weil sie – meist berechtigte – Kritik an Gewerkschaften, der Sozialdemokratie oder den Grünen haben, weigern sich Aktivistinnen und Aktivisten, mit diesen Organisationen gemeinsam zu protestieren. Wir teilen diese Positionierung nicht. Denn es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen den Parteien der bürgerlichen Mitte und Faschisten oder Parteien wie der AfD, die das Potenzial haben, sich in faschistische Parteien zu verwandeln. CSU-Mann Seehofer und Höcke von der AfD eint ihre menschenfeindliche Abweisung von Flüchtlingen. Aber Seehofer versucht, mit seiner Stimmungsmache die AfD in den Parlamenten klein zu halten. Er organisiert keine rassistische Massenbewegung auf Straßen und Plätzen, die zum Sprungbrett für die Formierung einer neuen faschistischen Rechten werden kann. Die Linke muss sich gegen alle Formen des offenen und verstecken Rassismus abgrenzen. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir den Kampf gegen die Gefahr einer aufkommenden neuen faschistischen Rechten durch falsche politische Ausgrenzungen schwächen. Demonstrationen, die sich rassistischen Massenbewegungen in den Weg stellen, aber relevante gesellschaftliche Kräfte ausschließen, bleiben in der Regel klein. Sie können ohne weiteres von der Polizei aufgelöst werden. Das Ergebnis ist, dass die rassistische Rechte marschiert und die Zeitungen am nächsten Tag über die angeblich »gewalttätigen« Antifaschisten berichten.
Dieses Vorgehen ähnelt der »ultralinken« Haltung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) der frühen 1930er Jahre, die sich weigerte, gemeinsam mit der SPD gegen die immer stärker werdenden Nazis zu kämpfen. Doch gerade das Ende der Weimarer Republik zeigt, wie notwendig ein gemeinsamer Kampf aller Antifaschisten gegen die aufkommende rechte Gefahr ist. Der andere, entgegengesetzte politische Fehler besteht darin, darauf zu hoffen, dass der bürgerliche Staat den Aufstieg der Rechten verhindert. Beispielsweise hat die Sozialdemokratie vor 1933 auf diese Art des »staatsgläubigen« Antifaschismus gesetzt. Sie vertraute auf Justiz, Polizei und Armee zur Verhinderung der Nazidiktatur und sie ist damit gescheitert. Die Vertreter dieses »staatsgläubigen« Antifaschismus bauen zwar oft gesellschaftlich breite Bündnisse auf, um Demonstrationen gegen Nazis und Rassisten zu organisieren. Doch diese Kundgebungen finden dann meist fernab der Aufmarschroute der Nazis und Rassisten statt. Beide dargestellten Aktionsformen sind nicht geeignet, die rechte Gefahr zu stoppen. Wir brauchen breite und entschlossene Bündnisse, die Nazis und Rassisten den Weg durch die Innenstädte und Migrantenviertel versperren. Das Potenzial hierfür ist durchaus vorhanden. Zuletzt demonstrierten 10.000 Menschen in Köln gegen Hogesa, in Erfurt nahmen rund 6000 an der Kundgebung des »Bündnis für Mitmenschlichkeit« teil und in München konnten rund 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgreich den Aufmarsch des lokalen Pegida-Ablegers blockieren. Laut einer Forsa-Umfrage machen sich 74 Prozent der Bevölkerung große oder sehr große Sorgen über die dramatische Zunahme von rassistischer Gewalt. Die Linke muss versuchen, diese Millionen auf die Straße zu mobilisieren, um ein weiteres Erstarken der rassistischen Massenbewegung in Deutschland zu verhindern.
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