Die Bundesregierung wird die Krise nicht lösen können – weil sie die Zocker nicht entmachten will, meint Stefan Bornost
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Die Bankenkrise droht sich zum Staatsbankrott auszuweiten. Deutsche Banken halten Vermögenswerte in Höhe von acht Billionen Euro. Wie viel davon letztendlich vernichtet wird, ist unklar – viel wird es auf jeden Fall. Beinahe 36 Prozent der bis heute weltweit bekannten faulen und wertlosen Papiere befinden sich in den Bilanzen deutscher Banken. Vorsichtige Schätzungen gehen von Abschreibungen in Höhe von 10 bis 15 Prozent aus – also 800 bis 1200 Milliarden Euro. Würde der Staat über diese Schulden gnädig seinen Rettungsschirm ausspannen, stiege die Staatsverschuldung – und damit auch der Zinsendienst – um 75 Prozent. Sollte dadurch auch noch die Kreditwürdigkeit deutscher Staatsanleihen heruntergestuft werden, würde die Zinslast noch einmal immens steigen. Die wahrscheinliche Folge: Dramatische Kürzungen im Sozialstaat.
Banker wollen Giftmülldeponie
Undenkbar, dass sich der Staat für die Banker ruiniert? Dass die Bankenkrise vollständig auf die öffentlichen Kassen und so auf die Bevölkerung abgewälzt wird? Anscheinend nicht. Finanzlobbyisten, allen voran Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, werben seit Wochen für die Errichtung einer so genannten „Bad Bank« – einer Art staatlicher Müllkippe für wertlose Schrottpapiere. Auch der Bundesverband deutscher Banken, in dem die Privatbanken organisiert sind, der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) und der Internationale Währungsfond unterstützen die Forderung nach einer staatlichen Bad Bank.
Eine solche Institution würde den Banken ihre toxischen Wertpapiere abkaufen. Sie wären damit ihre Altlasten los und könnten sich neuen Geschäften zuwenden. Das Risiko für den zu erwartenden Ausfall der Papiere läge bei den öffentlichen Kassen. Es wäre, wie es der Analyst Konrad Becker von der Privatbank Merck Finck ausdrückte, „der dreisteste Weg, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren.«
Die Angst geht um
Bisher sträubt sich die Bundesregierung gegen die Bad Bank – aus Furcht vor den Reaktionen in der Bevölkerung. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erklärte, es sei politisch schwer vermittelbar, Verlustpapiere, mit denen die Banken aber lange Zeit satte Gewinne erzielt haben, nun allein zu Lasten von Steuerzahlern zu sozialisieren. Nervös schaut die Bundesregierung nach Island und Frankreich. In Island läuft nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft, so »Der Spiegel«, eine „Revolution von unten« – die Regierung wurde durch Massenproteste aus dem Amt gejagt. In Frankreich protestierten Ende Januar Gewerkschafter, Studenten und Schüler mit einem Generalstreik gegen die Rettungspakete für die Banker von Präsident Nicolas Sarkozy.
Die deutsche Regierung ist bislang nicht in den Krisenstrudel mit hineingezogen worden – die Umfragewerte sind stabil, die Zufriedenheit der Bevölkerung mit Merkel und Steinbrück, den Hauptprotagonisten des Krisenmanagements, sogar gestiegen.
Dennoch steht die Bundesregierung auf wackligem Boden. Ihr erstes Problem: Die Menschen verlangen etwas anderes, als sie tut. So möchten nach einer aktuellen Emnid-Umfrage 71 Prozent, dass Banken nur dann finanziell unterstützt werden, wenn der Staat bei allen wichtigen Entscheidungen tatsächlich mitbestimmt. Die Regierung macht das Gegenteil: Obwohl sie mit 18 Milliarden Euro fast das Fünffache des Börsenwertes der Commerzbank in das Unternehmen steckt, verzichtet sie auf die Ausübung der Kontrolle über die Bankgeschäfte.
63 Prozent der Bevölkerung wünschen sich, dass für die Finanzierung der staatlichen Hilfsprogramme eine Millionärsabgabe von fünf Prozent auf große Privatvermögen (von über einer Million Euro) erhoben wird. Die Bundesregierung denkt über solche Maßnahmen nicht einmal nach. Zudem meinen 65 Prozent, dass die Absicherung Not leidender Banken die Gewinne privatisiere und die Verluste sozialisiere – das ist eine sehr direkte Kritik an den wesentlichen Anti-Krisen-Maßnahmen von Merkel und Steinbrück.
Diese Stimmung in Protest zu verwandeln, ist die Aufgabe, die sich die Organisatoren der Demonstrationen am 28. März in Berlin und Frankfurt am Main gestellt haben. Mehr steht in Aussicht – verdi und DGB haben weitere Proteste im Mai angekündigt.
Das schwarze Loch
Die Stimmung gegen die Geschenke für die Banker ist das eine Problem der Regierung – die völlige Wirkungslosigkeit ihrer Maßnahmen gegen die Krise das andere. Das Rettungspaket für die Banken und auch der Einstieg bei der Commerzbank wurden mit einem Ziel durchgesetzt: der Überwindung der Kreditklemme. Banken sollten wieder Geld verleihen, um einen Insolvenz-Tsunami beim chronisch eigenkapitalschwachen Mittelstand zu verhindern. Das Gegenteil ist passiert: Die Banken nehmen das Geld, um ihre Bilanzen aufzuhübschen oder noch einmal Milliardenboni an die Manager auszuschütten – während sie gleichzeitig die Konditionen für Kredite weiter verschärfen. So weitet sich die Krise zum Flächenbrand aus, der wesentliche Teile des produzierenden Gewerbes erfasst.
Der Regierungsplan kann nicht funktionieren, weil ihm Ignoranz gegenüber Grundmechanismen des Kapitalismus zugrunde liegt. Steinbrück behauptet, es sei „Aufgabe von Banken, den Unternehmen Kredite zu Verfügung zu stellen und so die Wirtschaft am laufen zu halten.« Das ist falsch. Die Aufgabe privater Banken innerhalb von kapitalistischer Konkurrenz ist es, Profite zu machen. Wenn Banker meinen, dass sie dies über die Kreditvergabe an Unternehmen erreichen, geben sie Kredite an Unternehmen. Wenn sie aber befürchten, dass sie diese Kredite nicht zurückbekommen, weil ihre Schuldner reihenweise Bankrott gehen, dann drehen die Banken den Geldhahn zu. Genau so sieht die momentane Situation aus: Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Pleite – und damit auch vor einer Entlassungswelle. Egal wie viel Geld die Regierung den Banken zur Verfügung stellt, die Kreditklemme wird so nicht zu lösen sein.
Von der Verstaatlichung zur Vergesellschaftung
Der größte Trumpf der Regierung ist die angebliche Alternativlosigkeit ihrer Politik. So sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD Andrea Nahles im Spiegel-Interview: „Ich fühle mich genötigt, wenn ich daran denke, dass hier der Staat für privatwirtschaftliches Versagen einstehen muss. Aber wir wissen, wenn wir tatenlos zusehen, drohen noch größere Verheerungen«.
Tatsächlich ist es keine Lösung, die Banken alle gegen die Wand fahren zu lassen – wirtschaftlicher Zusammenbruch und Massenelend wären die Folge. Auch die Verstaatlichung á la Bundesregierung – Geld geben ohne Kontrolle zu fordern – ist keine Lösung.
Drastischeres ist erforderlich: Die großen Banken und Finanzinstitute müssen aus der privaten Hand genommen werden – entschädigungslos. Sie müssen verstaatlicht, in öffentliche Dienstleistungsunternehmen überführt und unter die demokratische Kontrolle der Bevölkerung gestellt werden. Die enormen Finanzmittel der Banken müssen dazu verwendet werden, um Bildung, Wohnungen, Gesundheitsversorgung, Renten und anständig bezahlte Arbeitsplätze für alle zu schaffen – ein Schutzschirm für die Bevölkerung. Die Einlagen und Ersparnisse der arbeitenden Bevölkerung und der kleinen Geschäftsleute müssen gesichert werden.
Natürlich wird die Bundesregierung diesen Schritt nicht gehen – schließlich steht die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel durch die Kapitalisten (oder des Staates treuhänderisch für die Kapitalisten) im Zentrum kapitalistischer Gesellschaftsorganisation. In normalen Zeiten hätte die Forderung nach Vergesellschaftung auch keine Chance, außerhalb der radikalen Linken Gehör zu finden. Aber die Zeiten sind nicht normal – die jetzt beginnende Krise hat die Herrschenden in Verwirrung gestürzt und die Ideologie des freien Marktes in schweren Misskredit gebracht. Jetzt besteht die Chance, die bestehenden Verhältnisse grundsätzlich zu verändern. Das ist keine Frage der richtigen Wirtschaftspolitik, sondern der gesellschaftlichen Kraftverhältnisse. Um sich vor den Auswirkungen der Krise zu schützen, müssen die Menschen ihre Verteidigung selbst in die Hand nehmen – so wie es in einigen Ländern bereits geschieht.
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»Flächenbrand« ist ein Vorabdruck aus dem neuen marx21-Magazin, Heft 9, Februar 2009. Jetzt marx21 kostenlos testen oder Jahresabo abschließen, Buchprämie aussuchen
Zum Autor:
Stefan Bornost ist leitender Redakteur von marx21.