Mitte August erschoss die südafrikanische Polizei 18 streikende Bergarbeiter. Die Auseinandersetzungen halten an. Gavin Capps wirft einen Blick auf den Aufstieg des Platinbergbaus zum Herzstück von Südafrikas Bergbauindustrie – und wie Arbeiter dafür bluten mussten
Die Polizei in Südafrika eröffnete das Feuer auf streikende Arbeiter in der Marikana Platinmine nahe Rustenburg und tötete mindestens 18 Menschen. Zehn weitere starben an den darauf folgenden Tagen bei anderen Zusammenstößen. Dieser Vorfall ist eine weitere blutige Seite im Geschichtsbuch der südafrikanischen Minen.
Der Platinabbau ist zentral für die Wirtschaft Südafrikas. Das Land beheimatet 88 Prozent der weltweiten Reserven und mehr als Dreiviertel der weltweiten Jahresproduktion an Platin. Während der Boomjahre zwischen 1994 und 2009 wuchs die Industrie um 67 Prozent; sie bildet heute die größte Sparte im Bergbaubereich.
In dieser Zeit wuchsen die Minen ununterbrochen und zogen immer mehr Investitionen auf sich, nicht zuletzt des britischen Konzerns Lonmin, der im Zentrum der jüngsten Auseinandersetzung steht. Während der Goldabbau, bedingt durch die zunehmenden Schwierigkeiten, die restlichen Reserven anzuzapfen, stets an Bedeutung verliert, ist der Platinabbau Dreh- und Angelpunkt von Südafrikas Bergbauzukunft.
Ausverkauf der Rohstoffe
Die ANC-Regierung hat den Bergbau an höchste Stelle in ihrem Programm für eine ressourcenorientierte Entwicklungsstrategie gesetzt. Sie plant sogar ein »Platintal« für die Ansiedlung von Industrieen auf Platinbasis.
Ihre Pläne sind allerdings durch die globale Krise und den dramatischen Verfall der Platinpreise seit einem Jahr durchkreuzt worden. Der Run zur Produktionssteigerung hat sich in ein globales Überangebot gedreht.
Druck auf die Profite
Steigende Löhne und Kosten für Strom und Transport drücken die Profite. Kleinere Produzenten wie Aquarius haben sich deswegen dazu entschlossen, ihre Minen kurzfristig zu schließen. Und alle Global Players haben ihre Investitionspläne radikal gestutzt.
Anglo Platinum, das 60 Prozent der weltweiten Platinproduktion auf sich vereint, wurde besonders hart getroffen. Es hat Verluste von 25 Millionen Euro in der ersten Jahreshälfte 2012 erlitten. Lonmin währenddessen hat seine Investitionspläne für die kommenden zwei Jahre von 360 Millionen Euro auf 200 beinahe halbiert.
Militante Streiks
Militante Arbeiterstreiks haben die südafrikanische herrschende Klasse in Panik versetzt. Vor allem das Wachstum der noch relativ jungen Vereinigung der Bergbau- und Konstruktionsarbeiter AMCU an der etablierten und landesweit operierenden Bergarbeitergewerkschaft NUM vorbei bereitet ihr Kopfzerbrechen.
Die zu Aktionen bereite AMCU hat ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, die Produktion effektiv lahmzulegen, während die mit dem Management tief verstrickte NUM, die National Union of Mineworkers, ihre Hauptrolle im Dämpfen und Ablenken von Kämpfen sieht. Seit 1994 arbeitet sie letztlich für die Regierung.
Unabhängige Gewerkschaft
Ein kämpferischer Streik in der Impala Platinmine im Januar war richtungsgebend. Er dauerte sechs Wochen, kostete Impala 230 Millionen Euro und senkte die landesweite Platinproduktion um fast die Hälfte.
Dieser Streik verhalf der AMCU zu plötzlichem Wachstum auch in anderen Minen, darunter Lonmin, was die Bosse, die Regierungspartei ANC und die NUM gleichermaßen in Angst und Schrecken versetzt.
Lonrhos Schandgeschichte
Lonmin ist der neue Name des britischen Konzerns Lonrho. Die Umbenennung sollte 100 Jahre selbst für den Bergbau schändlicher Brutalität vergessen machen. Der Konzern wurde 1909 gegründet, um Schürfrechte im damaligen Rhodesien an sich zu reißen.
Sogar der konservative britische Premierminister Edward Heath sah sich 1973 zu dem Ausspruch veranlasst, Lonrhos Boss Tiny Rowland repräsentiere »das inakzeptable Gesicht des Kapitalismus«.
Das waren die Zeiten der Steuerunterschlagung, der Bestechung von afrikanischen Führern und des Umgehens der UNO-Sanktionen gegen das rassistische Regime Rhodesiens.
Tradition von Arbeitskämpfen
Seit der Entdeckung von Gold im 19. Jahrhundert sind in Südafrika über 80.000 Minenarbeiter bei vermeidbaren Unfällen gestorben. Diese Brutalität wurde aber auch von einer langen Geschichte der Militanz begleitet.
Die NUM schöpfte ihre Kraft anfänglich aus den Streiks in den Goldminen unter dem Apartheid-Regime im Jahr 1975. Sie wurde dafür mit systematischer Repression bestraft.
Im Jahr 1986 starben 177 Minenarbeiter in einem durch Kostensenkungen verursachten Unfall. Über 300.000 streikten daraufhin. Ein Jahr später streikten wieder 330.000 Bergbauarteiter, diesmal für 21 Tage, womit sie die Macht der schwarzen Arbeiterklasse in Südafrika für alle Welt demonstrierten.
(Zuerst erschienen in der britischen Zeitung Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson)
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