Linke aus Ägypten, Syrien, Irak, Marokko und Libanon stellen sich gegen einen US-Angriff auf Syrien und erklären ihre Solidarität mit der syrischen Revolution. marx21 dokumentiert ihre Erklärung
Wir stehen an der Seite der syrischen Revolution – nein zu ausländischen Interventionen
(Gemeinsame Erklärung von: Revolutionäre Sozialisten (Ägypten), Revolutionäre Linke Strömung (Syrien), Union der Kommunisten (Irak), Al Mounadil-a (Marokko), Sozialistisches Forum (Libanon)
Über 150 000 sind getötet worden, Hunderttausende sind verwundet und zu Invaliden gemacht worden, Millionen Menschen sind im Inland und ins Ausland vertrieben worden. Städte, Dörfer und Stadtteile sind mit verschiedenen Waffen – Kampfflugzeugen und Scud-Raketen, Bomben und Panzern und anderem Material, das mit dem Blut und Schweiß des syrischen Volks bezahlt wurde – dem Erdboden gleichgemacht oder fast zur Gänze zerstört worden; dies geschah unter dem Vorwand der Verteidigung des Vaterlands und der Herstellung eines militärischen Gleichgewichts (?!) mit Israel (welches das syrische Regime in Wirklichkeit schützt, während es sein Territorium besetzt, und das Regime hütet sich sogar, auf die wiederholten israelischen Aggressionen zu antworten).
Trotz der erwähnten enormen Verluste, von denen alle Syrer und Syrerinnen betroffen sind, und trotz der Katastrophen, die über sie hereingebrochen sind, haben es keine internationale Organisation und kein großes Land oder andere weniger bedeutende Organisationen oder Länder für nötig gehalten, sich mit ihnen zu solidarisieren und sie in ihrem Einsatz für ihre elementarsten Freiheitsrechte, menschliche Würde und soziale Gerechtigkeit zu unterstützen.
Die einzigen Ausnahmen waren einige Golfstaaten, genauer gesagt, Katar und Saudi-Arabien; deren Ziel ist es jedoch, den Kampf von seinem Charakter her auf Fanatismus hin zu lenken, die syrische Revolution zu entstellen und zu Fall zu bringen. Darin spiegelt sich ihre tiefe Furcht vor einer Ausbreitung des revolutionären Funkens wider. Daher kommt ihre Unterstützung für obskurantistische Takfiri-Kräfte, die zum größten Teil aus aller Welt gekommen sind, um zu versuchen, ihre schändliche Auffassung von Herrschaft auf der Grundlage der islamischen Scharia durchzusetzen. Diese Gruppierungen haben wiederholt schreckliche Massaker an syrischen Bürger_innen begangen, die sich gegen ihr repressives Vorgehen und ihre Aggressionen in Gebieten gestellt haben, die unter ihrer Kontrolle stehen oder die sie von Zeit zu Zeit angreifen, wie das beispielsweise vor kurzem in bestimmten Dörfern in [dem Gouvernement] Latakia geschehen ist.
Auf der anderen Seite schmiedet eine Vielzahl von feindlichen Kräften aus aller Welt Komplotte gegen die Revolution des syrischen Volks, die im Zusammenhang mit den Erhebungen in einem bedeutenden Teil der arabischen Region und des Maghreb stattfindet. Seit bald drei Jahren machen die Bevölkerungen hier ihren Willen geltend, einer Geschichte voller Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ausbeutung ein Ende zu setzen; sie wollen ihre Rechte auf Freiheit, Würde und soziale Gerechtigkeit erhalten. Damit haben sie nicht nur lokale tyrannische Diktaturen, sondern auch die meisten imperialistischen Mächte, die den Raub der Reichtümer unserer Völker fortführen wollen, sowie die verschiedenen reaktionären Klassen und Kräfte in der Region und in den Nachbarländern gegen sich aufgebracht.
In Syrien umfasst die Allianz, die gegen das revoltierende Volk kämpft, eine Vielzahl von reaktionären sektiererischen Kräften, mit dem iranischen Staat und den irakischen konfessionellen Milizen an der Spitze, aber ganz bedauerlicherweise auch die schlagkräftigen Truppen von Hisbollah, die jetzt in dem Sumpf der Verteidigung eines tief korrupten und kriminellen Regimes versacken.
Leider hat auch ein großer Teil der traditionellen arabischen Linken mit stalinistischen Wurzeln, ob in Syrien selber, im Libanon, in Ägypten oder in der übrigen arabischen Region – und weltweit – klar und schändlicherweise für die üble Koalition um das Regime der al-Assad Partei ergriffen. Manche tun das unter dem Vorwand, das Regime sei „widerspenstig« oder sogar „widerständig«; und dies trotz seiner langen Geschichte als Hüter der zionistischen Besetzung der Golan-Höhen und der wiederholten blutigen Repression, seit es an der Macht ist, gegen viele palästinensische und libanesische (oder auch syrische) Gruppierungen, die Widerstand gegen Israel leisten, und obwohl es seit dem Oktoberkrieg 1973 gegenüber den israelischen Angriffen auf syrische Territorien untätig geblieben ist und sich unterwürfig verhalten hat. Diese Parteinahme kann schwerwiegende Folgen für die Haltung der gewöhnlichen Syrer_innen zur Linken allgemein haben.
Die Vereinten Nationen und der Sicherheitsrat waren nicht dazu in der Lage, die Verbrechen eines Regimes zu verurteilen, das von dem syrischen Volk mehr als sieben Monate lang kontinuierlich und friedlich abgelehnt worden ist, während Tag um Tag Demonstrant_innen unter den Kugeln der Sniper und der Schabiha [von Baschar al-Assads Cousins geführte Milizen] fielen und während die einflussreichsten Aktivist_innen festgenommen und in den Gefängnissen und Haftzentren in schrecklichster Weise gefoltert und umgebracht wurden. Während dieser ganzen Zeit bewahrte die Welt völliges Schweigen und verhielt sie sich negativ.
Diese Situation hat fast unverändert angedauert, nachdem sich das Volk dazu gezwungen sah, zu den Waffen zu greifen und als das entstand, was als Freie Syrische Armee bekannt wurde, deren Kommandierende und Angehörige zu einem großen Teil aus der regulären Armee kommen. Das Regime reagierte mit einer fürchterlichen Eskalation der Verbrechen.
Der russische Imperialismus, der wichtigste Verbündete des Baath-Regimes in Damaskus, der ihm alle Arten von Unterstützung gibt, liegt auf der Lauer, um jeden Versuch zu blockieren, diese Verbrechen durch den Sicherheitsrat verurteilen zu lassen.
Für die Vereinigten Staaten dagegen stellt die Fortdauer des Status quo, mit allen Folgen aus der Zerstörung des Landes, kein wirkliches Problem dar. Dies ist so trotz der Drohungen und der Einschüchterungsversuche, zu denen der US-Präsident greift, jedes Mal wenn jemand in der syrischen Opposition den Einsatz von chemischen Waffen durch das Regime anspricht, bis hin zur letzten Eskalation, als es hieß, die „rote Linie« sei übertreten worden.
Es ist klar, dass Obama, der den Eindruck erweckt, er werde mit seinen Drohungen ernst machen, in Verlegenheit geraten wäre, hätte er sich zurückgehalten, und dass sich solch eine Zurückhaltung nicht nur auf den Präsidenten negativ auswirken würde, sondern auch auf das Image des von ihm geführten arroganten und mächtigen Staats in den Augen der dienstbaren arabischen Staaten und der ganzen Welt.
Es stehen also Schläge gegen die syrischen Streitkräfte kurz bevor, die im wesentlichen von den USA ausgeführt werden, aber mit der Zustimmung verbündeter imperialistischer Staaten und in Zusammenarbeit mit ihnen. Das wird ohne den üblichen farcenhaften Mantel der „internationalen Legitimierung« geschehen (nämlich Beschlüssen der Vereinten Nationen, die immer die Interessen der Großmächte widergespiegelt haben und das weiter tun, im Konflikt miteinander oder im Gleichklang, je nach den Umständen, den Differenzen und den Kompromissen unter ihnen). Mit anderen Worten, für diese Schläge wird aufgrund eines absehbaren russisch-chinesischen Vetos nicht auf die Zustimmung des Sicherheitsrats gewartet werden.
Leider setzen viele in der syrischen Opposition auf diese Schläge und die US-Position allgemein; ihrer Meinung nach könnte dies eine Gelegenheit schaffen, dass sie später die Macht an sich reißen, also indem sie die Massenbewegung übergehen und deren Entscheidungen missachten. Und natürlich kommt es dann nicht überraschend, dass Repräsentanten der Opposition und der freien Armee sich in keiner Weise gescheut haben zu erklären, sie würden den Amerikanern Informationen zu den militärischen Zielen liefern, die es zu treffen gälte.
Wir erklären auf alle Fälle, dass wir uns in folgendem einig sind:
1. Die westliche imperialistische Allianz wird Schläge gegen mehrere Orte und sogar wichtige Teile der militärischen und zivilen Infrastruktur in Syrien (wie üblich mit zahlreichen Opfern unter den Zivilist_innen) ausführen; doch werden diese Schläge wie angekündigt nicht auf den Sturz des Regimes abgestellt sein. Sie sind laut Obama nur dazu gedacht, die syrischen Machthaber zu bestrafen und zugleich nach all den Drohungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Chemiewaffen das Gesicht der amerikanischen Administration zu wahren.
2. Die Absicht des amerikanischen Präsidenten, die syrischen Machthaber zu bestrafen, ist nicht Ausdruck von Washingtons Solidarität mit dem Leiden der Kinder, die den Massakern in Ghuta zum Opfer gefallen sind, sondern seines Einsatzes für das, was Obama die „vitalen Interessen Amerikas und seiner nationalen Sicherheit« nennt, sowie für die Interessen Israels und seiner Sicherheit.
3. Das syrische Regime und seine regionalen Alliierten mit dem iranischen Regime an der Spitze werden höchstwahrscheinlich nicht den Mut haben, die Drohungen ihrer hohen Offiziellen zu erfüllen, jeder westliche Angriff werde die gesamte Region in Brand setzen; doch wird diese Option als letzte Möglichkeit mit katastrophalen Folgen weiter anstehen.
4. Der kurz bevorstehende imperialistische Angriff zielt absolut nicht auf die Unterstützung der syrischen Revolution ab; er soll Damaskus zu Verhandlungen drängen, die einen Rückzug von Baschar al-Assad, aber ein Weiterbestehen des Regimes möglich machen, während die Position des amerikanischen Imperialismus im künftigen Syrien auf Kosten des russischen Imperialismus beträchtlich gestärkt werden soll.
5. Je mehr diejenigen, die an der anhaltenden Volksbewegung teilnehmen, die am meisten bewusst sind, am ehrlichsten sind und sich am meisten für die Zukunft Syriens und seines Volks engagieren, sich dieser Tatsachen, ihrer Folgen und ihrer Ergebnisse bewusst sind und entsprechend handeln, desto mehr wird das dazu beitragen, dem syrischen Volk zu helfen, eine wahrhaft revolutionäre Führung herauszubilden; sie würde im Prozess eines engagierten Kampfs auf der Grundlage der unmittelbaren und künftigen Interessen ihres Volks ein radikales Programm hervorbringen, das diesen Interessen entspricht, und der Kampf für seine Umsetzung und Konkretisierung werden es möglich machen, auf dem Weg zum Sieg voranzukommen.
- Nein zu allen Formen imperialistischer Intervention, ob amerikanischer oder russischer!
- Nein zur reaktionären sektiererischen Intervention, sei es aus dem Iran oder den Golfmonarchien!
- Nein zur Intervention von Hisbollah, die scharf verurteilt werden muss!
- Weg mit allen Illusionen in Bezug auf die kommenden amerikanischen Militärschläge!
- Für die Öffnung der Waffenlager für das syrische Volk, das für Freiheit, Würde und soziale Gerechtigkeit kämpft!
- Sieg für ein freies demokratisches Syrien, nieder mit der Diktatur von al-Assad und allen Diktaturen!
- Es lebe die Revolution des syrischen Volks!
29. August 2013
Unterzeichnende Organisationen:
Revolutionäre Sozialisten (Ägypten), Revolutionäre Linke Strömung (Syrien), Union der Kommunisten (Irak), Al-Mounadil-a (Marokko), Sozialistisches Forum (Libanon)
(Aus dem Englischen und Französischen übersetzt von Wilfried Dubois)
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