Einige kirchliche Arbeitgeber wollen der Gewerkschaft ver.di und den Beschäftigten in ihren Einrichtungen das vom Grundgesetz garantierte Streikrecht verbieten lassen. DIE LINKE in Bielefeld ruft zum Protest – marx21 dokumentiert den Aufruf.
Eine Reihe von diakonischen Arbeitgebern, diakonischen Werken und evangelischen Landeskirchen, darunter auch als größte Einrichtung die Bodelschwinghsche Stiftung Bethel in Bielefeld, haben vor dem Arbeitsgericht Bielefeld Klage gegen die Gewerkschaft ver.di erhoben. Die Arbeitgeber wollen der Gewerkschaft und den Beschäftigten in ihren Einrichtungen das vom Grundgesetz garantierte Streichrecht verbieten lassen. Sie berufen sich dabei auf den Sonderstatus, den die Kirchen seit der Weimarer Verfassung haben. Dieser garantiert den Kirchen, dass sie ihre interne Betriebsverfassung in eigener Regie gestalten dürfen. Ver.di bestreitet aber zu Recht, dass den Beschäftigten mit Hilfe des Kirchenrechts ein grundlegendes Freiheitsrecht vorenthalten werden darf. Und das Streichrecht ist ein solches grundlegendes Freiheitsrecht! Es kann nicht angehen, dass in diesem Lande einzelne Arbeitgeber unter der Berufung auf angeblich höheres Recht von Grundgesetz garantierte Rechte für ihre Beschäftigten einfach außer Kraft setzen.
Und es geht dabei eben nicht um spezifisch kirchliche Tätigkeiten wie Pastoren oder Küster. Betroffen von dem Vorgehen der kirchlichen Arbeitgeber sind Krankenschwestern, Ärzte, Altenpfleger, Friedhofsgärtner, Sozialarbeiterinnen, Erzieher und Erzieherinnen, Köche, Putzfrauen, Lehrerinnen, Krankengymnastinnen, Apothekenbeschäftigte, Elektriker, Hausmeisterinnen, Sekretärinnen, Buchhändler und noch unzählige andere Berufe, mit ganz weltlichen Tätigkeiten. Insgesamt sind es mehr als 1,3 Mio. Beschäftigte bei Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden. Der Hintergrund für die Klage der Arbeitgeber bildet die Tarifentwicklung im Bereich von Kirchen, evangelischer Diakonie und katholischer Caritas. Die Lohnfindung findet hier in eigenen Arbeitsrechtlichen Kommissionen statt. Diese sind zwar paritätisch besetzt von Diakonievertretern und Vertretern der Beschäftigten. Im Fall, dass man sich nicht einigen kann, greift aber eine Zwangsschlichtung. Dagegen gibt es kein Widerspruchsrecht.
Früher hat dies die Beschäftigten nicht weiter geschmerzt. Diese Kommissionen spielten keine große Rolle. Schließlich hatten Kirche und Diakone immer die Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes für ihre Haustarife wie AVR (Arbeitsvertrags Richtlinien) und BAT-KF (BAT Kirchliche Fassung) übernommen. Seitdem aber vor Jahren im Zuge der neoliberalen Offensive die Refinanzierung der sozialen Einrichtungen grundlegend verschlechtert wurden, koppelt sich die Kirche immer mehr vom Lohnniveau des öffentlichen Dienstes ab. Und das obwohl in vielen Bereichen die gleichen Tätigkeiten gemacht werden. Sie will durch Lohndumping ihre Position auf dem »Markt« für soziale Leistungen verbessern.
Langfristig untergräbt sie damit nicht nur das Lohnniveau der Beschäftigten bei Kirche und Diakonie. Auch die Löhne im öffentlichen Dienst und bei anderen privaten Trägern geraten damit unter Druck. 2007 haben Kirche und Diakonie den AVR grundlegend umgekrempelt. Neu Eingestellte verdienen damit deutlich weniger als ihre schon länger beschäftigten Kollegen. Zahlreiche Öffnungsklauseln ermöglichen Kürzungen des Weihnachtsgeldes und Lohnabsenkungen, die neuen Kollegen werden deutlich schlechter eingruppiert und besonders perfide: die bis zum Jahr 2014 neu eingestellten Kollegen bekommen jahrelang erst einmal gar nicht den vollen AVR-Tarif sondern einen abgesenkten Lohn. Damit sollen die angeblichen Kosten der Umstellung auf den AVR-neu von den Kollegen selbst bezahlt werden. »Einruckeln« nennt dies Hans-Werner Hinnenthal vom evangelischen Johanneswerk.
Ver.di hat die diakonischen Arbeitgeber seit 2008 wiederholt auffordert, endlich ordentliche Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft aufzunehmen. Die Arbeitgeber haben darauf nicht reagiert. Deshalb hat ver.di die Beschäftigten u.a. in Bethel 2009 zweimal zum Warnstreik aufgerufen. Das haben die Kirchenvertreter nun zum Anlaß genommen, die Gewerkschaft vor das Arbeitsgericht zu bringen. Gleichzeitig hat die Diakonie aber auch auf die Streiks und Proteste der Beschäftigten reagiert. Die Lohnerhöhungen, die die Arbeitsrechtliche Kommission im Herbst 2009 für den AVR beschlossen hatte, fiel deutlich höher aus, als es die Arbeitgeber bis zu letzt vorhatten. Besonders beschämend hat sich Bethel verhalten. Mit mehr als 8.500 Beschäftigten ist Bethel der größte Arbeitgeber in Bielefeld. Gern geben sich hier hohe Politiker aus Bund und Kommunen ein Stelldichein. Der Bielefelder OB Pit Claussen pflegt ein ebenso inniges wie publicity-trächtiges Verhältnis zum Konzern wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der ver.di Betriebsgruppe wurde dagegen 2009 das Treffen in der »Neuen Schmiede« untersagt. Die Verteilung von gewerkschaftlichem Info-Material im Betrieb ließ die Geschäftsführung mehrfach behindern.
Bethel hat sich damit vor dem Karren der neoliberalen Hardliner im Verband der diakonischen Arbeitgeber Deutschlands (VdDD) spannen lassen. Dessen Vorsitzender Markus Rückert ist ein großer Verächter des Sozialstaates, auf den nicht nur die Beschäftigten sondern auch die ganz große Mehrheit der Bewohner in den Betheler Einrichtungen dringend angewiesen sind. Sein Lieblingsthema ist »Religion und (Achtung dies ist kein Scherz!) Rendite!«. Die Linke steht uneingeschränkt für die Verteidigung des Streikrechts. Das Streikrecht ist von der Arbeiterbewegung erkämpft untrennbar verbunden mit der Entwicklung der Demokratie in Deutschland. Und gerade in Zeiten der Krise ist dieses Grundrecht für die abhängig Beschäftigten wichtig.
Die LINKE fordert Mitglieder und Sympathisanten auf: Kommt zu dem Prozeß am 3. März! Stärkt der Gewerkschaft und den Betheler Beschäftigten den Rücken!
Arbeitsgerichtsprozeß am 3. März 2010 12:00 Uhr, Amtsgericht Bielefeld, Gerichtsstraße 6, 33602 Bielefeld, Saal 4089
Zum Text:
Der Aufruf erschien zu erst auf der Homepage der LINKEN Bielefeld.