Die gute Nachricht: Gentrifizierung kann gestoppt werden. Der Staat hat viele Möglichkeiten, in den Wohnungsmarkt einzugreifen, um profitgierigen Immobilienspekulanten und Hausbesitzern Grenzen zu setzen. Die schlechte: Meist macht die Politik das Gegenteil. Von Matthias Bernt
Versucht man den Zusammenhang von Politik und Gentrifizierung zu beschreiben, muss man sich zunächst klarmachen, welchen Einfluss staatliche Regulative auf die Investitionskalküle von Hausbesitzern und Immobilienentwicklern haben. Denn in der Praxis finden Immobilieninvestitionen so gut wie nie auf einem »freien Markt« statt. Im Gegenteil hat sich in allen Industrieländern ein umfangreicher und oft nur schwer zu durchschauender Komplex von Gesetzen und Regelungen entwickelt, mit dem der Staat in den Wohnungsmarkt eingreift und ohne den dieser gar nicht funktionieren würde. Politische Eingriffe gestalten die grundlegenden Rahmenbedingungen, welche die Möglichkeiten, die Dynamiken und die räumlichen und zeitlichen Muster von Gentrifizierung prägen. Zentral sind dabei folgende drei Bereiche, in denen die Vorbedingungen für Gentrifizierung politisch verhandelt werden: die Immobilienfinanzierung, die Mieterhöhungsmöglichkeiten sowie die Schaffung von bevorzugten Wohnlagen.
Immobilieninvestitionen sind in der Regel extrem langfristige Geschäfte, die sich nur über lange Zeiträume rechnen. Für Kapitalanleger sind sie nur dann attraktiv, wenn sie die entstehenden Kosten abfedern oder reduzieren können. Um Investitionen anzuregen, fördert der Staat deshalb Immobilieninvestitionen auf vielfältige Art und Weise: So gibt er Zuschüsse zu den Baukosten, gewährt zinsverbilligte Kredite und eröffnet die Möglichkeit, Verluste von der Steuer abzuschreiben. Diese öffentliche Unterstützung für private Renditeoptimierung ist mal an Gegenleistungen gekoppelt, mal auch nicht. Ein gutes Beispiel für eine Förderpolitik ohne Gegenleistung sind die »Absetzungen für Aufwendungen (AfA)«, mit denen es Hauseigentümern in den 1990er Jahren ermöglicht wurde, einen erheblichen Teil der Kosten für die Sanierung ihrer Immobilie als »Steuerersparnis« zu finanzieren – zum Nulltarif. Ohne diese Förderung hätte kaum eine Sanierung in Prenzlauer Berg stattgefunden. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen der soziale Wohnungsbau oder die »behutsame Stadterneuerung«. Hier wurde die Investitionsbereitschaft der Hauseigentümer zwar mindestens ebenso großzügig mit öffentlichen Mitteln versüßt – aber dort wenigstens unter der Auflage von Miet- und Belegungsbindungen, die für einen längeren Zeitraum dafür sorgten, dass die Wohnungen bezahlbar blieben.
Ein zweiter Bereich, in dem der Staat die Bedingungen für Immobilieninvestitionen beeinflusst, ist die Festlegung von Spielräumen für Mietsteigerungen. Der Umfang von Mietsteigerungen ist in vielen europäischen Städten gesetzlich begrenzt und diese Begrenzungen sind dafür entscheidend, ob es zur Gentrifizierung kommt oder nicht. Denn von der Miethöhe her entscheidet sich einerseits, welche Rückflüsse ein Investor auf seine Investition erwirtschaften kann und wie attraktiv damit für ihn diese Investition ist.
Ohne entsprechende Mietsteigerungsmöglichkeiten kommt eine Sanierung gar nicht zustande. Die Miethöhe ist andererseits das entscheidende Kriterium, das darüber bestimmt, ob eine bestimmte Wohnung von Haushalten mit einem bestimmten Einkommen bezahlt werden kann. Ob Niedrigverdiener es sich leisten können, auch nach der Sanierung in ihrer Wohnung zu bleiben, oder ob sie Platz für Besserverdienende machen müssen, ist deshalb nicht nur eine Frage von Angebot und Nachfrage, sondern auch eine Frage der Existenz oder Nichtexistenz entsprechender Gesetze. Ein dritter Bereich, in dem der Staat die Sicherheit von Investitionen verbessern kann, ist die Produktion von Lagen. Gemeint sind damit das Wohnumfeld oder auch das Image eines Gebiets. Typische Instrumente der »Attraktivitätssteigerung« sind Infrastrukturverbesserungen (zum Beispiel Verbesserung des Verkehrsanschlusses), Umfeldmaßnahmen (wie die Umwandlung einer Brache in eine Grünfläche, Verkehrsberuhigung), Imagekampagnen oder die Installation von kulturellen »Highlights« (wie Museen oder Galerien).
Durch solche umfangreichen Vorleistungen kann er dazu beitragen, ein Gebiet »attraktiv« zu machen. Der zweischneidige Erfolg ist oft eine Verbesserung der lokalen Wohnverhältnisse zum Preis eines erhöhten Drucks auf niedrige Mietpreise. Unterschiedliche Bewertungen des Wohnumfelds finden sich schließlich auch im Berliner Mietspiegel mit einfacher, mittlerer und guter Wohnlage.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass Gentrifizierung stark von staatlicher Politik abhängt oder beeinflusst wird. Politische Entscheidungen stehen dabei immer im Spannungsfeld zwischen Investitionsförderung und Mieterschutz. Wohin das Pendel ausschlägt, ist damit auch von dem jeweiligen gesellschaftlichen Klima und den in ihm herrschenden Kräfteverhältnissen abhängig.
Zum Autor: Matthias Bernt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung im brandenburgischen Erkner.