Wenn DIE LINKE die Alternative für Deutschland stoppen will, muss sie ihre Eurokritik deutlich radikalisieren. Ein Kommentar von theorie21-Redakteur Volkhard Mosler.
Bernd Lucke ist einer der Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD) und er hat eine klare Idee, wofür seine Partei steht. Nämlich für den »gesunden Menschenverstand«. Die Mitglieder der AfD verstehen darunter freilich sehr unterschiedliche Dinge. Für Heinrich Hofsommer vom hessischen Landesvorstand bedeutet es offenbar, dass alle Muslime »ihren Teppich nehmen und heimgehen« sollten. Das soll der ehemalige Schulleiter nach Darstellung empörter Eltern einst im Unterricht gesagt haben, woraufhin er an das Staatliche Schulamt nach Fulda versetzt wurde.
Die AfD ist offensichtlich mehr als nur ein Sammelbecken für ehemalige Mitglieder der CDU, die mit der gesellschaftspolitischen Liberalisierung und dem Eurokurs der Merkel-Partei unzufrieden sind. Hier machen auch Personen mit, die rassistische Ideen vertreten und zurzeit vor allem gegen Roma und Sinti mobil machen. Damit platziert sich die AfD in dem breiten Spektrum, das vom rechten Rand der CDU bis zu rassistischen und faschistischen Organisationen wie Pro Deutschland, den Republikanern und der NPD reicht. Nicht von ungefähr nehmen diese Parteien die AfD als Konkurrenz wahr. Fast neidvoll sagte Thorsten Thomsen, Fraktionssprecher der NPD im Sächsischen Landtag: Für Leute, die »im Staatsdienst« seien oder »aus familiären Gründen« nicht in die NPD eintreten könnten, biete die AfD »nun die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren, ohne diskriminiert zu werden«.
Keine demokratisch-konservative Partei wie die CDU
Es ist zu befürchten, dass der AfD bei der Europawahl im kommenden Mai jener Durchbruch gelingt, der ihr bei der Bundestagswahl noch versagt geblieben ist. Das wollen wir natürlich verhindern. Doch um der Partei effektiv von links zu begegnen, müssen wir ihren Charakter analysieren. Dazu gehört auch, die gegenwärtigen Unterschiede zu anderen rechten Formationen zu erkennen.
Zwar hat Bernd Lucke bei Wahlkampfreden vor der »Zuwanderung ganzer rumänischer Dorfschaften« gewarnt, ebenso vor Roma und Sinti, die es auf das »hohe deutsche Kindergeld abgesehen« hätten. Doch das stand nicht im Zentrum der AfD-Agitation. Anders als Pro Deutschland und die NPD hat die Partei keinen offen rassistischen Wahlkampf geführt. Sie hat nicht gegen den Bau von Moscheen gehetzt, fremdenfeindliche Plakate geklebt und Kopftuchträgerinnen eine »gute Heimreise« gewünscht. Stattdessen legt die Parteiführung großen Wert darauf, sich von faschistischen Parteien zu distanzieren. Dutzende Aufnahmeanträge ehemaliger Pro-Deutschland- und NPD-Mitglieder wurden abgelehnt.
Trotzdem ist die AfD keine demokratisch-konservative Partei wie CSU oder CDU. Der Begriff »Rechtspopulismus« mag als Annäherung an eine Charakterisierung sinnvoll sein, wenngleich der Vorwurf des »Populismus« wenig analytische Kraft hat. Die Partei greift die Ängste des Mittelstandes und des gehobenen Bürgertums angesichts der Eurokrise auf und kritisiert die Staatsverschuldungspolitik im Interesse maroder Banken. Zugleich versucht sie diese Ängste und die daraus erwachsende Kritik an der Wirtschafts- und Europapolitik der Bundesregierung in ein nationalistisches Fahrwasser zu lenken. Ihre Weltanschauung ist wirtschaftlich neoliberal, politisch rechts-konservativ und mit einem reaktionären und elitären Menschen- und Gesellschaftsbild versehen.
Die EU ist kein Projekt der Völkerfreundschaft
Die AfD hat aber bei der Bundestagswahl nicht deswegen so gut abgeschnitten, weil sie rassistische Anspielungen macht. Vielmehr hat sie zugelegt, weil sie als einzige Partei im Wahlkampf einen scharfen Kurs gegen die EU und die »Eurorettung« eingeschlagen hat – in Kombination mit einer deutsch-nationalen Ausrichtung. »Wenn es der griechischen Mentalität entspricht«, sagte Parteichef Lucke, »dass man die Dinge etwas langsamer und entspannter angehen möchte, als wir das in Deutschland tun, dann ist das das gute Recht der Griechen.« Ergo: Sie dürfen faulenzen, aber nicht auf Kosten von »uns«, den fleißigen Deutschen. Das ist ein Wohlstandschauvinismus, wie wir ihn von der Lega Nord in Italien kennen. Dort richtet er sich gegen die Süditaliener.
Offensichtlich sind auch die Wählerinnen und Wähler der LINKEN für diese politische Linie empfänglich. Laut Infratest Dimap hat die AfD der Linkspartei 340.000 Stimmen abgenommen. Auch unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern schnitten die Rechtspopulisten mit einem Stimmenanteil von sechs Prozent überdurchschnittlich ab. Der Versuch der übrigen Parteien, einschließlich der LINKEN, die Eurokrise und die Zukunft der Europäischen Union aus dem Wahlkampf herauszuhalten, hat ihnen ganz offensichtlich genutzt.
Deshalb muss die LINKE jetzt nachlegen und ihre Eurokritik deutlich schärfer formulieren: Die EU ist kein Projekt der Völkerfreundschaft, sondern ein Kartell der kapitalistischen Staaten Europas. Ihr Zweck ist ausschließlich die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität europäischer Konzerne. Wir müssen sagen: Diese EU und diese Währungsunion wollen wir nicht.
Darüber hinaus muss DIE LINKE dem Protest gegen die Politik im Interesse der Banken und Konzerne und zu Lasten der großen Mehrheit der Bevölkerungen einen Ausdruck verleihen. Nur so können wir der Alternative für Deutschland das Wasser abgraben.
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Volkhard Mosler ist Redakteur von theorie21 .