Seit Wochen streiten Politiker verschiedener Parteien darüber, ob ein erneuter Versuch möglich ist, die rechtsradikale NPD zu verbieten. Sollte man auch als Linker ein solches Verbot fordern? Unsere beiden Autoren sind sehr unterschiedlicher Meinung
Menschenfeinde müssen bekämpft werden
Von Michael Bruns
Die NPD wehrt sich in ihrem Parteiprogramm gegen »einseitige geschichtliche Schuldzuweisungen zu Lasten Deutschlands« und einen »Schuldkult (…) im Dienst fremder Finanzinteressen«, nennt die alliierten Mächte des Zweiten Weltkriegs Kriegsverbrecher und bezeichnet den 8. Mai 1945 als »Tag der Niederlage«. Die Feindbilder des deutschen Nationalsozialismus leben in der NPD weiter.
Die Partei ist gefährlich. Sie hat 2011 die DVU durch Fusion aufgenommen und verfügt über großen Einfluss auf zahlreiche freie Kameradschaften in ihrem Umfeld und rechtsterroristische Kreise. Bei einer Razzia im Raum Dortmund wurden im August 2012 NPD-Wahlplakate bei Mitgliedern von Freien Kameradschaften gefunden. NPD-Mitglieder sollen den NSU, der acht türkischstämmige und einen griechischen Kleinunternehmer ermordete, mit Waffen, Geld und Ausweisen versorgt haben. Die NPD ist der Kopf des Faschismus in Deutschland und muss zerschlagen werden.
Mehr demokratische Rechte
DIE LINKE kämpft für die Verteidigung und Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten. Wer eine Welt ohne Krieg, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung will, ist kein Verbrecher. Wer möchte, dass Arbeit, Produktion und Reichtum umverteilt und demokratisch kontrolliert werden, wer also mehr Demokratie wagen möchte, der ist kein Menschenfeind. Doch wer wie Nazis Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Abstammung, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Hautfarbe aus der Gesellschaft ausschließen will, der ist zu bekämpfen.
Wir müssen uns dagegen wehren, wenn versucht wird, Nazis und Linke durch den Begriff »Extremismus« gleichsam zu ächten. Manche Linke haben Angst, selber von einem Verbot getroffen zu werden und fordern deshalb auch kein NPD-Verbot. Ich finde es falsch, aus Angst vor der Wahrheit davonzulaufen, vor der Totalitarismusdoktrin aus Furcht zu kapitulieren oder diese indirekt anzuerkennen.
Steuergelder für Nazis
Die NPD darf nicht weiter mit Steuergeldern aufgepäppelt und genährt werden. Sie kassiert jährlich allein 1,3 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Aber nicht nur ihre Wahlkämpfe, sondern auch die Abgeordneten, Mitarbeiter, Bürgerbüros und Dienstwagen werden aus öffentlichen Töpfen bezahlt. Die Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern kassiert jährlich 600.000 Euro, die sächsische Fraktion sogar mehr als 1,3 Millionen Euro für ihre braune Parlamentsarbeit. In Sachsen begehrt die NPD zudem die Finanzierung ihrer Stiftung »Bildungswerk für Heimat und nationale Identität.«
Die Gelder, die an die V-Leute des »Verfassungsschutzes« fließen, stellten die Grundfinanzierung der NPD in Nordrhein-Westfalen sicher, wie der Ex-V-Mann Wolfgang Frenz im Stern erklärte. Das Abschalten der V-Leute und das Verbot der NPD würden den Nazis den Geldhahn zudrehen. Sie könnte ihre menschenverachtende und völkische Propaganda nicht mehr auf Rechnung der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen verbreiten.
Der Alliierte Kontrollrat verbot im Jahr 1945 Hitlers NSDAP. Die Bestimmungen zur »Befreiung des deutschen Volkes von Faschismus und Militarismus« sollen nach Artikel 139 des Grundgesetzes weiter gelten. Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. In Deutschland gelten auch vor diesem geschichtlichen Hintergrund Einschränkungen für Nazis, die es in anderen Ländern nicht gibt, und die im Kampf gegen Faschisten nützlich sein können.
Zur Person:
Michael Bruns ist Mitglied des Bundesausschusses der LINKEN.
Verbote sind keine Lösung
Von Lisa Hofmann
Immer dann, wenn sich der Staat gezwungen sieht, etwas gegen rechten Terror und Gewalt zu unternehmen, wird die Forderung nach einem Verbot der NPD auf die politische Tagesordnung gesetzt. Anschließend wird wochenlang in den Medien darüber diskutiert, welcher Teil des Verfassungsschutzes seine V-Männer aus welchen Gründen nicht aus den Strukturen der Nazipartei abziehen kann oder will und wie sich welches Bundesland im Bundesrat zu einem Verbotsverfahren verhalten wird.
So geschah es jetzt auch, nachdem das Ausmaß des Terrors des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) bekannt wurde. Allerdings stellt sich gerade bei diesem Vorgehen die Frage, ob der Staat, der jahrzehntelang das Morden und den Terror des NSU geduldet hat, überhaupt ein verlässlicher Partner im Kampf gegen die Nazis ist. Die Landesregierungen, die einem NPD-Verbot zustimmen, haben trotzdem kein Problem damit, antifaschistischen Initiativen die Mittel zu kürzen, sie durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen und ihre Arbeit mittels der sogenannten Extremismusklausel noch weiter zu erschweren.
Meinungen lassen sich nicht verbieten
Ein NPD-Verbot würde zwar dazu führen, dass keine Steuergelder in Form von Wahlkampfrückerstattungen mehr in Nazistrukturen flößen. Es würde allerdings nicht viel an dem Bewusstsein der Menschen ändern, die diese Partei aus einer rechten Überzeugung heraus gewählt haben oder Mitglied waren. Diese Menschen werden sich wahrscheinlich eine andere Partei suchen, von der sie annehmen, dass sie ihre Einstellungen vertritt.
Politische Überzeugungen lassen sich nicht verbieten. Deshalb ist es effektiver, den Nazis zu zeigen, dass sie in der eigenen Stadt, Schule oder Universität nicht willkommen sind und ihre Aufmärsche mit breiten Bündnissen zu blockieren. Damit macht man nicht nur deutlich, dass man die menschenverachtenden Ansichten der Nazis ablehnt, sondern auch, dass sie nicht mehrheitsfähig sind. Außerdem nehmen Blockaden den Rechten den Triumph, durch die Innenstädte marschieren zu können. Letztendlich werden wir die Nazis jedoch nur schlagen können, wenn wir soziale Bedingungen schaffen, auf denen ihr Gedankengut gar nicht erst gedeihen kann.
Verbote richten sich gegen Linke
Eine weitere Gefahr in der Debatte über das NPD-Verbot besteht in der Konstruktion der »wehrhaften Demokratie«, die ihre freiheitlich demokratische Grundordnung gegen extremistische Gruppierungen verteidigen müsse. Zu diesen Verteidigungselementen gehört neben Parteienverboten auch der Verfassungsschutz. Die Annahme, dass es innerhalb demokratischer Staaten eine politische Mitte und rechts und links davon extremistische Ränder gibt, die eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellen und dementsprechend bekämpft werden müssten, birgt zwei große Gefahren. Die eine besteht darin, die auch innerhalb der politischen Mitte vorhandene rechte und menschenfeindliche Orientierung zu übersehen – oder noch schlimmer: sie in Ordnung zu finden. Dabei sind es diese Einstellungen, die Hetzern wie Thilo Sarrazin erst den nötigen Resonanzboden verschaffen.
Zum anderen stellt dieses Modell eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus dar, die vermeintlich beide gleichermaßen den Staat bekämpfen wollen. Daher seien auch sie vom Staat zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund kann es passieren, dass man im Kampf gegen Nazis ein starkes Durchgreifen des Staates fordert, sich dieses Vorgehen aber bei der nächsten Gelegenheit gegen die eigenen Organisationen richten kann. So fordern beispielsweise regelmäßig CDU- und CSU-Abgeordnete ein Verbot der Linkspartei.
Zur Person:
Lisa Hofmann ist Mitglied im Landesvorstand der hessischen LINKEN.
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