Mit einem Burka-Verbot werden betroffene Frauen aus der Öffentlichkeit in ihr womöglich repressives Zuhause verbannt. Ein Kommentar von Marwa Al-Radwany
In Belgien haben Abgeordnete aller Parteien für die Einführung eines Burkaverbots gestimmt: Frauen, die einen Gesichtsschleier tragen, können mit Geld- oder gar Haftstrafen von bis zu sieben Tagen belegt werden. Auch in Frankreich prüft die Regierung derzeit einen Gesetzentwurf, der Burkaträgerinnen von sämtlichen öffentlichen Dienstleistungen – also auch Schulen, Krankenhäusern und Behörden – ausschließen will. Das Verbot soll angeblich den entrechteten Frauen zugute kommen.
Nur: Mit einem Verbot wird keiner Frau geholfen. Diejenigen, die sich freiwillig verhüllen, werden ihrer elementaren Persönlichkeitsrechte sowie des Rechts auf freie Religionsausübung beraubt. Und denjenigen, die gezwungen werden, entzieht man mit dem Verbot auch noch die letzte Chance, sich von unterdrückenden häuslichen Verhältnissen aus eigener Kraft zu befreien. Denn öffentliche Hilfe können die entsprechenden Frauen dann nicht mehr in Anspruch nehmen: Sie können sich weder im Krankenhaus einer Ärztin anvertrauen, noch im Sozialamt eine eigenständige Hilfeleistung anfordern, noch einem Anwalt eine Scheidung beauftragen, noch eine polizeiliche Anzeige aufgeben. Sie können auch keine Schule oder Weiterbildung besuchen, um eine berufliche Qualifikation zu erwerben, die sie potenziell unabhängiger von Männern machen würde. Mit einem Verbot werden solche Frauen also aus der Öffentlichkeit direkt in ihr womöglich repressives Zuhause verbannt.
Verbote verstoßen eklatant gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Emanzipation kann nicht bedeuten, dass eine Gruppe von Männern und Frauen eine andere für unterdrückt und rückständig erklärt, um dann die Methode ihrer »Befreiung« mit staatlichem Zwang vorzuschreiben. Ein Schleier kann mitunter auch davor schützen, als »Illegale« ohne sicheren Aufenthaltsstatus identifiziert zu werden. Solange Frauen durch repressive Ausländergesetzgebungen in die Illegalität gezwungen werden, werden sie sich nicht ihrer Freiheitsrechte bedienen können.
Was Frauen brauchen, ist Gleichheit vor dem Gesetz, sind höhere Löhne und geschlechtsunabhängige Bezahlung, eine moderne Familienpolitik, die sie nicht auf Mutterrollen und Reproduktionsarbeiten reduziert, Frauenhäuser und Beratungszentren, Zugang zu Bildung und vor allem: solidarische Unterstützung statt Bevormundung und Zwang.
Nur dann hat die Beseitigung patriarchaler Symbole und Gesetze eine reelle Chance: wenn sie von den Entrechteten selber bekämpft werden.
Zur Autorin:
Marwa Al-Radwany ist Mitglied der LINKEN in Berlin und Vorsitzende der Initiative »Grenzen-Los!« e.V.