Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
in der Nacht zum 7. November 2009 starb der britische Sozialist Chris Harman im Alter von 66 Jahren an einem Herzinfarkt. Sein Tod ist ein großer Verlust für die internationale marxistische Linke. Chris war seit Studententagen revolutionärer Sozialist und führendes Mitglied der Socialist Workers Party. Er stand für einen Sozialismus von unten und wandte sich gegen Entstellungen der marxistischen Theorie.
In einem seiner ersten Bücher befasste er sich mit den Klassenkämpfen in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg und zeichnete die inneren Widersprüche der als staatskapitalistisch bezeichneten Länder nach, die schließlich zum Zusammenbruch des stalinistischen Ostblocks führten. Chris griff in die Debatte über Frauenbefreiung mit ein und setzte sich mit der Frage auseinander, ob Frauen durch die Geschichte und unabhängig von den jeweiligen Gesellschaftsformen schon immer unterdrückt waren. In seinen Schlussfolgerungen bekräftigte er, dass der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft untrennbar auch verbunden ist mit dem Kampf gegen Frauenunterdrückung.
Seine Analyse des Imperialismus stellt eine Weiterentwicklung von Imperialismustheorien dar und ist eine große Hilfe, die heutige imperialistische Interessenspolitik zu verstehen. Seine auch auf Deutsch erschienenen Bücher über die deutsche Revolution von 1918 und über die 68er-Bewegungen sind hervorragende Analysen. In beiden Büchern beschreibt er nicht nur die Ereignisse und Debatten der Zeit, sondern zieht auch Lehren für eine revolutionäre Linke aus dem Aufschwung und Scheitern der Bewegungen.
Einen wichtigen Beitrag lieferte Chris auch für das Verständnis des politischen Islams. Damit trat er auch der imperialistischen Kriegslogik entgegen. In seinem bisher nicht auf Deutsch verfügbaren, umfangreichen Buch »People’s History of the World« (etwa: Weltgeschichte von unten) fließen seine vielen Recherchen zusammen. Es umfasst historische Abläufe von den Urgesellschaften bis heute. Den Leserinnen und Lesern wollte er vermitteln, dass Geschichte von unten verändert wurde – und verändert werden kann.
marx21 wurde durch Chris‘ politische Theorie mitgeprägt. Auf dem Kongress »Marx is‘ Muss« im Jahr 2007 hielt er Vorträge zur deutschen Revolution und zur Politik der KPD. Chris hat Geschichte und Theorie lebendig, verständlich und zugänglich gemacht. Wir werden seinen Beitrag schmerzlich vermissen.
Mehr auf marx21.de:
- »Ich bin tief beschämt«: Gáspár Miklós Tamás, prominenter ungarischer Dissident und heute Philosophieprofessor in Budapest, sprach mit Chris Harman über die Entwicklungen in Osteuropa seit dem Sturz des Stalinismus
- Die zwei Gesichter des John Maynard Keynes: Rechte wie linke Wirtschaftwissenschaftler preisen Keynes als Antwort auf die Krise. Doch seine Theorien lassen radikalere Schlüsse zu: Die Wirtschaft muss vom Kapitalismus befreit werden, meint Chris Harman.
- Die Chaoslinien von morgen: Die Immobilienkrise in den USA hat sich zu einer weltweiten Finanzkrise ausgeweiten. Chris Harman beleuchtet die Hintergrund der Krise
- »Die herrschende Ordnung wurde erschüttert«: Kürzlich ist Chris Harmans Buch »1968 – eine Welt in Aufbruch« auf Deutsch erschienen. Stefan Bornost sprach mit dem Autor über sein Werk und die Situation heute.
Mehr von Chris Harman:
Publikationen von Chris Harman:
- 1968 – Eine Welt im Aufruhr. Bestellung über edition.aurora [at] yahoo.de. Preis: 13,80 Euro plus Versand
- Die verlorene Revolution. Deutschland 1918-1923. Bestellung über edition.aurora [at] yahoo.de. Preis: 16 Euro plus Versand
- Imperialismus. Vom Kolonialismus bis zu den Kriegen des 21. Jahrhunderts. Bestellung über edition.aurora [at] yahoo.de. Preis: 6,50 Euro plus Versand
- Der politische Islam – Eine marxistische Analyse. Bestellung über edition.aurora [at] yahoo.de. Preis: 2,50 Euro plus Versand