Weil ein angeblicher »Islamofaschist« in Frankfurt eine öffentliche Kundgebung abhielt, riefen die CDU, die GRÜNEN, die SPD und die Autonome Antifa Frankfurt zu einer Gegenkundgebung auf. Die LINKE weigerte sich. Warum, erklärt der Kreisvorsitzende der Frankfurter LINKEN Volkhard Mosler.
Seit Erscheinen von Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab« sind die Stimmen lauter geworden, die vor einer Islamisierung Deutschlands warnen. Die politische Problematik dieser Entwicklung wurde von der Frankfurter Rundschau (19.4.) auf ihrem Titelblatt wie im Reagenzglas präsentiert. Zwei Schlagzeilen waren zu lesen: »Rechtspopulismus greift Raum« und im Untertitel: »Die rechtspopulistische Welle erfasst nun auch Finnland. Ist Deutschland gegen ein Überschwappen gefeit?« Und darunter: »Hassprediger in Frankfurt« und im Untertitel: »Protestieren wollen gegen die Veranstaltung NPD, Antifaschisten und andere Gruppen.«
GRÜNE für Verbot
In dieser politischen »Großwetterlage« sind Aufrufe und Warnungen gegen das Vordringen eines »islamischen Faschismus« durch Grüne und Autonome anlässlich des Auftretens des salafistischen Predigers Pierre Vogel in Frankfurt Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, aber auch des rechten Flügels der hessischen CDU (Boris Rhein, Volker Bouffier, Irmer usw.). »Kein Platz für Islamofaschisten« forderten die Grünen Hessen. Mit den Fahnen ihrer Partei stellten sich die GRÜNEN vor die Einlassstelle zur, mit Sperrgittern eingezäunten Kundgebung Pierre Vogels, um den »Islamofaschismus zu bekämpfen.« (Presseerklärung der LT-Fraktion)
CDU für schärfere Gesetze
Der hessische Verfassungsschutz und mit ihm Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) sagt über Pierre Vogel und seine Anhänger: »Die Salafisten streben in letzter Konsequenz einen islamischen Gottesstaat an, in dem wesentliche Grundrechte … keine Geltung haben.« Rhein fordert das Verbot der Salafisten und verlangt nach neuen Datenschutz- und Überwachungsmöglichkeiten, um sie überführen zu können. Der innenpolitische Sprecher der hessischen Grünen, Jürgen Frömmrich, unterstützte die Verbotsforderung Rheins und verlangt von Hessens Innenminister »ein hartes Durchgreifen«.
Droht die Scharia in Deutschland ?
Wir als LINKE unterstützen iranische Linke und Menschenrechtsaktivisten, die in Frankfurt und anderen Städten eine Kampagne gegen den Missbrauch des Islam und der Scharia (Rechtskodex des Islam) durch das Mullah-Regime im Iran protestieren. Wir unterstützen konsequent ihren Kampf gegen die Todesstrafe im Iran und gegen den Diktator Ahmadinedschad. Es gibt aber unter Iranern und Deutschen iranischer Abstammung Gruppen, die dazu aufrufen, den Kampf »gegen das Vordringen der islamischen Herrschaftskultur in Deutschland« zu führen. So z.B. der Zentralrat der Ex-Muslime, der sich gegen den Bau von »Prachtmoscheen« in Deutschland ausspricht, weil er darin ein solches Vordringen der islamischen Herrschaftskultur sieht. Die Sprecherin der Ex-Muslime Mina Ahadi hat am 20. April in Frankfurt auf einer Gegenkundgebung zu Pierre Vogel das Verbot von dessen Kundgebung mit dem angeblich drohenden »Einzug der islamischen Scharia in Deutschland« begründet. Das ist zwar menschlich verständlich, politisch aber Wasser auf die Mühlen der Sarrazinisten. In eine solche schiefe Stellung geraten Exilpolitiker häufig. Die Gefahr jeder Exilpolitik besteht darin, dass Menschen ihre vergangenen Erfahrungen konservieren und unkritisch auf die Verhältnisse des Landes übertragen, in das sie unfreiwillig fliehen mussten.
Oder anders ausgedrückt: In Frankfurt und Deutschland sind 2011 nicht die Islamisten auf dem Vormarsch, sondern die Sarrazinisten. Sie bestimmen zunehmend den politischen Diskurs über Migration und Integration. Der Nichtausschluss Sarrazins aus der SPD zeigt, woher der Wind weht. Wer die politischen Verhältnisse in Deutschland durch eine »iranische Brille« betrachtet, wird die realen Gefahren nicht erkennen. Der Kampf gegen den politischen Islam hat in Deutschland den Charakter eines Kampfes gegen Gespenster, oder genauer, ist ein Kampf gegen eine eingebildete, herbeigeredete Gefahr. Wenn »Ex-Muslime« – aus berechtigtem Zorn über den Terror eines Ahmadinedschads – hier in Westeuropa zum Kampf gegen Islamismus aufrufen, dann geraten sie schnell in die Rolle unfreiwilliger Helfershelfer der Reaktion, der es weder um Frauen- noch um Schwulen- und Lesbenrechte und schon gar nicht um die Verteidigung von Aufklärung und Demokratie geht.
Pierre Vogel – ein Islamofaschist?
Ist die Bezeichnung »Islamofaschismus« für Pierre Vogels Bewegung in Deutschland angemessen? Und ist es richtig, sie in einem Atemzug mit der NPD zu nennen und auch als politische Gefahr mit den gleichen Methoden zu bekämpfen, nämlich mit der Methode des massenhaften Widerstandes gegen ihr Auftreten auf Straßen und Plätzen und dem Entzug des Rederechtes?
Etwa 2000 vorwiegend junge Muslime waren dem Aufruf Pierre Vogels gefolgt. Das war keine Versammlung türkisch-stämmiger Geschäftsleute und anderer Mittelständler, die in den etablierten muslimischen Gemeinden meist das Sagen haben, es waren junge Muslime aus Frankfurts Vorstädten. In der Frankfurter Rundschau kommt die Journalistin Canan Topcu zu folgender Einschätzung der wachsenden Popularität eines Pierre Vogel: »Den Nährboden für fundamentalistische Idole … bilden das gesellschaftliche Klima und die gefühlte oder tatsächliche Ablehnung.« Dieses »Klima« ist am besten durch eine neue Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung (Oktober 2010) gekennzeichnet: Danach ist die antiislamische Einstellung in Deutschland in Kurzer Zeit von 34 auf über 50 Prozent angewachsen. Khaled Elsayed vom Verein IIS, einem Treffpunkt für junge deutschsprachige Muslime in Frankfurt, sieht die Ursache für Vogels Popularität in »Kränkung und Demütigung. Es sind Jugendliche, die nach Identität und Anerkennung suchen« … »und der Prediger vermittelt ihnen das Gefühl, die besseren Menschen zu sein.«
Christliche Leitkultur und islamische Reaktion
Pierre Vogel und seine Anhänger werden mit der Bezeichnung »Islamofaschisten« nur beschimpft aber nicht analysiert. Kritiker Vogels zeigen sich erstaunt über die platten schwarz-weiß-Muster seiner Reden. In der Tat, sein Grundgedanke, den er immer wieder in einfachen Sätzen wiederholt, ist: Der Islam ist die einzig seeligmachende Religion, nur er weist den Weg ins Paradies. Und wer sich streng an die Regeln hält, hat seinen Platz dort sicher. Er rechnet scharf mit seinen »christlichen« Kritikern ab, indem er die ganze Latte der Kriege und Verbrechen aufzählt, die im Namen des christlichen Abendlands in den letzten 500 Jahren begangen wurden.
Ist es aber nicht eine Form des Kulturrassismus, wenn Pierre Vogel die Überlegenheit des Islam (»die besseren Menschen«) und seine allein seeligmachende Stellung betont? Wo liegt der Unterschied zum Rassismus einer NPD oder eines Sarrazins, die der »deutschen«, »christlichen« Mehrheit das Gefühl vermittelen, sie seien die besseren Menschen und die Muslime seien genetisch oder wegen ihrer religiösen Tradition »dümmer«? Ich meine, es macht einen Unterschied ob eine unterdrückte Minderheit sich moralisch erhöht, oder ob dies im Namen der unterdrückenden »christlich-abendländischen« oder »weißen« Mehrheitsgesellschaft geschieht. Um einen historischen Vergleich zu ziehen: Es ist rassistisch, wenn eine weiße Mehrheit die Überlegenheit der eigenen »Rasse« betont, wenn die schwarze Minderheit darauf mit einem »black is beautiful« antwortet, ist das der (unzulängliche) Versuch einer Gegenwehr. Es gab und gibt keinen »schwarzen Rassismus« in den USA und es gibt auch keinen »islamischen Rassismus« in Deutschland.
Vogels Fundamentalismus
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Pierre Vogels Interpretation des Koran und des Islam trägt fundamentalistische, voraufklärerische, ja mittelalterliche Züge. Sein kreationistisches Weltbild steht dem von evangelikalen Sekten in den USA oder der katholischen Pius-Bruderschaft in Deutschland in nichts nach. Seine Ausführungen zur Sexualmoral und zur Homosexualität sind alttestamentarisch, seine Interpretation des islamischen Rechts (Scharia) wird auch von der großen Mehrheit der islamischen Religionsgelehrten abgelehnt. Mit seiner Einteilung der Welt in »guten Islam« und schlechten, da ungläubigen Rest lässt er jede Kritik an Fehlentwicklungen des Islam in der Geschichte und heutigen Welt vermissen. (So brandmarkt er den weißen Sklavenhandel mit Schwarzen aus Afrika, übergeht dabei aber die Tatsache, dass arabisch-muslimische Zwischenhändler an der Jagd auf Schwarzafrikaner beteiligt waren.)
Trotzdem war die Kundgebung Vogels kein Aufmarsch von »Faschisten«, sie war von der großen Mehrheit der Teilnehmer/innen vielmehr ein trotziger Aufschrei einer Schicht von Jugendlichen, die oft sozial entrechtet sind und sich zunehmend kulturell unterdrückt sehen. Die vorangegangene Verbotsdebatte hat es Vogel erleichtert, sich mit seinen fundamentalistischen Ideen zum Anwalt des Islam und gegen dessen zunehmende Diskriminierung zu machen.
Neuer Rassismus
Aber selbst wenn man zu dem Urteil käme, hier handele es sich um eine »islamofaschistische« Bewegung, wäre eine Gleichstellung des von dieser ausgehendenden Gefährdungsgrades mit den Sarrazinisten politisch ein großer Fehler. Die reale Gefahr eines neuen Rassismus und – dahinter lauernd – eines neuen Faschismus geht in Deutschland (und in ganz Europa) nicht von Pierre Vogel und seiner religiösen Sekte aus, sondern von der wachsenden Anhängerschaft der Sarrazinisten. Die sogenannten Salafisten sind eine kleine Minderheit in der Minderheit der Muslime in Deutschland. Die mächtige BILD-Zeitung macht Schlagzeilen gegen Vogel und für Sarrazin.
Religion als Schmerzmittel
Karl Marx' Betrachtung der Religion als »Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, der Geist geistloser Zustände«, kurz als »Opium des Volkes« trifft hier unbedingt zu. Wie lässt sich die Abhängigkeit von betäubenden Schmerzmitteln aufheben? Durch Veränderung der herzlosen Welt und nicht durch Verbot oder gewaltsamen Entzug der »Droge«. Und schon gar nicht durch Verbote durch den bürgerlichen Staat oder durch eine zukünftige sozialistische Regierung. Oder anders ausgedrückt: Wer dem geistigen Drogenhändler Pierre Vogel den Boden entziehen will, und das sollten wir alle wollen, der darf nicht nach der Polizei und schärferen Gesetzen rufen, wie Boris Rhein es tut. Hier ist die Pfarrerin der Frankfurter evangelischen Stadtkirche Ilona Klemens viel näher an einer Lösung als CDU, SPD und Grüne mit ihren Verbotsforderungen. »Um die fatale Entwicklung aufzuhalten, braucht es mehr Unterstützung der Schulen und der Jugendarbeit in und mit Moscheen.«
Auch das reicht freilich nicht und wir als LINKE müssen uns fragen, welchen Beitrag wir leisten können, um diesen Jugendlichen am Rande der Gesellschaft ein lebenswertes Leben schon im Diesseits zu ermöglichen, oder zumindest den Kampf darum zu eröffnen. Es ist beispielsweise ein Skandal, dass hunderttausende Jugendliche im sogenannten Übergangssystem ohne berufliche Ausbildung geparkt bleiben. Hier müssen wir als LINKE handeln.
Integrationsdezernentin gegen Verbot
Noch einmal zu den Auseinandersetzungen um den Auftritt Pierre Vogels in Frankfurt. Als erste hatte die NPD angekündigt, gegen den Auftritt des Predigers zu protestieren, wohl wissend, dass sie in den letzten Jahren in der Frankfurter Innenstadt noch nie eine angekündigte Kundgebung durchführen konnte. Der Auftritt der »Islamisten« »dürfe nicht ohne Protest vonstatten gehen.« (PE der NPD) Dann kündigten Autonomen von der Frankfurter Antifa (F) an, beide, »Islamfaschisten« und NPD, stoppen zu wollen. Das Ordnungsamt entzog daraufhin dem Auftritt Vogels die Genehmigung, unterstützt von CDU, GRÜNEN und SPD. Die Integrationsdezernentin Eskargari-Grünberg sprach sich allerdings gegen ein Verbot aus: Verbote »lösen das Problem nicht.« Wie wahr! Auch der Frankfurter »Rat der Religionen« warnte davor, sich dem Protest gegen Vogel anzuschließen. Es gebe in jeder Religion »Fundamentalisten und Extremisten«.
In der Tat: die Bewertung der Homosexualität als »schwere Sünde« erinnert mich an meine katholische Kindheit. Damals lernte ich, dass Ehebruch und jeder außereheliche Geschlechtsverkehr eine von drei »Todsünden« sei (neben Mord und Abfall vom Glauben). Die in der Presse mit Empörung aufgenommene Trennung seiner Zuhörerschaft nach Geschlechter gibt es in den meisten Synagogen heute noch und hat es vor einigen Jahrzehnten auch noch in der katholischen Kirche gegeben. Auch eine »Scharia« – ein spezielles Religionsrecht – gibt es in Deutschland als religiöses Sonderrecht der katholischen Kirche (kanonisches Recht). Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bestand ja nicht zuletzt darin, dass pädophile Übergriffe von Priestern nicht nach dem geltenden Strafrecht, sondern nach dem Kirchenrecht geahndet wurden. Dies mit Wissen der staatlichen Justizbehörden! Der heutige Papst und Pierre Vogel sind in ihrem Familien- und Frauenbild, in ihrer Auffassung von Sexualität und Homosexualität nicht sehr weit auseinander. Und doch käme niemand auf die Idee – von den Grünen bis zur autonomen Antifa – an Fronleichnam die öffentlichen Umzüge der Kirche zu stören oder gar zu verhindern, was ich übrigens auch nicht fordere.
Antimuslimische Kundgebung
Der Frankfurter Rat der Religionen nannte noch einen zweiten Grund, warum er die Gegendemonstration nicht unterstützte. Demonstrationen gegen islamische Fundamendalisten wie Pierre Vogel »bergen die Gefahr der Pauschalisierung von Vogels Positionen auf den Islam allgemein«. Wie Recht er mit seiner Warnung hatte, haben die Ereignisse vom 20. April bestätigt. Hinter den Absperrgittern sammelten sich Autonome, Grüne und ein breites Spektrum von Rechten und Rassisten. Der Sprechchor der Autonomen (»Halt die Fresse, halt die Fresse!«) war kaum geeignet, die 2000 jungen Muslime kritisch anzusprechen. Über den ganzen Platz verstreut waren Plakate mit der Aufschrift »Der Islam gehört nicht zu Deutschland« und »Demokratie statt Scharia«. (Die Plakate waren sehr wahrscheinlich von der rassistischen »Bürgerbewegung Pax Europa«, die zum Ziel hat, »die Öffentlichkeit über die Gefahr einer europaweiten Islamisierung« zu warnen.) Auf anderen Plakaten waren aus dem Zusammenhang gerissene Koranzitate zu lesen, nach denen Mohammed angeblich zur Tötung aller Ungläubigen aufgerufen habe.
Eine Gruppe zeigte den Hitler-Gruß, als einige Muslimas mit Kopftüchern vorbeigingen, natürlich griff die Polizei nicht ein. Eine christliche Fundamentalistin schrie, dass allein Jesus den Weg zum Paradies weise. Verschleierte Muslimas wurden wegen »Vermummungsverbot« von der Polizei erst gar nicht auf den Versammlungsplatz gelassen, andere wurden angepöbelt. Es war die bisher größte antimuslimische Kundgebung in Frankfurt. Ein schwarzer Tag für die Frankfurter Linke und ein später Sieg der NPD, die den Protest zuerst angekündigt hatte, dann aber gar nicht in Erscheinung zu treten brauchte, um ihr Ziel zu erreichen.
Bismarck und die Jesuiten
Marx und Engels warnten davor, Religionen durch Verbote zu unterdrücken, obwohl sie selbst Atheisten waren. Der Testfall für die Linke in Deutschland war ein Verbot des Jesuitenordens durch den ersten Reichskanzler Graf Otto von Bismarck im Jahr 1872. Der Jesuitenorden war damals die Speerspitze der katholisch-christlichen Reaktion in Europa, die sich gegen alle Errungenschaften der Aufklärung und für die Wiederherstellung eines christlichen Gottesstaates einsetzte. Obwohl der Jesuitenorden damals eine Kampforganisation gegen die Trennung von Staat und Kirche war, stimmte der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete August Bebel als einziger gegen das Verbot. Er sah darin den Versuch Bismarcks, seinen autoritären Obrigkeitsstaat zu festigen. Friedrich Engels sprach sich wiederholt prinzipiell gegen ein Verbot von Religionen aus. Solche Verbotsforderungen verhülfen der betroffenen Religion »zum Märtyrertum und verlängerten so ihre Lebensfrist.«
Der islamische Salafismus, dem Vogel und seine Anhänger zugeordnet werden, ist heute in Deutschland und Europa im Vergleich zum Jesuitenorden vor 140 Jahren eine zu vernachlässigende Größe. Die Zahl der Teilnehmer/innen an Pierre Vogels Kundgebung war in Frankfurt auch deshalb größer als erwartet, weil die Verbotsdebatten im Vorfeld eine Gegenbewegung unter jungen Muslimen (»jetzt erst recht«) ausgelöst hatte. (Von den 2000 Teilnehmern waren nach Schätzungen von Kennern der muslimischen Gemeinden Frankfurts höchstes 200 bis 300 Anhänger Pierre Vogels, die anderen waren gekommen, um gegen die Unterdrückung des Islam zu demonstrieren oder auch nur, um Pierre Vogel einmal selbst zu hören.
Christliche Fundamentalisten
Wie der Frankfurter Rat der Religion richtig feststellte: fundamentalistische Strömungen gibt es in allen Religionen. Die Piusbruderschaft tritt ähnlich wie Pierre Vogel für die Errichtung eines Gottesstaates ein, in dem die Gewalt von Gott und nicht vom Volk ausgehen müsse. Sie tritt für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein, sie fordert, dass die Frau wieder dem Manne »dienen« müsse (»Ihr Frauen, seid Euren Männern untertan, wie die Kirche Christus«), sie fordert die strenge Bestrafung der Homosexualität, nicht nur durch Höllenstrafe im Jenseits, sondern durch die Wiedereinführung des alten Schwulenparagrafen § 175, der erst 1994 endgültig abgeschafft wurde.
Die Piusbruderschaft hat heute europaweit etwa 600.000 Anhänger. Sie erinnert uns daran, dass das christliche Mittelalter noch nicht solange hinter uns liegt. Wenn es einen Unterschied zwischen Pierre Vogels Salafisten und der Piusbruderschaft gibt, dann den, dass die Pius-Bruderschaft bis heute staatlich subventioniert wird und dass sie nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Umgekehrt: Sie unterhält Schulen und Kindereinrichtungen mit staatlicher Unterstützung.
Erfolg für Islamfeinde
Auf der islamophoben Webseite »Erste deutsche Religionsbehörde« stand zu lesen, dass es in Frankfurt zum ersten Mal gelungen sei, eine breite Zustimmung aller Parteien mit Ausnahme der LINKEN für das Verbot einer islamischen Kundgebung zu erhalten. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass sich ein solcher Erfolg nicht wiederholt. Der LINKEN kommt hier eine große Verantwortung zu.