In einer Stellungnahme macht ein Angestellter der Athener Marfin-Bank den Bankvorstand für den Tod dreier seiner Kollegen am vergangenen Mittwoch verantwortlich. Diese starben an Rauchvergiftung, als die Bank aus einer Demonstration heraus mit Brandsätzen angegriffen wurde. marx21 dokumentiert die Erklärung:
Ich habe meinen Kollegen gegenüber die Verpflichtung an die Öffentlichkeit zu gehen und ein paar grundlegende Wahrheiten zu erzählen. Ich sende diese Stellungnahme an alle Medienagenturen. Alle, die noch ein Gewissen haben, sollten sie veröffentlichen. Der Rest kann damit fortfahren das Spiel der Regierung mitzuspielen.
Die Feuerwehr hat das Gebäude bautechnisch niemals freigegeben. Die Betreibung der Bank lief unter der Hand, wie bei fast allen Unternehmen in Griechenland.
In dem fraglichen Gebäude sind keine Sicherheitseinrichtungen in Betrieb, also keine Deckensprinkler, Fluchtwege oder Feuerlöschschläuche. Es gibt nur ein paar tragbare Feuerlöscher, die natürlich nicht ausreichen bei einem Großfeuer in einem Gebäude, das nach längst überholten Sicherheitsstandards gebaut wurde.
In keiner einzigen Filiale der Marfinbank wurden Angestellte für den Brandfall geschult, nicht einmal in der Benutzung der wenigen Feuerlöscher. Das Management hat die hohen Kosten solch einer Schulung als Vorwand vorgeschoben und will nicht einmal die grundlegenden Maßnahmen ergreifen, um sein Personal zu schützen.
Es gab keine einzige Evakuierungsübung in irgendeinem der Gebäude noch Übungsstunden mit der Feuerwehr, um uns auf solche Situationen vorzubereiten. Die einzige Übung in der Marfinbank drehte sich um eine mögliche Terroristenaktion und insbesondere die Planung, den »Großen« der Bank in solche einer Situation zu helfen, aus ihren Büros zu flüchten.
Das Bankgebäude war nicht extra feuergeschützt und zudem voll mit hochbrennbaren Materialien wie Papier, Plastik, Kabel, Möbel. Das Gebäude ist wegen seiner Bauweise faktisch als Bank nicht nutzbar.
Niemand vom Sicherheitspersonal hatte Ahnung von Erster Hilfe oder Feuerbekämpfung, auch wenn sie mit der Sicherung des Gebäudes betraut sind. Die Bankangestellten sollen selbst Feuerwehr oder Sicherheitspersonal spielen, wenn es nach dem Eigentümer der Marfinbank geht, Herrn Vgenopoulos.
Das Management der Bank verbot den Beschäftigten strikt, die Bank zu verlassen, obwohl diese bereits morgens darum gebeten hatten – gleichzeitig wurden die Beschäftigten gezwungen, die Türen abzuschließen und sie wurden aufgefordert, regelmäßig telefonisch zu bestätigen, dass das Gebäude immer noch verschlossen ist. Das Management blockierte sogar den Internetzugang um zu verhindern, dass die Beschäftigten mit der Außenwelt kommunizieren.
Seit einigen Tagen wurden die Bankangestellten mit Blick auf die Proteste schikaniert: Das »Angebot« an sie lautete: Entweder ihr arbeitet oder ihr werdet gefeuert.
Die beiden Zivilpolizisten, die zum Schutz vor einem Raubüberfall auf die Bankfiliale eingeteilt waren, kamen an diesem Tag nicht, obwohl das Management dies mündlich seinen Angestellten versprochen hatte.
Meine Herren, hören sie auf so zu tun, als seien sie schockiert. Sie sind verantwortlich für das, was heute geschehen ist und in jedem Rechtsstaat wären sie schon für ihr Handeln verhaftet worden. Meine Kolleginnen und Kollegen haben soeben ihr Leben verloren – durch die Boshaftigkeit der Marfinbank und von Herrn Vgenopoulos, der die Angestellten explizit vor die Wahl gestellt hat, am 5. Mai, dem Tag des Generalstreiks, zu arbeiten oder entlassen zu werden.
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