Die Jubiläumskampagne des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu 100 Jahren Frauenwahlrecht ist ärgerlich und geschichtsklitternd, meint Janine Wissler
Die Bundesregierung ist offenbar der Ansicht, dass das Frauenwahlrecht allein von sozialdemokratischen, konservativen und liberalen Frauen erkämpft wurde.
Die Kampagne zum 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts wird mit den Gesichtern von vier Frauen geführt, die auf Postkarten, Flugblättern und Tragetaschen abgebildet werden: Elisabeth Selbert und Marie Juchacz (beide SPD), Helene Lange (Deutschen Demokratische Partei) und Helene Weber (Zentrumspartei und später CDU).
Sozialistinnen werden ausgeblendet
Es geht nicht darum, deren Einsatz zur Gleichstellung von Frauen zu schmälern, insbesondere den der Sozialdemokratinnen. Aber die sozialistischen und radikalen Strömungen der Frauenbewegung auszublenden, ist eine Frechheit und historisch falsch.
Es waren Frauen wie Clara Zetkin, Anita Augspurg und Rosa Luxemburg, die damals die Frauen- und die Friedensbewegung geprägt haben und für ihre Überzeugung ins Gefängnis gesperrt wurden (Zetkin und Luxemburg).
Gerade Clara Zetkin hat Zeit ihres Lebens für Frauenrechte gekämpft, erst in der SPD, danach gehörte sie als Abgeordnete der KPD dem Reichstag an, bis sie 1933 vor den Nazis flüchten und ins Exil gehen musste.
Parteipolitisch geprägte Geschichtsschreibung
Auf der Homepage der Kampagne wird Clara Zetkin wenigstens erwähnt, aber offenbar möchte das Bundesministerium nicht, dass die Menschen mit einem Porträt von ihr auf einem Tragebeutel herumlaufen. Ob Zetkin selbst Wert darauf gelegt hätte, ist fraglich.
An die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren zu erinnern, muss alle Strömungen der Frauenbewegung abbilden mit ihren Unterschieden, Konflikten und Widersprüchen.
Maßgebliche Strömungen auszublenden, ist eine parteipolitisch geprägte Geschichtsschreibung und eine Vereinnahmung, die dem Mut und den Errungenschaften dieser Frauen nicht gerecht wird.
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Schlagwörter: Clara Zetkin, Feminismus, Frauenbewegung, Inland, Rosa Luxemburg