Bei der Auseinandersetzung der Gewerkschaft der Flugsicherung mit der Deutschen Flugsicherung GmbH geht es vor allem um den Erhalt von Arbeitsbedingungen, die der Sicherheit der Fluggäste dienen. Von Frank Eßers
Auslöser des schön länger schwelenden Konfliktes zwischen der Flugsicherungsgewerkschaft GdF und der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) ist die Unternehmenspolitik: Um Kosten zu sparen, hat die DFS an der Ausbildung des Nachwuchses gespart und Personal abgebaut. Der Personalmangel der DFS wird vom Management auf die Beschäftigten abgewälzt – Überstunden und zunehmender Stress durch gestiegene Arbeitsbelastung waren die Folge. Weil laut Aussagen der Gewerkschaft viele Fluglotsen bereits an der Belastungsgrenze arbeiten, will die Gewerkschaft keine weiteren Belastungen akzeptieren.
Übermüdet im Tower?
Doch genau diese fordert das Management: So soll die Obergrenze von bisher 150 Überstunden im Jahr auf 250 angehoben werden. 150 Stunden davon soll jeder Fluglotse verbindlich leisten müssen. Bisher waren Überstunden freiwillig. Umgerechnet aufs Jahr bedeutet die Forderung des Managements dreißig zusätzliche Arbeitstage. Das hieße auch, dass Fluglotsen öfter als bisher mehr als fünf Tage die Woche am Stück arbeiten müssen und im Anschluss nur einen freien Tag haben.
Was die Arbeit der Fluglotsen prägt, sind belastende Wechselschichtdienste, in denen jeder Lotse hoch konzentriert arbeiten muss – und das bei steigendem Flugverkehrsaufkommen. Mehr Stress gefährdet dabei die Sicherheit der Fluggäste und kann katastrophale Folgen haben. Hier liegt der Kern des Konfliktes zwischen Fluglotsen und DFS.
Wettbewerbsdruck
Überraschend kommt diese Auseinandersetzung nicht, sie hat eine Geschichte: Die DFS ist ein privatrechtlich organisiertes, aber staatliches Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaften darf. Laut Gesellschaftsvertrag muss die DFS aus ihren Gebühren erwirtschaftete Überschüsse an die Luftraumnutzer, das sind z.B. die Airlines, zurückzahlen. 2004 hatte die damalige Bundesregierung die Privatisierung der DFS beschlossen. Diese ist allerdings gescheitert. Dennoch wird vom Management die Umgestaltung der DFS vorangetrieben. Laut Tarifkommission der GdF soll die DFS »von einem Flugsicherungsunternehmen« zu einem Unternehmen umgebaut werden, das die »Bewirtschaftung des Luftraums nach Profitmaximierungsgesichtspunkten betreibt«.
Hintergrund sind die Bestrebungen der europäischen Regierungen, einen EU-weit einheitlichen Luftraum zu schaffen. Ziel dieser Umstrukturierung sind Kostensenkungen bei der Flugsicherung – mit Schwerpunkt auf den Personalkosten – und für die Airlines, die die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Flugsektors erhöhen sollen. Durch eine Änderung des Artikels 87d des Grundgesetzes, die am 1. August 2009 in Kraft getreten ist, können Aufgaben der Flugsicherung seitdem »auch durch ausländische Flugsicherungsorganisationen wahrgenommen werden, die nach Recht der Europäischen Gemeinschaft zugelassen sind.« Damit ist der Wettbewerbsdruck auf die DFS weiter gestiegen.
Wenn die Fluglotsen im September, nach Auslaufen der vierwöchigen Friedenspflicht während der derzeitigen Schlichtung, streiken sollten, mag das so manchen Fluggast ärgern. Aber wenn Arbeitgeber, Regierungspolitiker oder Medien die Fluglosten dann als angeblich besser gestellte Elite-Arbeitnehmer darstellen, die den Hals nicht voll genug kriegen, sollte man dieser Propaganda keinen Glauben schenken. Denn im Interesse der Fluggäste ist es nicht, wenn von Managern und Regierungen die Kommerzialisierung der europäischen Flugsicherung betrieben wird – zu Lasten der Sicherheit der Passagiere.
Mehr auf marx21.de:
- Fluglostenstreik – Zapatero will Privatisierung mit Militär durchsetzen: Gegen den Flutlotsenstreik in Spanien hat Regierungschef Zapatero den Ausnahmezustand verhängt. Fluglotsen wurden mit Waffengewalt zur Arbeit gezwungen. Über die Hintergründe berichtet Lucia Schnell (Artikel vom 07.12.2010).