Die Benennung von Andrej Holm zum Staatssekretär war ein Angriff auf den Berliner Immobilienfilz, seine Absetzung ein Lehrstück in Sachen politischer Hexenjagd. Von Kerstin Wolter
Er kam. Sah. Und ging. Andrej Holm war fünf Wochen Staatssekretär von Berlin. Unter der LINKEN Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, sollte er die so dringend benötigte Wende in der Berliner Mietenpolitik einleiten. Seine Benennung war eine Kampfansage der LINKEN an die Immobilienwirtschaft und sie wurde auch so verstanden. Andrej Holm ist nicht nur ein bekannter kritischer Wissenschaftler, der an der Humboldt-Uni lehrte und forschte. Er war zugleich immer auch stadtpolitischer Aktivist und eng verbunden mit den Mieterschutzinitiativen der Stadt. Mit seiner Studie über Aufwertung und Verdrängung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg hat er die Auswirkungen neoliberaler Stadtpolitik mit allen unschönen Details herausgearbeitet. Für diese Entwicklungen brachte er ein neues Wort in die deutschsprachigen Wissenschaften: Gentrifizierung. Ein Begriff, der ihm schon bald zum Verhängnis werden sollte.
Nicht die erste Hexenjagd auf Holm
Aufgrund der Verwendung des Ausdrucks »Gentrification« in einem Flugblatt der »militanten Gruppe« wurde er anderthalb Jahre vom BKA überwacht und am Ende sogar inhaftiert. Aufgrund mangelnder Beweise wurde er jedoch kurz darauf wieder freigesprochen. In einem Interview in der taz, das er kurz nach seinem Freispruch führte, sprach er 2007 erstmals über seine Stasi-Vergangenheit. Damals war das weder an der Humboldt-Universität, für die er schon seit zwei Jahren arbeitete, oder sonst wen eine Fußnote wert.
Der Fall zeigt, Andrej Holm ist nicht das erste Mal Opfer einer politischen Hexenjagd. Nach seiner Freilassung machte er weiter – sowohl mit der Forschung als auch den mietenpolitischen Aktivitäten. Nicht zuletzt deshalb jubelten die Mietenaktivistinnen und -aktivisten Berlins, als DIE LINKE bekannt gab, Andrej Holm als Staatssekretär einzusetzen. Denn was Holm vorhatte, war ein stadtpolitisches Umverteilungsprogramm. Ein paar der wichtigsten politischen Ziele Holms waren: 1. Ein Zweckentfremdungsverbot voranbringen, das nicht nur gegen Ferienwohnungen, sondern gegen spekulativen Leerstand insgesamt wirksam ist. 2. Den Milieuschutz ausweiten und das Vorkaufsrecht stärker nutzen, um den Wohnungsbau anzukurbeln. 3. Den Bestand bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften erhöhen und die Sozialwohnungen erhalten. Die gerade beschlossene Aussetzung der Mieterhöhung im Sozialen Wohnungsbau wurde bereits in seiner kurzen Amtszeit vorbereitet. Im Grunde alles Punkte, die bereits Einzug in den gemeinsamen Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und LINKE gefunden haben. Warum also all die Aufregung um die Besetzung des Staatsekretärpostens mit dem kritischen Stadtsoziologen? Warum hat Bürgermeister, Michael Müller, Holm am Ende fallen lassen?
Die SPD und der Immobilienfilz
Eine der ersten Forderungen nach einem Rücktritt Holms kamen aus den eigenen Reihen: Sven Kohlmeier, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, Holm sei für ihn nicht mehr tragbar. Interessant ist, dass Kohlmeier auch als Anwalt in einer kleinen Kanzlei arbeitet, die laut Website auch bei »Investitionen [und dem] Erwerb von Wohnimmobilien zur Eigennutzung oder Kapitalanlage« behilflich ist. Die Verbindungen zwischen SPD und der Berliner Immobilienwirtschaft sind keine Neuigkeit. Eine sehr ausführliche Analyse zu den Verstrickungen ehemaliger Bausenatoren und der Immobilienbranche nahm Ralf Schönball im Tagesspiegel vor. Doch müssen wir gar nicht weit in die Vergangenheit schauen, um ein schillerndes Beispiel zu finden. So flog erst im vergangenen Frühjahr auf, dass die SPD gestückelte Spenden des Bauunternehmers Klaus Groth erhalten hatte. Jedes Mal genau 9.950 Euro – und damit knapp unter der Transparenzpflichtstelle von 10.000 Euro. Interessanterweise flossen die Spenden auch direkt in den Wahlkreis des bis vor kurzem amtierenden Bausenators, Andreas Geisel (SPD). Die Groth-Gruppe, hatte vor kurzer Zeit die Absicht, den Mauerpark in Prenzlauer Berg, um eine Parkfläche und Wohnflächen zu erweitern. Der Bezirk Pankow hatte bereits ein Bürgerbegehren genehmigt, als Geisel das Bebauungsverfahren von der Bezirks- auf die Senatsebene hievte – und damit außerhalb des Einflussbereichs der Bürgerinitiativen. Nicht der einzige Fall dieser Art. Zufall? Geisel stritt jegliche Verbindungen ab.
Doch so zentral Holms mietenpolitische Rolle für seine Befürworter ist, so wenig war sie es in der öffentlichen Diskussion um seine Eignung als Staatssekretär. Medial und öffentlich wurde allein seine begonnene viermonatige Ausbildung als Offiziersschüler in der Bezirksverwaltung Berlins des Ministeriums für Staatssicherheit problematisiert. Ein immer noch hochsensibles Thema – vor allem für DIE LINKE. Auch wenn die Partei heute nicht mehr viel mit ihrer DDR-Quellpartei, der SED, gemein hat.
Richtungswechsel in der Mietenpolitik
Historisch gesehen kommt der Aufschrei um die Stasivergangenheit Holms jedoch ziemlich überzogen daher. So wurde mit der Vergangenheit ehemaliger NS-Verbrecher oft weniger aufmerksam umgegangen. Nicht wenige NS-Schergen erhielten nach dem zweiten Weltkrieg in Westdeutschland herausragende Positionen im Staatsdienst (sic!). So wurde der ehemalige NS-Marinerichter, Hans Filbinger, später Ministerpräsident in Baden-Württemberg (CDU). Hans Globke, Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze, wurde unter Adenauer Chef des Bundeskanzleramts. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung sieht anders aus. Es scheint eine Frage von Kräfteverhältnissen zu sein, wer sich aufgrund ihrer oder seiner Taten in der Vergangenheit, heute behaupten muss. Und anscheinend ist es auch eine Frage des Ermessens, ob die viermonatige Anstellung eines 18-jährigen im MfS schwerer wiegt, als die Mitarbeit am Holocaust.
Eine Frage von Kräfteverhältnissen wird es auch sein, ob der mietenpolitische Richtungswechsel der Rot-Rot-Grünen Koalition auch ohne Andrej Holm kommt. Er wird auch davon abhängen, wie viel Druck von außen auf die Koalition ausgeübt wird. Die unzähligen Solidaritätsbekundungen, die Andrej Holm in den letzten Wochen erhalten hat, lassen hoffen. Derzeit besetzen Studierende der Humboldt-Universität das Sozialwissenschaftliche Institut und fordern Holms Verbleib als Hochschuldozent. Der Kampf um eine gerechte Stadt für alle beginnt jetzt.
Kerstin Wolter studierte Geographie mit Schwerpunkt Stadtpolitik an der HU Berlin. Sie war zwei Jahre Bundesgeschäftsführerin von Die Linke.SDS und ist heute wissenschaftliche Mitarbeiterin der LINKEN-Vorsitzenden Katja Kipping.
Foto: Rosa Luxemburg Stiftung–New York Office
Schlagwörter: Berlin, Besetzung, Holm, Immobilienfilz, Immobilienwirtschaft, Inland, Mieten, Mietenpolitik, Rot-Rot-Grün, sozialer Wohnungsbau, Sozialwohnungen, SPD, Stadtpolitik, Stasi, Wohnungspolitik