Wieder einmal Fehlalarm. Innenminister Hans-Peter Friedrich schürt Stimmung gegen Muslime und treibt diese so in die Verbitterung, meint Volkhard Mosler.
Am Tag vor dem »Deutschlandfest« in Bonn war es wieder einmal so weit: Die Polizei durchsuchte in Offenbach, Bonn und St. Augustin Wohnungen von vier angeblichen Islamisten. In der Erklärung des Polizeisprechers hieß es: »Die Gruppe könnte einen Anschlag auf das Deutschlandfest vorbereiten« – oder »zumindest erwogen haben«. Und: »Die Männer waren dabei gewesen, sich Schusswaffen zu besorgen«.
Im Kleingedruckten am nächsten Tag hieß es dann, dass die vier wieder freigelassen wurden, da die Hausdurchsuchungen keinerlei Beweise für einen Anschlag geliefert hätten, aber die Polizei beobachtet die vier weiter.
Keine Hinweise auf Gefährdung
In schönen Abständen wiederholt sich diese Inszenierung. Vor der Berlin-Wahl, vor der Frauenfußball-WM, demnächst vielleicht vor Weihnachten – die Gefährdung löst sich aber immer in Luft auf. Manchmal sind es auch Leerwarnungen. So zitierte BILD am 24. Juni den Innenminister Friedrich (CSU) mit den Worten: »Es gibt keine Hinweise auf konkrete Gefährdung der Frauen-WM, auch nicht durch einen Anschlag mit nuklearen Mitteln.« Was für eine Nachricht!
Die regelmäßigen Razzien gegen gläubige Muslime sollen den Abbau demokratischer Rechte und den Ausbau des Polizeistaats legitimieren. Nach dem Terrorismus-Alarm kurz vor der Berliner Landtagswahl sagte Friedrich der Presse: »Wir haben fast 1000 Personen, die man als mögliche islamische Terroristen bezeichnen könnte.« Dann nannte er eine Zahl von 128 »Gefährdern«. Von diesen waren wiederum »ungefähr 20 zur Ausbildung in einem Terroristencamp.« Friedrich fügte hinzu, dass er dem »abgrundtiefen Bösen trotzen und die Angreifer mitten ins Herz desWestens stoppen« wolle.
Mörder wie Breivik ermuntert
Was machte BILD daraus? »In Deutschland leben 1000 islamistische Terroristen.« (Titel vom 04.09.2011) Kein Wunder, dass sich Menschen vom Schlage Andrej Breiviks von solchen Meldungen ermuntert und aufgefordert fühlen, zum bewaffneten Kampf gegen Islamisierung Europas aufzurufen und anzutreten. Auch in Deutschland hat die antimuslimische Webseite »Politically Incorrect« einen »Michael Mannheimer« zu Wort kommen lassen, der gegen Anhänger einer multikulturellen Gesellschaft zum bewaffneten Widerstand aufruft und die Todesstrafe nach dem Muster der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse fordert. Friedrichs Terrorismushatz gegen gläubige Muslime schafft so den Boden für eine weitere Radikalisierung der rassistischen Szene und es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch in der BRD »Einzeltäter« wie Breivik auftreten.
Fatal ist jedoch nicht nur die Vergiftung des innenpolitischen Klimas in Deutschland, fatal ist, dass hunderttausende junge Muslime in Deutschland täglich beobachtet, verdächtigt und kriminalisiert werden. So werden muslimische Menschen nicht integriert sondern ausgegrenzt und in eine Verbitterung getrieben. Und so ist es auch nicht erstaunlich, dass der Salafist Pierre Vogel unter jugendlichen Muslimen Zuhörer und Anhänger findet. Aber das ist wahrscheinlich auch im Sinne von Politikern wie Friedrich. Man nennt das auch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
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