Der Sozialist Philipp Probst im Gespräch mit marx21 über die extreme Rechte in Österreich und deren Wahlerfolge
marx21: Das rechtsextreme BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) hat bei den Landtagswahlen Anfang März im österreichischen Kärnten über 45 Prozent erhalten. Welche Ursachen hat der Wahlsieg der von Jörg Haider gegründeten Partei?
Philipp Probst: Das BZÖ in Kärnten ist sicherlich ein regionales Phänomen. Es steht in der Tradition der von Jörg Haider geprägten FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs). Haider war zwei Mal, von 1989 bis 1991 und von 2004 bis zu seinem Tod 2008, Kärntner Landeshauptmann…
…eine Funktion, die dem Amt eines Ministerpräsidenten in Deutschland entspricht…
Ja. Als die FPÖ sich 2005 aufgrund ihrer widersprüchlichen Position zwischen Protest- und Regierungspartei spaltete, gründete Haider das BZÖ. Der harte, rechtsextreme Kern der Partei blieb bei der FPÖ blieb und formierte sich neu.
Seither konnte das BZÖ kein kohärentes politisches Profil entwickeln und changierte zwischen neoliberaler Wirtschaftspolitik und populistischen Forderungen im Sozialbereich, ohne sich von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu distanzieren. Kärnten war die einzige echte Bastion des BZÖ, vor allem, weil Haider als Landeshauptmann hier seine politische Basis hatte.
Die Beliebtheit von Haider und dem BZÖ, das durch einen ganz auf den toten Parteiführer ausgerichteten Wahlkampf nun 45 Prozent der Stimmen erhalten hat, ist ein komplexes und nicht leicht erklärbares Phänomen. Einerseits baut es auf einem historischen Kärntner Heimat-Diskurs auf, der eine lange Tradition hat und sich vor allem als Verteidigungslinie des „deutschen" Österreich gegen den slowenischen Süden versteht. So weigert sich das BZÖ weiterhin beharrlich, die verfassungsmäßig vorgeschriebenen zweisprachigen Ortstafeln in Orten mit großen slowenischen Minderheiten aufstellen zu lassen.
Andererseits hat es eine große Tradition von "Bürgernähe", die von Haider perfektioniert wurde. Dies geschah und geschieht in Form einer ständigen Präsenz der Funktionäre, einer Art permanenten Wahlkampf in Kärnten. Zugleich aber auch durch kleinere finanzielle Geschenke, die Kärnten stark verschuldet haben, aber spürbare Verbesserung vor allem für die Mittelschicht brachten.
Zum dritten hat das BZÖ leichtes Spiel, sich auch als Partei für Arbeiter und Arbeiterinnen zu positionieren, da die SPÖ in der Regierung ihre eigene Basis durch massive Umverteilung von unten nach oben vertreibt.
Und schließlich macht das BZÖ Politik auf Kosten von Migranten und Migrantinnen, zuletzt etwa, indem medienwirksam Asylbewerber auf eine Alm abgeschoben wurden – was ein großer Teil der Kärnter Bevölkerung befürwortet.
Ist Kärnten also ein "Einzelfall"?
Nein. Trotz aller regionalen Eigenheiten muss der BZÖ-Wahlsieg im Kontext eines allgemeinen Aufschwungs der parlamentarischen Rechten gesehen werden. Diese konnte bei den letzten Nationalratswahlen zusammen 28,2 Prozent der Stimmen für sich gewinnen.
Sowohl das BZÖ als auch die FPÖ schaffen es, die Themen „Arbeit" und „soziale Sicherheit" mit rechten Positionen zu besetzen und soziale Fragen mit dem Thema „Sicherheit und Zuwanderung" zu verbinden. Beiden Parteien gelingt es, die Unsicherheiten in Zeiten der Wirtschaftskrise und den Unmut „gegen die da oben" zu nutzen. So gelingt es ihnen, „soziale Kompetenz" auszustrahlen und sich die Stimmen vieler Arbeiter und Arbeiterinnen zu sichern – vor allem der jungen und ungelernten.
Laut dem Meinungsforschungsinstitut SORA wählten in Kärnten 47 Prozent der Arbeiternehmer das BZÖ und bei den Landtagswahlen in Salzburg 33 Prozent die FPÖ.
Die sozialdemokratische SPÖ hingegen hat bei den Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg stark verloren. Woran lag das?
Sie hat mit einem für ihre Verhältnisse recht „linken", auf soziale Themen setzenden Wahlkampf die Nationalratswahlen gewonnen. Doch sie bemüht sich seither hauptsächlich darum, ihre „Wirtschaftskompetenz" unter Beweis zu stellen. Das schaut dann so aus, dass im Zuge der Finanzkrise Geschenke um rund einhundert Milliarden Euro an Banken vergeben werden, während gleichzeitig vom „Gürtel enger Schnallen" und sonstigen „Sparmaßnahmen" die Rede ist. Für die Sozialdemokratie vormals typische Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung oder sonstige soziale Antworten auf die Krise suchen wir vergebens.
Erschreckend ist auch das Verschwinden der „Berührungsängste", die die SPÖ in Bezug auf die FPÖ und später auch das BZÖ hatte. Zwar gibt es auf Bundesebene einen Parteitagsbeschluss, der jede koalitionäre Zusammenarbeit der SPÖ mit den beiden Parteien ausschließt.
Auf Bundesländerebene sieht die Sache aber schon anders aus. Die Kärntner SPÖ war historisch stets am rechten Flügel der Partei angesiedelt und spielt aktuell wieder eine Vorreiterrolle für die Öffnung nach rechts-außen. Inzwischen haben auch andere SPÖ-Landesorganisationen ihre Offenheit für eine Zusammenarbeit mit FPÖ und BZÖ verlautbaren lassen. Das führt zu einer Stärkung der Rechtsextremen. Dabei müsste es eigentlich darum gehen, eine linke Kraft aufzubauen, die BZÖ und FPÖ konfrontiert, gegen Rassismus kämpft und konsequent soziale Politik macht.
(Das Gespräch führte Frank Eßers)
Zur Person:
Philipp Probst ist Sozialist und Redakteur des österreichischen Magazins Perspektiven.