ARD, ZDF und Deutschlandradio werben für den neuen Rundfunkbeitrag mit dem Slogan »Einfach. Für alle«. Die nun installierte Gebühr ist aber für viele einfach nur sozial ungerecht, meint Kathrin Senger-Schäfer
Mit Inkrafttreten der Regelungen des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (Umstellung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag als »Haushaltsabgabe«) zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag am 1. Januar 2013 sind gravierende soziale Härten und Verschärfungen sozialer Ungleichheit verbunden, die zum Teil dem Sozialstaatsgebot und dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes widersprechen. In einigen Bundesländern laufen deshalb Verfassungsklagen.
Hunderttausende müssen mehr zahlen
Die sozialen Ungerechtigkeiten der neuen Rundfunkgebühr betreffen viele: Für 2,3 Millionen Nur-Hörfunk-Teilnehmer und Nur-Internet-PC-Nutzer verdreifacht sich die Gebühr von monatlich 5,76 Euro auf 17,98 Euro. Für eine Million Nichtnutzer, die bislang bewusst oder auch aus sozialen Gründen auf Rundfunk verzichteten, wird die volle Gebühr fällig. Hunderttausende von Fernpendlern, die eine zweite Wohnung mieten, um Beruf und Lebensraum besser zu verbinden, sind künftig gezwungen, sofern sie bewusst auf Rundfunk in ihrer Zweitwohnung verzichteten, die doppelte Rundfunkabgabe zu zahlen.
Menschen mit Behinderungen, denen bislang ein behinderungsspezifischer Nachteilsausgleich gewährt wurde, müssen nunmehr ein Drittel der Gebühr entrichten. Die Gebührenbefreiungen aus sozialen Gründen greifen nicht bei denjenigen, die bewusst auf Sozialleistungen verzichten oder mit ihren zulässigen Zuverdiensten nur geringfügig über dem Rundfunkbeitrag liegen.
Beschwerden gegen Beitrag
Im Jahr 2013 wird der Rundfunkbeitrag aus sozialer Sicht zu einem hoch sensiblen Thema werden: Das betrifft sowohl die materiellen Benachteiligungen als auch die ideellen – zum Beispiel beim Datenschutz, bei der Behördenauskunft, bei der Umkehrung der Beweislast oder auch medienpolitisch bei der Verwendung der Gebührengelder in der öffentlich-rechtlichen Programmgestaltung.
Durch den Abschluss des Gesetzesänderungsprozesses zwischen Bund und Ländern sind parlamentarische Mittel nicht mehr einsetzbar. Dafür gibt es eine signifikante Zunahme von Beschwerden gegen den Beitrag, die abseits des Klageweges aber folgenlos bleiben, denn gezahlt werden muss doch. Eine Evaluierung der Beitragsregelung ist, wenn überhaupt, erst im Jahre 2014 vorgesehen.
LINKE gegen Haushaltsabgabe
Für linke Medienpolitik ergibt sich daraus dreierlei: Da DIE LINKE die einzige Partei ist, die von Anfang an gegen die Haushaltsabgabe war, muss nun erstens für Nachbesserungen gestritten werden. Aufgrund der Erfahrungen mit den Mängeln und Ungereimtheiten des Rundfunkbeitrages ist zweitens nach Alternativen beim Einsatz der aufgewendeten finanziellen Mittel zu suchen. Es stehen Überlegungen im Raum, Anteile des Beitragsaufkommens zu entkoppeln und für die Verbesserung der Informationsleistungen sowie zur Bereitstellung im online-Bereich zu verwenden.
Drittens kann die jetzige öffentliche Debatte dazu genutzt werden, um notwendige Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem anzustoßen. Thematisiert werden müssen unter anderem die Gremienzusammensetzung, die Umsetzung des Verfassungsgebotes im Rundfunk und die Neudefinition des Begriffs »öffentlich-rechtlich« im digitalen Zeitalter.
Zur Person:
Kathrin Senger-Schäfer ist medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
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