Während westliche Regierungen die syrische Bewegung gegen Baschar al-Assad zu vereinnahmen versuchen, schrecken manche Linke deswegen vor einer Solidarisierung mit ihr zurück. Frank Renken bringt Licht ins Dunkel des ungleichen Kampfes zwischen Regime und Rebellen (1)
Zwei Jahre nach Beginn der Demokratiebewegung durchlebt Syrien eine humanitäre Katastrophe. Verantwortung dafür trägt das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Er und die herrschende Clique sind bereit, das Land zu zerstören, um an der Macht zu bleiben. Die Truppen des Regimes setzen schwere Artillerie, Panzer, Kampfflugzeuge und Hubschrauber ein, um Ortschaften zu erobern oder kollektiv zu bestrafen, über die es die Kontrolle verloren hat. (2) Im letzten November begann die Luftwaffe mit dem Abwurf von Brandbomben, die Napalm oder weißen Phosphor enthalten, über dicht besiedelten Gebieten. (3)
Die UN-Menschenrechtskommission schätzt die Gesamtzahl der Todesopfer auf mittlerweile über 60.000; gesichert ist, dass der Regierungsgewalt bis Mitte Januar 2013 mindestens 7718 Rebellen und 34.395 Zivilisten zum Opfer fielen, darunter über 4450 Kinder. (4) Geschätzte zwei Millionen sind innerhalb Syriens oder in die Nachbarländer geflohen.
Auch Medikamente sind knapp. Nicht nur die unzähligen Schussverletzungen, auch Krankheiten wie Diabetes, Nierenversagen, Herz- und Kreislauferkrankungen oder Krebs können nicht mehr wie früher behandelt werden. Die Situation in den befreiten Gebieten ist besonders verheerend, weil das Regime die Krankenhäuser »zu einem bevorzugten Ziel« macht, so ein französischer Arzt der Organisation Ärzte ohne Grenzen über die Lage in der nordsyrischen Provinz Idlib. »Sobald man die Grenze überquert, riskiert man von der Luftwaffe des syrischen Regimes bombardiert zu werden, auch hinter den Frontlinien. … In den öffentlichen Krankenhäusern ist deshalb niemand mehr. Operiert wird nun in Privathäusern, in verlassenen öffentlichen Einrichtungen oder unter der Erde.« (5)
Woher die Waffen kommen
Es ist ein ungleicher Kampf zwischen Regime und Rebellen. Die Aufständischen verfügen kaum über schwere Waffen und sind hauptsächlich mit Sturmgewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Während das Regime offen militärische Unterstützung aus Russland und Iran bezieht, ist der Aufstand weitgehend auf sich allein gestellt. Die US-Regierung unterstützt zwar verbal die syrische Opposition, liefert aber keine Waffen.
Als einer der ersten Journalisten war Jonathan Littell für Le Monde zu Beginn des Jahres 2012 im umkämpften Homs bei den bewaffneten Gruppen, die sich als »Freie Syrische Armee« (FSA) bezeichnen. Er berichtete detailliert über einzelne Waffentypen und -preise. Die Waffen der Rebellen seien »zusammengewürfelt«; sie »erbeuten einen Großteil ihrer Munition bei ihren Angriffen«. Auch sei die Armee des Regimes in einem zerrütteten Zustand. Selbst zahlreiche Offiziere liefern Munition gegen Geld oder aus Komplizenschaft. (6)
Tracey Shelton berichtete ein halbes Jahr später aus der Region Idlib, wie der Gefangenenaustausch zur Finanzierung des Aufstands beiträgt. Sie war Zeugin, wie ein Gefangener gegen Geld freigelassen wurde. Nach Angaben eines zur FSA übergelaufenen Armeedeserteurs im Dschebel as-Sawiya habe sein Dorf schätzungsweise 40 Prozent der Waffen bei Armeeangehörigen des Regimes gekauft. »Der Austausch von Gefangenen hat bislang 80.000 US-Dollar für den Waffenkauf gebracht«, so der Deserteur. Weitere 50 Prozent ihrer Waffen eroberten sie im Kampf. »Die verbliebenen 10 Prozent sind Spenden und werden aus dem Ausland eingeschmuggelt, oder von Privathändlern gekauft, vor allem im Irak.« (7)
Militäranalysten wie C. J. Chivers haben bestätigt, dass die Aufständischen bei der Beschaffung von Waffen weitgehend auf sich allein gestellt sind. In seiner Kolumne »At War« in der New York Times berichtet er in diesem Zusammenhang detailliert über die Ergebnisse provisorischer Waffenschmieden der Rebellen in den befreiten Gebieten. Selbst Motorradscheibenbremsen und Satellitenschüsseln kommen zur Anwendung, um Maschinengewehre auf Fahrzeugen zu montieren. (8)
Inwieweit private reiche Geldgeber aus den Golfstaaten einzelne Rebellengruppen unterstützen, ist schwer zu beurteilen. Es gibt zwei Staaten, die die Rebellen seit Februar 2012 offiziell mit Geld und Waffen unterstützen: Saudi-Arabien und Katar. Allerdings kam die Unterstützung, zumindest was die Waffen angeht, offenbar nur schleppend in Gang. Eine Analyse der International Crisis Group geht davon aus, dass einige Lieferungen ab Mai 2012 erfolgten, also vierzehn Monate nach Beginn der Erhebung. (9)
Diese Waffen stehen nicht der Mehrheit der Aufständischen zur Verfügung, sondern sollen wenigen bewaffneten Gruppen mit islamistischer Ausrichtung einen Vorteil verschaffen. Der Aufstand als Ganzes ist damit noch lange nicht zu einer Marionette der Golfstaaten geworden. Überdies scheint insbesondere die saudische Regierung zu den von ihr protegierten Kämpfern keineswegs in einem konfliktfreien Verhältnis zu stehen. Sie hat jüngst wieder die Kommunikation zum Assad-Regime gesucht – »aus Angst, dass die radikalen Gruppen, die sie zum Sturz Assads finanziert und bewaffnet haben, sich gegen sie selbst in der inneren saudischen Arena richten, insbesondere nach den Explosionen nahe des Innenministeriums in der saudischen Hauptstadt.« (10)
An der grundlegenden Asymmetrie des Konflikts in Syrien haben die Waffenlieferungen vom Golf ohnehin nichts geändert. Die Rebellen haben keine Panzer, Hubschrauber oder Flugzeuge erhalten. Sie haben offenbar auch keine oder nur sehr wenige tragbare infrarotgelenkte Luftabwehrraketen, mit denen sie sich und ihre Ortschaften effektiv gegen Angriffe aus der Luft verteidigen könnten. Erste Bilder, die den Abschuss von Hubschraubern und Kampfjets mit solchen Waffen zeigen könnten, kursieren seit November 2012 im Internet. (11)
Erst nachdem Rebellen im vergangenen Herbst im Norden mehrere Luftwaffenbasen des Regimes überrennen konnten, erwarben sie vermehrt schweres Gerät und gewannen in der Folge deutlich an Terrain. Weite Teile des Landes entziehen sich mittlerweile der Kontrolle des Regimes. Seitdem tobt der Kampf im Umland der Hauptstadt Damaskus, die vom Regime mit einem Ring aus Eliteeinheiten gegen Angriffe geschützt wird.
Anatomie der FSA
Die Tatsache, dass der Aufstand nach zwei Jahren weder unter dem Druck des materiellen Elends, noch unter der überlegenen Bewaffnung des Regimes zu besiegen ist, illustriert seine Verwurzelung in der Gesellschaft. Bewaffneter und ziviler Widerstand sind beide Teil desselben Prozesses. Einfache Arbeiter und verarmte Landbewohner, die ärmsten Schichten der Bevölkerung, stellen die Masse der Kämpfer. Sie waren es auch, die in den ersten Monaten des Jahres 2011 der Protestbewegung zum Durchbruch verholfen haben.
In der Tendenz galt: Je ärmer eine Ortschaft und je ärmer ein Stadtteil, desto mehr Einwohner schlossen sich dem Widerstand an. Während es dem Regime gelang, erste Demonstrationen im Februar und März in der Hauptstadt Damaskus abzuwürgen, konnte es in der vernachlässigten südsyrischen Kleinstadt Dera‘a die Situation nicht mehr kontrollieren. Innerhalb von zwei Wochen breitete sich die Bewegung im ganzen Land aus und fand schließlich in den Provinzhauptstädten Hama und Homs ihre ersten Hochburgen, nicht in den verhältnismäßig wohlhabenden Zentren der Metropolen Aleppo und Damaskus. In Hama mit seinen rund 500.000 Einwohnern demonstrierten im Juni 2011 jeden Freitag Hunderttausend oder mehr, bevor das Regime die Stadt im August mit Panzern und Artillerie angriff. (12)
Der erste Bezirk, der in Homs Ende 2011 vollständig unter Kontrolle des bewaffneten Widerstands gelangte, war Baba Amr im Südwesten der Stadt. Littell beschreibt es als das »ärmliche Viertel am Stadtrand«, ohne Bürgersteige, »Lichtjahre entfernt« vom belebten Stadtzentrum Homs‘. (13)
Littells Bericht zeigt die ganze Improvisation des bewaffneten Widerstands, der um die Jahreswende 2011/12 noch in seinen Anfängen steckt. Die Kämpfer tragen zivil und operieren in kleinen Einheiten aus den Orten und Stadtteilen heraus, in denen sie wohnen. Er fragt nach den Gründen, warum sie sich dem Kampf angeschlossen haben. Die Antworten ähneln sich. Ein ehemaliger Soldat, der sich Abu Ahmad nennt, sei desertiert, weil er in Rastan auf friedliche Demonstranten habe schießen sollen: »Wir wurden in die Straßen geschickt, damit wir dort bewaffnete Gangs bekämpfen. Ich habe keine einzige bewaffnete Gang gesehen. Sie haben uns gesagt: die Munition ist egal, schießt, schießt, soviel ihr könnt!« (14)
Die bewaffneten Aufständischen nennen sich FSA – die »Freie syrische Armee«. Dabei handelte es sich in den ersten Monaten nicht um eine tatsächliche Armee mit Hierarchie und strenger Befehlskette, sondern um eine unkoordinierte Bewegung von Fahnenflüchtigen. Anfang Juni 2011 wird aus Dschisr ash-Schughur, nahe der türkischen Grenze, von der ersten großen Meuterei innerhalb der Armee berichtet, nachdem sich Offiziere und Soldaten weigern, auf Demonstranten zu schießen. (15) Zum ersten Mal kam es zu Toten auf Seiten regimetreuer Truppenteile, die blutige Rache an der Stadt nahmen. Innerhalb weniger Tage flüchten mehr als 10.000 Menschen in die Türkei.
Am 9. Juni stellt Oberstleutnant Hussein Harmusch als einer der ersten höherrangigen Offiziere ein Video auf YouTube ein, in dem er öffentlich erklärt, dass er und seine Kameraden den Befehl verweigern, »um unbewaffnete Demonstranten zu schützen, die Freiheit und Demokratie fordern«. Er endet mit der Parole: »Nein zur religiösen Spaltung, das syrische Volk ist eins, Syrien für alle!« (16)
Harmusch gründet die Bewegung der freien Offiziere, die kurze Zeit später in der neuen FSA aufgeht. Dessen Gründungserklärung verliest Oberst Riad al-As‘ad zusammen mit sechs anderen desertierten Offizieren Ende Juli 2011 im türkischen Exil. Auch darin wird der überkonfessionelle Anspruch der FSA unterstrichen, die das syrische Volk schützen wolle, »mit all seinen Teilen und Konfessionen«. (17)
YouTube ist voll von solchen selbsterstellten Videos von Soldaten, die sich offen, häufig unter Vorzeigen ihres Personalausweises, der Fahnenflucht bezichtigen und das Überlaufen zu einem der Bataillone oder Brigaden der FSA erklären. Viele zeigen sich stolz, manche wirken schüchtern, manche wirken ängstlich. In der Masse sind es Zeugnisse einer riesigen Fahnenfluchtbewegung.
Ein Kommandeur der FSA aus dem Umland von Damaskus beschreibt im Interview mit der revolutionär-sozialistischen syrischen Zeitung al-Khatt al-amami (»Die Frontlinie«) rückblickend diese Anfangszeit in seiner Region:
»Bis zum Ramadan 2011, das heißt sechs Monate nach dem Beginn der Revolution, tauchte keine Waffe auf, ungeachtet der Morde, Demütigungen, Folter und Hausdurchsuchungen. In diesem Zeitraum hinterließ das Regime gelegentlich Kisten mit Waffen in einigen Häusern, um die Bewohner der Gegend beschuldigen zu können, sie würden sich bewaffnen. Aber diese Versuche blieben erfolglos. Im Oktober und November 2011 begannen einige, die ihren Vater, Bruder oder einen anderen Nahestehenden verloren hatten, sich einen Revolver zu beschaffen, im besten Fall ein Gewehr. Manche verkauften wertvolle Dinge oder den Goldschmuck ihrer Frau, um Waffen zu kaufen. Diese Individuen haben sich zu Gruppen zusammengetan. Wenn von der Freien Armee die Rede war, begannen sie, sie hochleben zu lassen. Sie waren aber noch Zivilisten. Zwischen den Gruppen in verschiedenen Gegenden gab es keinerlei Koordination. Im Dezember 2011 nahmen die Desertionen in der Armee des Regimes zu und man hörte von Gruppen und Brigaden. Eine Brigade hatte bestenfalls zwei oder drei Offiziere in ihren Reihen. … Es gab auch Brigaden ohne einen einzigen Offizier, die nur aus einfachen Soldaten oder Wehrdienstverweigerern bestanden. Diese Formationen waren da, um die Demonstranten zu schützen…« (18)
Dieser Prozess ist für die Weltöffentlichkeit kaum sichtbar gewesen. Das Bild der FSA wird von den Auftritten weniger Offiziere in den arabischen Satellitensendern al-Jazeera oder al-Arabiya geprägt, wie FSA-Gründer Oberst al-As’ad, oder dem nominellen Kopf General Mustafa ash-Scheich. Diese Offiziere im Exil bringen die Ideen, Interessen und Verhaltensweisen der Klasse ein, der sie entstammen. Sie erscheinen nicht nur äußerlich deutlich wohlhabender als die Kämpfer in den Vierteln. Innerhalb der FSA-Führung treten auch ständig Reibungen auf, etwa wenn Offiziere mit höherem Dienstrang für sich das Kommando über formal nachgeordnete Ränge beanspruchen, selbst wenn sie sich erst Monate später der FSA angeschlossen haben. (19)
Hierin drückt sich der widersprüchliche Charakter der FSA aus. Ihre Kämpfer haben als Fahnenflüchtige unter Lebensgefahr mit der Armeedisziplin gebrochen und verteidigen ihre Familien. Die Exilführung hingegen will die FSA zur regulären Armee eines neuen syrischen Staates machen. Sie denkt geopolitisch und hofft auf die Unterstützung durch NATO-Staaten.
Wirkliche Autorität haben jedoch nur die Kommandeure vor Ort, die mitunter selbst in zentralen Fragen die Anweisungen der Exilführung missachten. Zu Beginn des Jahres 2012 wurden Militärräte in den Distrikten eingeführt, als Verbindungsglied zwischen FSA-Exilführung und innerem Widerstand. Das hat das Auftreten von derlei Spannungen nicht verhindern können. Ende Mai widersprach al-As‘ad einer Erklärung des Vorsitzenden des Militärrats von Homs, Kassem Salah ad-Din, wonach die FSA einen Waffenstillstand nur dann einhielte, wenn das Assad-Regime den Plan des UN-Beauftragten Kofi Annan akzeptiere. Saad ad-Din konterte, die FSA in Syrien würde keine Befehle mehr aus dem Ausland entgegennehmen. Wörtlich: »Al-As’ad repräsentiert niemanden außer sich selbst«. (20)
Krieg ohne klare Frontlinien
Die Entwicklung der FSA ist mit der Entwicklung des zivilen Widerstands verwoben. Das Regime ließ in den ersten Monaten viele Demonstrationen und Trauerprozessionen von Heckenschützen beschießen. Dann begann es, militärische Straßensperren aufzubauen. So wird der Zugang zu Vierteln kontrolliert und die Bewegungsfreiheit der Opposition massiv eingeschränkt. Wer aus einem aufständischen Viertel kommt, muss jederzeit damit rechnen, an einem solchem Checkpoint verhaftet zu werden. (21)
Eine der ersten Aktivitäten der bewaffneten Gruppen, die sich Ende 2011 zur FSA bekannten, war die Errichtung von eigenen Stellungen in ihren Heimatvierteln. Im Schutz von Straßensperren bewaffneter Aufständischer wurden so in manchen der umkämpften Stadtviertel Anfang 2012 abendliche Demonstrationen der Zivilbewegung zum ersten Mal relativ sicher durchgeführt, sofern sie nicht durch höher gelegene Artilleriestellungen erreicht werden konnten. (22)
Im syrischen Bürgerkrieg gibt es keine klaren Frontlinien. Der Kampf um die Kontrolle von Städten macht sich daran fest, ob das Regime oder die FSA an strategischen Orten Posten aufbauen kann. Jene Stadtteile, aus denen die Straßensperren des Regimes vollständig heraus gedrängt worden sind, werden Opfer von Luftbombardements. (23)
Nicht jede Straßensperre des Regimes ist gleich. Es macht einen Unterschied, ob sie mit einfachen Soldaten, bestimmten Eliteeinheiten oder rassistisch motivierten Schabiha-Milizen besetzt sind. (24) Deshalb findet der Kampf um die Zurückdrängung der Regimepositionen meist militärisch statt – in der Anfangszeit des bewaffneten Konflikts aber zuweilen auch mit Tricks oder Überredung. So bildete sich in umkämpften syrischen Städten ein ständig änderndes System von Straßensperren heraus.
Littell beschreibt eine Situation in der Altstadt von Homs im Januar 2012:
»Dann der Suk, dicht, eng, belebt, ein Labyrinth von kleinen Ständen. Hier sind Männer der FSA, aber versteckt. Ein Scharfschütze der Armee auf einem Gebäude gegenüber. Zu normalen Zeiten schießt er nicht. Aber wenn es einen Zusammenstoß gibt, schießt er, damit die Leute fliehen. … Die Sicherheitskräfte sind gleich rechts, 100 Meter weiter. Wir biegen nach links, tiefer in den Suk hinein. .. Hinter den Ständen, etwas weiter ein FSA-Posten. Eingerahmte Kalligraphie auf den Sandsäcken: Die Freiheit ist ein Baum, der mit Blut gegossen wird.« (25)
Die Kräfteverhältnisse in diesem Mosaik aus verfeindeten Stellungen werden durch Waffengewalt bestimmt – und durch die Frage, wie viel Rückhalt in der Bevölkerung jede Seite aufbieten kann. Die Frage nach dem Ausgang des Bürgerkrieges ist eine Frage der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse.
Die Lokalen Koordinierungskomitees
Das Rückgrat der Erhebung ist deshalb der zivile Widerstand. Er wird in »Lokalen Koordinierungskomitees« (LKK) organisiert, die sich im ganzen Land gebildet haben. In einem Konflikt, der auch ein Propagandakrieg ist, liefern ihre täglichen Berichte detaillierte Informationen über Gefechte, Bombardements und Opferzahlen. (26) In Stadtteilen und Ortschaften haben die LKK seit Beginn der Erhebung unzählige Demonstrationen durchgeführt, die bis heute weitergehen. Am ersten Freitag im Dezember fanden nach Angaben von Aktivisten 201 Demonstrationen in 173 syrischen Städten und Dörfern statt. Am 18. Januar 2013 wurden wieder mehr als 200 Demonstrationen in Syrien gemeldet. (27)
Der linke Oppositionelle Michel Kilo zitiert in einem Interview ein besonders beeindruckendes Beispiel: »Mitte August [2012] gab es in Daraya eine Demonstration von ungefähr 50.000 Menschen und das, obwohl die Stadt zwei Tage zuvor angegriffen und besetzt worden war und obwohl Hunderte von Menschen festgenommen wurden und verschwunden sind. Der Widerstand ist also nicht nur militärisch, und der Träger der militärischen Aktionen ist im Grunde die Zivilbevölkerung.« (28)
Dank der Verbreitung von Internet und Handys mit Kamerafunktionen sind viele dieser beeindruckenden Demonstrationen, große und kleine, im Hellen und im Dunkeln, im Internet dokumentiert. Wie in den anderen arabischen Ländern kommt dabei der aufbegehrende Jugend eine besondere Rolle zu. In Aleppo, der größten Stadt des Landes, ging die Demokratiebewegung von der Universität aus. Im Mai 2012 stürmten Milizen und Truppen des Regimes die Uni, brachten vier Studierende um und verhafteten 200 von ihnen. Das provozierte eine Protestwelle, die weite Teile der Bevölkerung einbezog. (29) Die Universitäten sind auch in Städten wie Damaskus, Homs und Deir as-Sur ein wichtiger Kristallisationspunkt für Proteste. Koordiniert werden die Aktivitäten von der im September 2011 gegründeten »Union der Freien Studierenden Syriens«. Sie spielte eine wichtige Rolle in den Kampagnen des zivilen Ungehorsams, wie die »Streiks der Würde« im Januar und Februar 2012. Mitte Januar 2013, während ein Militärsprecher des Regimes erklärte, angesichts der Positionierung von Elitetruppen sei die »militärische Infiltration der Hauptstadt Damaskus quasi unmöglich«, protestieren Studierende am helllichten Tag in der Altstadt Damaskus. (30)
Die Jugend wartet nicht auf politische Parteien, um sich zu erheben. Unter den Bedingungen des Krieges und gesellschaftlichen Zerfalls geht im Mai 2012 die Facebook-Seite der »revolutionären syrischen Jugend« online. (31) Diese Seite dokumentiert in Hunderten von Einträgen einen ungebrochenen Widerstandsgeist, darunter lautstarke nächtliche Demonstrationen in dem vom Regime kontrollierten Stadtgebiet von Damaskus. (32) In den Texten werden immer wieder die Kernideen wiederholt: Es handelt sich um eine Revolution für die Freiheit, für Demokratie, gegen religiöse Intoleranz, gegen das System.
Allerdings hat das Regime die Revolution in einen Abnutzungskrieg hineingezogen. Dementsprechend haben die Demonstrationen ihre Funktion verändert. Im Jahr 2011 war die Hoffnung, dass durch stetige Steigerung der Teilnehmerzahlen ein ähnliches Ergebnis wie in Ägypten und Tunesien erreicht werden kann, wo die Diktatoren Ben Ali und Mubarak überstürzt abtraten. Im Jahr 2013 glaubt niemand mehr, dass bloße Demonstrationen das Regime Assad auszuhöhlen vermögen. Die Demonstrationen sollen heute die Stimmung aufbauen und weiter motivieren. Es wird viel getanzt und gesungen auf den Demonstrationen. Teilnehmer beschreiben, welche Kraft und Energie von ihnen ausgeht, die verbrüdert und über all das Leid hinwegtröstet.
In Syrien unterscheidet sich die Lage von Ort zu Ort. In Kamischli, dem größten Ort im syrischen Kurdistan, sind nach dem Rückzug der Assad-Truppen und der Bildung eines »Obersten Kurdischen Komitees« der kurdischen Parteien im Juli 2012 »unabhängige Demonstrationen fast gänzlich zum Erliegen gekommen sind«, wie eine Aktivistin berichtet. (33) Die kurdische Miliz PYD kontrolliere die Situation und hätte »Polizei« auf ihre Autos gemalt. (34)
In Aleppo wurde der bewaffnete Kampf im August gegen den Willen der lokalen FSA von einer unabhängigen aufständischen Brigade in die Stadt getragen, die sich aus ländlich geprägten Einheiten zusammensetzte. Diese Ausgangssituation führt bis heute immer wieder zu Spannungen. Ein Reporter der BBC berichtet, wie Menschen in befreiten Stadtteilen im Winter acht Stunden nach Brot anstehen müssen und dafür der FSA die Schuld geben. (35)
In manchen der befreiten Orte hingegen zeigen sich Ansätze von Selbstorganisation von unten. In Duma, einem großen Vorort der Hauptstadt, ist laut al-Khatt al-amami im vergangenen Herbst ein vom Volk gewählter Rat gebildet worden. Er übernahm »die Verantwortung für die Verwaltung der Stadt und den Schutz von öffentlichen Einrichtungen […] gegen Diebstahl, Vandalismus, Feuer und so weiter.« (36) Die Stadt wurde in zwölf Zonen aufgeteilt, verwaltet von je einem Nachbarschaftskomitee, bestehend aus fünf Mitgliedern und einem Vorsitzenden. Hinzu kommen zwölf fachbezogene Arbeitsausschüsse mit je fünf Mitgliedern, die jeweils für medizinische Versorgung, Dienstleistungen, Finanzen, den Wiederaufbau der Häuser, Demonstrationen oder Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind. Die Vorsitzenden der Orts- und Fachausschüsse bilden zusammen mit einem Vorsitzenden den 25-köpfigen Rat der Stadt.
Darüber hinaus wurde in Duma ein »freies Forum« geschaffen, das sich zweimal in der Woche trifft und in dem »alle die Stadt betreffenden Dinge diskutiert werden«. Es steht wie die Komitees jedem offen. Voraussetzung für die Teilnahme ist allerdings, dass man »den Sturz des korrupten, diktatorischen Regimes und die Errichtung eines zivilen, demokratischen Staates unterstützt, in dem Mandatsträger absetzbar sein müssen.« Darüber hinaus darf ein Mitglied des Forums »nicht fanatisch sein, was immer auch seine Partei, Religion oder Konfession ist.« (37)
Bewaffneter Salafismus
Ob auf den Demonstrationen oder im Rat von Duma: das Bekenntnis zu einem überkonfessionellen Staat ist immer präsent. Aus gutem Grund. Die herrschende Clique um die Familie Assad entstammt der alawitischen Minderheit, einem Ableger der schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Das Regime schürt die Angst der Alawiten und anderer Minderheiten, indem es die Gegenbewegung als Teil eines internationalen Komplotts denunziert, das zu einer Situation wie im benachbarten Irak führen könnte. Dort greift die Terrororganisation al-Qaeda im Irak (AQI) seit Jahren Schiiten und Christen mit Bombenattentaten an.
Tatsächlich waren es führende Kämpfer der AQI, die in Syrien den Anstoß zum Aufbau der Dschabhat an-Nusra li-Ahl ash-Scham (»Beistandsfront für das syrische Volk«) gegeben haben. Die Nusra-Front operiert seit Februar 2012. Sie hat Bombenattentate vor Einrichtungen des Regimes verübt, die zahlreichen Passanten das Leben gekostet hat. Ihre Aktionen verschafften ihr viel Öffentlichkeit. Doch offenbar sind ihre Strukturen lange Zeit sehr schwach gewesen, so dass das Auffliegen eines Aktivisten im April fast zur Zerschlagung des gesamten Netzwerks geführt hätte. Im Oktober 2012 schätzte der BND die Kräfte der mit al-Qaeda liierten Kräfte in Syrien auf »weniger als 1000 Kämpfer« ein, »wahrscheinlich zwischen 200 und 300« – bei geschätzten 40.000 Kämpfern insgesamt. (38)
Im Unterschied zur FSA operiert die Nusra-Front völlig klandestin. Es gibt keine im Netz verfügbaren Videos, in denen sich ihre Kämpfer offen mit Ausweis zu ihrer Desertion bekennen würden. Auch gibt es in ihren Reihen, wie in den Reihen anderer dschihadistischer Gruppen, Kämpfer aus anderen islamischen Staaten. Dies ist nicht immer unpopulär bei Kämpfern von FSA-Einheiten, führt aber wiederholt zu Konflikten. So entführte eine bis dahin unbekannte ausländische Gruppe von Dschihadisten am 19. Juli 2012 zwei westliche Journalisten. Zwei Wochen später wurden sie von FSA-Kämpfern befreit. (39)
Im September forderte der Oberbefehlshaber der FSA alle ausländischen Kämpfer auf, das Land zu verlassen. Er sagte, »wir wollen nicht, dass Syrien in ein Gebiet verwandelt wird, wo Stellvertreterkriege ausgefochten werden. … Wir haben genug erfahrene Männer, um die Schlacht zu gewinnen. Uns fehlen nur hochwertige Waffen, die uns helfen würden, rascher zum Erfolg zu kommen.« (40)
Neben der Nusra-Front gibt es zahlreiche andere Formationen, die als »salafistisch« bezeichnet werden, wie die Liwa‘ Suqur ash-Scham (»Brigade der Falken Syriens«) oder die Kata’ib Ahrar ash-Scham (»Die Bataillone der Freien Syriens«). (41) Sie unterscheiden sich deutlich von der Nusra-Front, da es sich in allen Fällen um Einheiten handelt, die sich nicht zu al-Qaeda bekennen und sich aus einem lokal gebunden Widerstand entwickelt haben. Viele dieser Gruppen ähneln eher der FSA. Das Bekenntnis zum Islam wird von den Sprechern häufig mit einem Bekenntnis zum Respekt anderer Religionen verknüpft.
Journalist Tareq al-Abed berichtet: »Trotz des islamistischen Diskurses, der in ihren Verlautbarungen erscheint, kümmern sich vieler ihre Kämpfer nicht um den dschihadistisch-salafistischen Diskurs, wenn man nachhakt. Jene, die wir trafen, sagten uns: Viele haben Bärte, weil es das allgemeine Symbol der Kämpfer ist. Sie wissen wenig über die […] salafistische Ideologie.« Allerdings »schließen sich ihnen manchmal Kriminelle, Banditen, Kidnapper und jene an, die auf der Grundlage des Hasses auf andere Regionen oder Konfessionen kämpfen. In manchen Fällen benutzen diese Kriminellen das Banner der Revolution um Entführungen, Morde und sogar Verstümmelungen zu rechtfertigen, wie im Fall des Bataillons ‚Sturm des Nordens‘ in Asas.« (42)
Solche Verbrechen bieten dem Regime einen Vorwand, um die gesamte Erhebung zu diffamieren und Angst zu schüren. Tatsächlich führen die Assad-treuen Truppen selbst einen Krieg, der die Konfessionen systematisch gegeneinander aufhetzt. In den bewaffneten Auseinandersetzungen operieren Einheiten des Regime insbesondere aus alawitischen Vierteln und Ortschaften heraus. (43) Es baut Milizen radikaler Alawiten auf, die sogenannten Schabiha (»Gespenster«), die Demonstrationen angreifen. Manche dieser Milizen sind für Hinrichtungen an Zivilisten verantwortlich (44) oder haben im Rücken der Armee in rückeroberten Stadtvierteln Massaker an Zivilisten verübt. (45) In alawitisch dominierten Stadtvierteln haben viele Menschen, auch Oppositionelle, Angst vor Racheakten nach einem Fall des Regimes. (46)
Vor diesem Hintergrund haben lokale Militärräte der FSA explizite Regeln erlassen, die unter anderem das Töten von Informanten oder Schikanen gegen Alawiten verbieten. (47) Die LKK erließen im August 2012 einen Verhaltenskodex für militärische Operationen, der den Kämpfern unter anderem den Schwur abverlangt, »keinerlei Vergeltung auf Grundlage von Ethnie, Konfession, Religion oder irgendeiner anderen Grundlage« zu verüben. (48) Junge Pazifisten verbreiten im Rahmen der Kampagne »Syrien zuerst: Wir sind eine ethische Alternative« seit November Flugblätter, in denen sie unter anderem gegen die Verletzung der Rechte von Kriegsgefangenen durch die FSA protestieren. Der Kampagne hätten sich zahlreiche unabhängige Jugendgruppen, die LKK in Aleppo sowie die FSA in Dera’a angeschlossen. (49)
Der erzwungene Militarisierung des Konflikts stellt die Umsetzung dieser Prinzipien immer wieder in Frage. Je weniger der Widerstand politisch organisiert ist, desto unkontrollierter können die Reaktionen sein. Je tiefer die Revolution die soziale Basis des Assad-Regimes aushöhlt, desto mehr Alawiten können für sie gewonnen werden. Bekannte Beispiele gibt es dafür zahlreiche, wie den Schriftsteller Fuad Humaira, Oberstleutnant Muhammad Musa oder Subaida al-Miqi, die als alawitische Frau im Offiziersrang öffentlich ihre Desertion erklärte. (50)
Im bevorstehenden Angriff auf Damaskus riefen die LKK im Dezember in einem gemeinsamen Appell die Bataillone der FSA auf, Gotteshäuser wie Kirchen und Moscheen als »neutralen Boden« anzusehen, die nicht angegriffen werden dürften, »insbesondere in religiös-gemischten Gebieten.« Zugleich rufen die LKK die Bewohner der religiös-gemischten Stadteile auf, »dem Regime keinerlei Gelegenheit zu bieten, ihre Viertel in die Schlacht mit der Revolution oder den Revolutionären hineinzuziehen.« (51)
Ein Regime, viele Gegner
Hoffnung macht, dass die LKK als Organe der revolutionären Bewegung nicht kapitulieren, weder vor dem Regime, noch vor dem materiellen Elend, noch vor Fehlentwicklungen auf Seiten des Widerstands. Sie stellen eine Struktur dar, über welche gesellschaftliche Akteure, darunter Linke, mit Wort und Tat in den Lauf der Dinge eingreifen – auch hinsichtlich der Frage der Kampfformen des Widerstands. Doch wer sind die politischen Kräfte, die in Syrien agieren?
In den deutschen Medien wird die syrische Opposition heute mit einem einzigen Bündnis gleichgesetzt, der im November 2012 im Golfstaat Katar gegründeten »Syrischen Nationalen Koalition«. Diese bürgerlich geprägte Dachorganisation wurde von einer Staatengruppe anerkannt, die sich »Freunde des syrischen Volkes« nennt – darunter die USA, Frankreich, Deutschland, Türkei und die Golfstaaten.
Um die Nationalkoalition zu verstehen, müssen wir ein Jahr zurückblicken. Denn im Grunde handelt es sich um nicht viel mehr als einen zweiten Anlauf, um eine Neuauflage des »Syrischen Nationalrats«. Der Nationalrat wurde seinerseits 2011 als Dachorganisation der Opposition gegründet und im Frühjahr 2012 von der westlich dominierten Staatengruppe der »Freunde« als »legitimer Vertreter aller Syrer« anerkannt.
Syrischer Nationalrat
Der Nationalrat erzeugte in Syrien zunächst Hoffnungen, er würde dem Widerstand eine gemeinsame Stimme geben. Doch die Zustimmung hatte keine praktische Relevanz am Boden der Gesellschaft. Der Nationalrat war vom inneren Widerstand in Syrien abgekoppelt.
Dies hing mit seiner Zusammensetzung und Ausrichtung zusammen. Innerhalb des Nationalrats bildet die Muslimbruderschaft (MB) die einflussreichste Organisation. Einst in Syrien verwurzelt, flohen die Muslimbrüder nach der brutalen Niederschlagung eines Aufstandes in Hama 1982 ins Ausland. Bereits die Mitgliedschaft in der MB war in Syrien unter Todesstrafe verboten. So überlebte die Organisation nur im Exil und ist dort gealtert.
Mit dem Beginn der Revolution verpassten die MB die Chance, in Syrien bedeutsame Strukturen aufzubauen. Ihre Verwurzelung im Land ist bis heute flach geblieben. Stattdessen befanden sich die führenden Köpfe der MB in einem Dauerstreit mit ihren bürgerlichen Koalitionspartnern um die Besetzung der Führungspositionen im Nationalrat.
Für den Westen war der Nationalrat dennoch interessant: Als Sammelsurium abhängiger Akteure mit marktwirtschaftlicher Ausrichtung stellte er ein geeignetes Vehikel dar, um die Interessen der NATO-Staaten geltend zu machen. Die USA und ihren Verbündeten wollen nicht, dass eine unkontrollierte Bewegung in Syrien eine unkontrollierbare Regierung an die Macht bringt und so die arabische Revolution weiter befeuert. Der Westen bevorzugt einen kontrollierten Putsch aus dem Innern des syrischen Gewaltapparates, der die Institutionen des Staates, insbesondere die Armee, intakt lässt. Die USA befürworten die Bildung einer Übergangsregierung, die Teile des Regimes einbindet.
Dies entsprach der Ausrichtung des Nationalrats. Sein erster Vorsitzender, Burhan Ghalioun, erklärte: »Syrien … hat immer noch einen funktionierenden Staat und funktionierende Institutionen. Wir haben immer noch ein Rechtswesen. Wir unterscheiden deshalb zwischen Regime und Staat in Syrien. Es wird kein Chaos wie in Libyen geben. Wir haben mächtige militärische Institutionen, die wir bewahren wollen.« (52)
Je länger sich der bewaffnete Konflikt mit dem Assad-Regime hinzog, desto expliziter befürworteten MB und Nationalrat eine militärische Intervention von NATO-Staaten, um Assad von außen zu Fall zu bringen. Dies hätte nicht nur das Ende des Regimes bedeutet, sondern auch den revolutionären Prozess beendet, so wie 2011 in Libyen. Deshalb hat diese Strategie auch zu keinem Zeitpunkt große Popularität im syrischen Widerstand genossen. Auf den Demonstrationen der Bewegung herrscht gegenüber den großen Mächten häufig eine bissig-ironische bis offen ablehnende Haltung. Viele halten das Assad-Regimes für einen heimlichen Verbündeten der USA, nachdem es im Krieg gegen den Irak 2001 das westlich geführte Invasionsbündnis unterstützt hatte. (53)
Die mangelnde Resonanz in Syrien war der Hauptgrund für das Scheitern des Nationalrats. Im Übrigen hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn die USA haben aus Angst vor der Konfrontation mit dem Assad-Verbündeten Russland und den unkalkulierbaren Risiken eines weiteren Krieges bislang vor einer Intervention in Syrien zurückgeschreckt. Schließlich weiß die US-Administration bei Assad, woran sie ist. Der gab und gibt sich zwar gern als »Antiimperialist«. Doch obgleich Israel einen Teil des syrischen Territoriums seit vierzig Jahren besetzt hält, konnten sich die USA stets auf die Inaktivität des syrischen Regimes verlassen.
Der jetzige US-Außenminister Kerry war zwischen 2009 und 2011 fünfmal bei Assad zu Besuch und pries ihn als Garanten der Stabilität in der Region. (54) Die Bewegung gegen das Regime ging in den sechsten Monat, bevor Präsident Obama das erste Mal den Rücktritt von Assad forderte. (55) Nach möglichen Waffenlieferungen an Aufständische gefragt, antwortete Kerrys Amtsvorgängerin Hillary Clinton: »Hamas unterstützt jetzt die Opposition. Unterstützen wir Hamas in Syrien? … Wenn man sich als Militärplaner oder als Außenministerin fragt, ob es Elemente in der Opposition gibt, mit denen es sich lohnt, dann sehen wir das nicht.« (56)
Syrische Nationale Koalition
Infolge seiner Erfolglosigkeit spaltete sich der Nationalrat mehrfach. Er ging schließlich im November 2012 in die neugegründete »Syrische Nationale Koalition« auf. An deren Spitze stehen mit Prediger Ahmed Moas al-Khatib und Geschäftsmann Riad Seif nun Personen, die wohlhabend sind, aber in Syrien aufgrund ihrer Konflikte mit der herrschende Familie dennoch über Ansehen verfügen.
In der Ausrichtung unterscheidet sich die Nationalkoalition indessen nicht von der des Nationalrats. Die Koalition ist eine Exilorganisation, die um die Anerkennung der Arabischen Liga und des Westens buhlt. Wie sehr sie von deren materieller Unterstützung abhängt, machte Ahmad Ramadan, Mitglied im Exekutivkomitee der Nationalkoalition, klar. Zwei Monate nach Gründung der Nationalkoalition beschwerte er sich, dass lediglich Katar 8,5 Millionen Dollar überwiesen habe. Da alle anderen »Freunde« wie die USA, Frankreich oder Deutschland keinerlei finanzielle oder militärische Unterstützung gewährten, mache die Koalition »eine sehr schwierige Phase durch. Ihre Position ist in Gefahr«. (57)
Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel
Eine größere Rolle als die vom Westen gestützten Exildachverbände spielen in Syrien lokal verwurzelte Organisationen. Das größte Bündnis hier ist das aus verschiedenen links-nationalistischen und kurdischen Organisationen bestehende »Koordinierungskomitee für den demokratischen Wandel in Syrien«, das im September 2011 seine Gründungsdokumente vorstellte.
Was die Strategie angeht, enthält ein Dokument die Forderung nach dem »Sturz des korrupten, autoritären Regimes«. Das Koordinierungskomitee formulierte dreimal »Nein« – Nein zur Gewalt, Nein zu einem Kampf der Konfessionen und Religionen, Nein zu ausländischen Interventionen. Für das zukünftige Syrien strebt das Koordinierungskomitee eine Art sozialer Marktwirtschaft an. Es fordert den Schutz des Privateigentums, aber auch die Bekämpfung der Armut durch den Staat. (58)
Das ist an und für sich nicht revolutionär. Unter den Bedingungen des Assad-Regimes können diese Forderungen aber nicht auf friedlichem Wege durchgesetzt werden. Genau vor dieser Konsequenz schrecken Teile des Koordinierungskomitees immer wieder zurück. Folge sind Schwankungen, die Glaubwürdigkeit kosten.
So im Sommer 2012, nachdem das Regime vage Versprechen auf eine neue Verfassung abgab. Der Kommunist Kadri Dschamil und Ali Haidar, Führer der »Syrischen sozial-nationalistischen Partei«, ließen sich in die Regierung einbinden. Haidar wurde »Minister für nationale Versöhnung«. Die Hoffnungen im Koordinierungskomitee blühten auf, nun könne man mit vermeintlich reformfähigen Teilen des Regimes in einen Dialog treten und einen politischen Prozess zur Beendung des bewaffneten Konflikt anstoßen.
Um Verhandlungen mit dem Regime als alternativlos erscheinen zu lassen, erklärte Haytham Manna als Auslandssprecher des Koordinierungskomitees die Revolution für gescheitert. Er behauptete, dass die »bewaffneten Gruppen den zivilen Widerstand ausgelöscht« hätten. (59) »Am Anfang«, so Manna, »war es nur ein Fehler, die paar Dutzend ausländische Kämpfer aus Ägypten und Libyen nicht zu erwähnen. Aber es wurden Hunderte! Und diese Hunderte töten die syrische Revolution.« (60)
Faktisch begab sich das Koordinierungskomitees in eine Position des Vermittlers zwischen Opposition und Regime. Mitten in Damaskus richtete es im September 2012 die »Nationale Konferenz zur Rettung Syriens« aus, um die Umsetzung zu einer Waffenstillstandsinitiative zu beraten. Doch das Regime reagiert auf seine Weise. Erst wurden acht Teilnehmer der Konferenz und des Vorbereitungskomitees verhaftet. (61) Dann folgte die Verschleppung von zwei Mitgliedern einer Delegation, die aus China kommend auf der Konferenz berichten wollten. (62)
Der Vorgang machte klar: Gesprächsangebote durch einzelne Minister, sofern überhaupt ernst gemeint, sind irrelevant in einem System, in dem der Assad-Clan, die Geheimdienste und Sondereinheiten des Militärs das Sagen haben. Die Ernüchterung über diese Erkenntnis spiegelte sich in der Abschlusserklärung der Rettungskonferenz wider. Darin wurde nun der »Sturz des Regimes mit all seinen Figuren und in all seinen Facetten« gefordert und die Freie Syrische Armee als »eine der Komponenten der Revolution« anerkannt. Die FSA sei entstanden, weil »syrische Soldaten sich weigerten, ihre Landsleute zu töten«. (63)
Andere Linke
Das Koordinierungskomitee ist ein breites Mitte-Links-Bündnis. Es deckt aber nicht alle Kräfte des linken Spektrums ab, die in Syrien aktiv sind. Michel Kilo spaltete sich im Februar 2012 mit anderen Oppositionellen wie Fayez Sara, Hazme Nahar und Samir Aita vom Koordinierungskomitee ab und gründete das »Syrische demokratische Forum«. Kilo teilte mit Manna Hoffnungen auf einen Verhandlungsprozess und reiste zu diesem Zweck im Juli nach Moskau, um die russische Regierung zu einem »ausgewogeneren« Standpunkt zwischen Regime und Opposition zu bewegen. (64)
Allerdings verteidigt Kilo die Revolution gegen jene, die sie mit Verweis auf die Infiltration durch bewaffnete Salafisten für tot erklären. Kilo erklärte im Oktober:
»Katar unterstützt die Muslimbrüder und Saudi-Arabien die Salafisten. Beide Gruppen sind zerstritten, sehr schwach und isoliert von der Bevölkerung. Wir haben Freunde, die regelmäßig nach Syrien reisen und uns über die Lage vor Ort berichten. Vor kurzem gab es eine Umfrage in Hama, bei der herausgekommen ist, dass nur 4 Prozent der dortigen Bevölkerung Vertrauen zu den Muslimbrüdern haben. Die islamistische Gefahr wird im Westen sehr aufgebauscht.« Kilo fordert von der Linken im Westen, »den demokratischen Kampf der syrischen Bevölkerung [zu] unterstützen«, anstatt sich »mit diesem Märchen über den Islamismus [zu] beschäftigen.« (65)
Darüber hinaus gibt weitere Bündnisse wie die im Februar 2012 von mehreren radikalen linken Gruppen gegründete »Vaterlandskoalition«, die an der zentralen Bedeutung des zivilen Widerstands festhalten, aber für ein Zusammenwachsen mit der militärischer Opposition um die FSA plädieren. (66)
Auch organisatorisch ungebundene Linke leisten einen bedeutsamen Beitrag zum Widerstand. So wurde der syrisch-palästinensische Publizist Salameh Kaileh im vergangenen April nachts aus seinem Haus vom Geheimdienst der Luftwaffe verschleppt und gefoltert, weil er der Verbreitung von Flugblättern mit dem Titel al-Yasari (»Der Linke«) verdächtigt wurde. (67)
Die revolutionäre Linke organisiert sich
Die angeführten Beispiele drücken aus, dass die Revolution in Syrien, wie in anderen arabischen Ländern auch, einen umfassenden Umgruppierungsprozess der politischen Linken in Gang gebracht hat. Die Linke hat die Chance, substanziell zu wachsen und wieder Bedeutung zu gewinnen – das erste Mal seit vier Jahrzehnten. Damals, 1972, hat sich die Kommunistische Partei Syriens unter Khaled Bakdasch in den von der herrschenden Ba’ath-Partei geführten Block der »Nationalen Fortschrittsfront« einbinden lassen. Präsident damals war Hafez Assad, der Vater des heutigen Diktators. Die Kommunistische Partei hat sich mit einigen Ministerposten abspeisen lassen und wurde zum Teil des Regimes. Sie hat ihren Einfluss genutzt, um die Gewerkschaften zu neutralisieren und hat so die radikale Linke nachhaltig in Misskredit gebracht. Viele Kommunisten, die diesen Kurs nicht geteilt haben, landeten in den Gefängnissen des Regimes. (68)
Heute formiert sich im Land eine neue radikale Linke, die die demokratische Bewegung mit dem Kampf um eine sozialistische Gesellschaftsordnung verbindet. Ein Beispiel ist die Gründung der »Strömung der revolutionären Linken«. Im vergangenen Jahr hat die Gruppe in verschiedenen syrischen Orten Wurzeln schlagen können (69) und insgesamt elf Ausgaben ihrer Zeitung al-Khatt al-amami (»Die Frontlinie«) herausgebracht. (70) In ihr werden positive Beispiele wie Herausbildung rätedemokratischer Strukturen in Duma, einem Vorort von Damaskus, verallgemeinert. Zugleich benennt sie Probleme wie die Existenz von Gräueltaten, religiösem Sektierertum und Blutrache auf Seiten des bewaffneten Widerstands und sucht den Dialog mit Kämpfern der »Freien Syrischen Armee« über den richtigen Weg im Kampf gegen das Regime.
Sie wendet sich auch deutlich gegen jede Form ausländischer Einflussnahme. Ghayyat Na’issa, Mitbegründer der Strömung, fordert internationale Solidarität, »aber ohne bewaffnete Intervention«. Er schreibt: »Das Regime beschuldigt die Opposition, sie befürworte eine solche Intervention. Aber wenn es überhaupt eine Intervention gibt, dann zugunsten der Diktatur – zum Beispiel die militärische, technische und nachrichtendienstliche Hilfe von Seiten der russischen und iranischen Regierungen zur Niederwerfung der Revolution. Darüber hinaus treffen die wirtschaftlichen Sanktionen [des Westens] vor allem die Bevölkerung und werden vom Regime als ein Vorwand für eine Politik der Kürzungen, Rationierungen und immensen Preissteigerungen von Gütern des täglichen Bedarfs genutzt, um die aufbegehrenden Massen noch weiter zu schwächen. In jedem Fall können wir kein Vertrauen in die Manöver der Welt- oder Regionalmächte haben, die nur ihre jeweils eigenen Interessen verteidigen.« (71)
Der revolutionäre Prozess und der Bürgerkrieg bieten eine schier endlose Reihe an unterschiedlichen Erfahrungen. Schlimmste Gräuel, Egoismus und Verzweiflung, aber auch leuchtende Beispiele von Mitmenschlichkeit und Solidarität sind zu beobachten. Die syrische Linke kann gewinnen. In diesem Kampf hat sie die Solidarität der Linken weltweit verdient.
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Fußnoten:
1 Dies ist die ausführliche Fassung zwei zusammengeführter Artikel, die in der Printausgabe von marx21 (Februar/März 2013) erschienen sind. Sie ist am 25. Januar 2013 fertiggestellt worden. An diesem Tag habe ich auch alle Quellenverweise im Internet noch einmal abgerufen und geprüft. Spätere Entwicklungen wurden nicht berücksichtigt.
2 Zu den kollektiven Strafmaßnahmen gehören auch der vorsätzliche Abriss von Häusern nach Rückeroberung von Ortschaften, siehe: Local Coordination Committees, »Punitive House Demolition in Syrian Cities«, 10.9.2012; http://www.lccsyria.org/10136.
3 Human Rights Watch, »Syria: Incendiary Weapons Used in Populated Areas«, 12.12.2012; http://www.hrw.org/news/2012/12/12/syria-incendiary-weapons-used-populated-areas.
4 Auf Grundlage der Zahlen, die die Lokalen Koordinierungskomitees nach Regionen seit Beginn der Erhebung bis zum 22. Januar 2013gesammelt haben; aktuelle Stände auf: http://www.vdc-sy.org/ Dort auch aktuelle Zahlen der Gefangenen.
5 Le Monde.fr, »MSF: ‘Soigner en Syrie est devenu un acte de guerre’«, 28.12.2012; http://www.lemonde.fr/proche-orient/article/2012/12/28/msf-soigner-en-syrie-est-devenu-un-acte-de-guerre_1811234_3218.html?xtmc=fabrice_weissman&xtcr=1.
6 Jonathan Littell, Notizen aus Homs, Berlin: Hanser, 2012, S. 24, 31.
7 Tracey Shelton, 7.6.2012, »Inside Syria: You will never guess who arms the rebels«; http://www.globalpost.com/dispatch/news/regions/middle-east/syria/120606/syrian-rebels-weapons-arms-revolution.
8 C. J. Chivers, »Syria’s Dark Horses, With Lathes: Makeshift Arms Production in Aleppo Governorate«, 19.9.2012; http://atwar.blogs.nytimes.com/2012/09/19/syrias-dark-horses-with-lathes-makeshift-arms-production-in-aleppo-governorate-part-i/ ; Auch: http://atwar.blogs.nytimes.com/2012/09/20/syrias-dark-horses-with-lathes-makeshift-arms-production-in-aleppo-governorate-part-ii/.
9 International Crisis Group (ICG), Tentative Jihad: Syria’s fundamentalist opposition; Oktober 2012, S. 11; http://www.crisisgroup.org/en/regions/middle-east-north-africa/egypt-syria-lebanon/syria/131-tentative-jihad-syrias-fundamentalist-opposition.aspx.
10 So Daoud Rammal in der unabhängigen links-liberalen libanesischen Zeitung As-Safir, 8.1.2013; http://www.assafir.com/Article.aspx?EditionId=2353&ChannelId=56557&ArticleId=510&Author=%C3%8F%C3%87%C3%A6%C3%8F%20%C3%91%C3%A3%C3%87%C3%A1.
11 C. J. Chivers, »Videos From Syria Appear to Show First Confirmed Hit of Aircraft by Surface-to-Air Missile«, 27.11.2012; http://atwar.blogs.nytimes.com/2012/11/27/videos-from-syria-appear-to-show-first-confirmed-hit-of-aircraft-by-surface-to-air-missile/; The Wall Street Journal berichtete am 17.10.2012: »Syrian Rebels Get Missiles«; http://online.wsj.com/article/SB10000872396390443684104578062842929673074.html#.
12 Einen Eindruck von dem Massencharakter der friedlichen Proteste in Hama vermittelt z. B. ein Video auf YouTube vom 22. Juli 2011; die Massen schreien: »Das Volk will den Sturz des Regimes« – eine Parole, die die Revolution in Tunesien hervorgebracht hat; http://www.youtube.com/watch?v=-ISaCO1-YP4.
13 Jonathan Littell, Notizen aus Homs, Berlin: Hanser, 2012, S. 125.
14 Ebd., S. 138.
15 Al-Jazeera, »Syrian army ‚cracking‘ amid crackdown«, 11.6.2011; http://www.aljazeera.com/indepth/features/2011/06/201161118126791811.html.
16 Hussein Harmusch auf YouTube, 9.6.2011; www.youtube.com/watch?v=2XeIFv1B7no.
17 Riad al-As‘ad auf YouTube, 29.7.2011; http://www.youtube.com/watch?v=ItzI_AIFUWg.
18 Al-Khatt al-amami, Nr. 10, Oktober / November 2012, S. 5; http://de.scribd.com/doc/114080674/amami10.
19 Zu den Reibungen zwischen al-As’ad und Mustafa ash-Scheich, siehe ICG, Tentative Jihad, S. 24; http://www.crisisgroup.org/en/regions/middle-east-north-africa/egypt-syria-lebanon/syria/131-tentative-jihad-syrias-fundamentalist-opposition.aspx.
20 Al-Quds al-arabi, 31.5.2012; http://www.alquds.co.uk/index.asp?fname=data/2012/05/05-31/31z500.htm. Al-As’ad spielt heute keine Rolle mehr. Im Dezember 2012 kamen im türkischen Antalya über 260 Kommandeure zusammen, die fast alle Teile der FSA repräsentierten. Sie einigten sich auf die Bildung eines 30-köpfigen Obersten Militärrats unter Leitung des Generals Salim Adriss.
21 Ein Eindruck über die Funktionsweise der Straßensperren vermittelt zum Beispiel das Interview mit einem palästinensischen Aktivisten aus Yarmuk vom 23.8.2012; https://www.adoptrevolution.org/campyarmuk/.
22 Littell beschreibt für Ende Januar 2012 ein konkretes Beispiel im umkämpften Stadtteil Khaldije nördlich des Stadtzentrums von Homs; siehe: Notizen aus Homs, S. 126.
23 Vor allem seit Beginn der Schlacht um Aleppo im August 2012 ist das Regime dazu übergegangen, Stadtteile aufzugeben und diese dann blindlings aus der Luft anzugreifen. Dies erklärt, warum die Zahl der Opfer seitdem rasant angestiegen ist.
24 Als Schabiha – »Gespenster« – werden Milizen bewaffneter Zivilisten bezeichnet, die das Regime zumeist unter Alawiten rekrutiert. Der Begriff geht zurück auf die Umtriebe krimineller Banden mit Beziehungen zur herrschenden Familie, die in den 80er Jahren in syrischen Küstenorten die Bevölkerung terrorisierten.
25 Notizen aus Homs, S. 135.
26 Die Berichte finden sich auf der Website der LKK auch in englischer Übersetzung, siehe: http://www.lccsyria.org/en/.
27 Siehe: Rundbrief von »Adopt a Revolution« vom 20.1.2013; auf Facebook finden sich mehrere Bilddokumentationen zu den Demonstrationen im Dezember und Januar, zum Beispiel am 18.1.2013 aus Barzeh, einem Stadtteil in Damaskus: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=422562331146096&set=a.347965191939144.74748.343172915751705&type=1&theater.
28 »Die USA haben ein Interesse, Syrien zu zerstören«, Interview in der Sozialistischen Zeitung, Oktober 2012; http://www.sozonline.de/2012/10/die-usa-haben-ein-interesse-syrien-zu-zerstoren/.
29 Al-Jazeera, »Syria students killed in Aleppo campus attack«, 3.5.2012; http://www.aljazeera.com/news/middleeast/2012/05/20125317175710737.html.
30 Erklärung des Militärsprechers in Al-Quds al-arabi vom 17.1.2013; übersetzt in: MidEastWire Briefing, 18.1.2013; Demonstration der Studierenden am 17.1.13, siehe: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=422195411182788&set=a.347965191939144.74748.343172915751705&type=1&theater.
31 http://www.facebook.com/damas.rev.youth?ref=ts%29 Diese Seite wurde offenbar während des ersten Februarwochenendes 2013 gehackt und mit anderen Inhalten gefüllt, ging am 6.2.2013 aber wieder mit dem ursprünglichen Inhalt online. Viele Videos dieser Seite sind auch auf YouTube zu finden.
32 Zum Beispiel im Stadtteil Rukn ad-Din, am 12. September 2012: Ein Video zeigt von hinten viele junge Leute, die aus allen Kehlen singen, klatschend, ausdauernd und begeistert. Vom »Islamismus« keine Spur. Wie selbstverständlich sieht man in der Masse ein Symbol, das islamischen Halbmond und christliches Kreuz vereint. Der Kampf gegen die Unterdrücker vereint über alle religiöse Grenzen hinweg. Dieselbe Demo, aber andere Aufnahmen auf: http://www.youtube.com/watch?v=OGSGlqcerko.
33 Syria Deeply, »Conversations: A Pharmacist in Qamishli«, 16.1.2013; http://beta.syriadeeply.org/2013/01/conversations-pharmacist-qamishli/.
34 PYD ist das Kürzel für Partiya Yekitîya Demokrat, »Partei der Demokratischen Union«. Sie steht der in der Türkei operierenden PKK nah.
35 Paul Wood, »Syria: Islamist Nusra Front gives BBC exclusive interview«, 17.1.2013; http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-21061018.
36 Dokumentiert in al-Khatt al-amami, Nr. 10, Oktober / November 2012; übersetzt ins Englische in: http://syriafreedomforever.wordpress.com/2013/01/18/free-duma-popular-councils-and-democracy-from-below/.
37 Ebd.
38 Unterrichtung im Bundestag, Unterausschuss Abrüstung, 24.10.2012; Berichte von Journalisten legen nahe, dass die Nusra-Front seitdem an Zulauf gewinnt. Doch scheint es sich vor allem um ein auf Aleppo und Umland begrenztes Phänomen zu handeln. An den grundlegenden Kräfteverhältnissen innerhalb des syrischen Widerstands, wie sie sich in den vom BND genannten Zahlen widerspiegeln, hat sich nichts geändert.
39 ICG, Tentative, S. 20.
40 General Mustafa ash-Scheich, zitiert in al-Watan, 10.9.2012; http://www.alwatan.com.sa/politics/News_Detail.aspx?ArticleID=11293
9.
41 Einen guten Überblick erhält man über die Analyse der International Crisis Group aus dem Oktober 2012, Tentative Jihad, op. cit.: http://www.crisisgroup.org/en/regions/middle-east-north-africa/egypt-syria-lebanon/syria/131-tentative-jihad-syrias-fundamentalist-opposition.aspx.
42 As-Safir, »Islamic Fighters in Northern Syria Not United«, 3.12.2012; in: http://www.al-monitor.com/pulse/politics/2012/12/islamist-fighters-syria-fsa.html.
43 Zum Beispiel nutzt der Geheimdienst der Luftwaffe das Stadtteil Massa86 in Damaskus als Operationsbasis. Ein alawitischer Oppositioneller beschreibt, wie vor diesem Hintergrund die Angst unter alawitischen Bewohnern vor Racheakten nach einem möglichen Sturz Assads grassiert; siehe: Ash-Scharq al-Ausat, 8. Januar 2013; http://www.aawsat.com/details.asp?section=4&article=712231&issueno=12460.
44 Zum Beispiel berichtet Littell über eine Exekution von drei Menschen in einem Supermarkt durch Schabiha, bloß weil sie auf dem rebellischen Qusaira stammten; siehe: Notizen aus Homs, S. 19.
45 Zum Beispiel in Baba Amr, Februar 2012. Oder in Daraya, im August 2012.
46 So ein Bericht in der Ash-Sharq al-Ausat am 8.1.2013 aus dem Damaszener Stadtviertel Mezze86; http://www.aawsat.com/details.asp?section=4&article=712231&issueno=12460.
47 So der Militärrat in Deir as-Sur; siehe al-Khatt al-amami, Nr. 5, Juli 2012.
48 »New Battalions Sign the Code of Conduct«, 8.8.2012; https://www.facebook.com/notes/%D9%84%D8%AC%D8%A7%D9%86-%D8%A7%D9%84%D8%AA%D9%86%D8%B3%D9%8A%D9%82-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A9-%D9%81%D9%8A-%D8%B3%D9%88%D8%B1%D9%8A%D8%A7/new-battalions-sign-the-code-of-conduct/508232342537240.
49 Syria deeply, »A Revolution Within the Revolution«, 11.1.2013; http://beta.syriadeeply.org/op-eds/2013/01/revolution-revolution/#.UPzn4vLhfwn.
50 http://www.youtube.com/watch?feature=endscreen&v=DtjG2CABxDY&NR=1; http://www.youtube.com/watch?v=h-xeYZKDXc4; http://www.youtube.com/watch?v=h-xeYZKDXc4.
51 Aufruf der LKK vom 13.12.2012; dokumentiert in: http://syriafreedomforever.wordpress.com/2012/12/13/%d9%86%d8%af%d8%a7%d8%a1-%d8%af%d9%85%d8%b4%d9%82-the-call-from-damascus/.
52 Im Interview mit der BBC, 5.1.2012, in: http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-16431199.
53 Ein Stimmungsbild liefert zum Beispiel: http://www.therevoltingsyrian.com/tagged/NATO.
54 Die Haltung der jetzigen US-Administration gegenüber Syrien ist innerhalb der herrschenden Klasse der USA allerdings heftig umstritten. Vor allem innerhalb der Partei der Republikaner sammeln sich jene, die auf eine stärkere Intervention in Syrien drängen und Kerrys Haltung kritisieren, siehe bspw.: http://www.theblaze.com/stories/2012/12/16/generous-remember-john-kerrys-praise-of-syrian-dictator-assad/.
55 http://www.handelsblatt.com/politik/international/syrien-eu-und-obama-fordern-assads-ruecktritt/4511728.html.
56 US-Außenministerin Hilary Clinton im Interview mit CBS-News, 27.2.2012.
57 Zitiert in Al Hayat, 15. Januar 2013; http://alhayat.com/Details/472578.
58 Gründungsdokumente vom 17.9.2011 in englischer Übersetzung finden sich auf der Website des Koordinierungskomitees: http://syrianncb.org/2012/01/20/declaration-of-the-charter-for-dignity-and-rights/.
59 Haytham Manna im Interview mit L’Humanité, 23.7.2012; http://www.humanite.fr/monde/haytham-manna-%C2%ABles-groupes-armes-et-le-pouvoir-ont-eradique-la-resistance-civile%E2%80%89%E2%80%89%C2%BB-501260.
60 http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Syrien/manna2.html.
61 http://syrianncb.org/2012/09/17/syrian-regime-forces-detained-members-of-the-conference-and-of-the-preparatory-committee/.
62 Abdelaziz al-Khayer (Vorsitzender des Büros für auswärtige Beziehungen im Koordinierungskomitee) und Iyas A’yash (Mitglied des Exekutivbüro), sowie ihr Fahrer Maher Tahan wurden am 20.9.2012 auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt Damaskus vom Geheimdienst der Luftwaffe verschleppt. Sie sind bis heute in Haft, wie Zehntausende andere.
63 http://syrianncb.org/2012/09/23/syria-salvation-conference-our-main-principles/.
64 Michel Kilo im Interview mit RT, 11.7.2012; http://rt.com/news/assad-syria-russia-kilo-942/.
65 Michel Kilo im Interview mit der Sozialistischen Zeitung, Oktober 2012; http://www.sozonline.de/2012/10/die-usa-haben-ein-interesse-syrien-zu-zerstoren/.
66 Gründungsdokument auf Englisch auf: http://www.internationalviewpoint.org/spip.php?article2549.
67 Al-Arabiya, 17.5.2012; »Palestinian writer Salameh Kaileh detained, beaten, taunted in Syria«; http://english.alarabiya.net/articles/2012/05/17/214724.html.
68 Bekanntestes Beispiel ist Riad at-Turk, der aus Protest gegen die Unterordnung unter das Regime die wichtigste Abspaltung von der Kommunistischen Partei anführte. 1980 wurde er für achtzehn Jahre ins Gefängnis geworfen und verbrachte viele Jahre davon in Isolationshaft.
69 Zum Beispiel wird in der Kleinstadt Dera’a, der Wiege der Revolution im Süden des Landes, am 13. Dezember 2012 die Gründung einer Sektion der Strömung der revolutionären Linken erklärt. Ihre Facebookseite hat einen Monat später 47 Mitglieder. http://www.facebook.com/groups/377896045629747/.
70 Zusammen mit zahlreichen anderen Dokumenten der revolutionären Linken findet sich die Zeitung auf der Website von http://syriafreedomforever.wordpress.com/.
71 Ghayyath Na’issa in Tout est à nous!, 15.3.2012; http://www.npa2009.org/content/vive-la-r%C3%A9volution-syrienne%E2%80%89-construire-la-solidarit%C3%A9-internationale.