In deutschen Krankenhäusern fehlen 162.000 Stellen, allein 70.000 in der Pflege. Die Große Koalition wird den Kostendruck im Gesundheitsbereich noch verschärfen. Strategien gegen diese kranken Zustände entwickelt ein Ratschlag der Linksfraktion
Interview: Carla Assmann
Am 27. Juni veranstaltet die Linksfraktion in Kassel einen bundesweiten Krankenhausratschlag. Worum geht es dort?
Harald Weinberg: Seit zwanzig Jahren werden Krankenhäuser unter massiven Sparzwang gesetzt. Besonders betroffen ist die Pflege. Es gibt keine Obergrenze dafür, wie viele Patientinnen und Patienten eine Pflegekraft betreuen darf. Dementsprechend muss immer weniger Personal immer mehr Patienten versorgen. Zwischen 1995 und 2012 wurden in allgemeinen Krankenhäusern 37.000 Pflegestellen abgebaut – im gleichen Zeitraum stieg aber die Zahl der jährlichen Krankenhausaufenthalte um 2,4 Millionen. Im BWL-Sprech heißt das dann: »In Deutschland wird ein Krankenhausfall mit relativ geringem personellen Input produziert«. So formulierte es ein Professor für »Management im Gesundheitswesen«. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein Pflegenotstand, der die Gesundheit von Patienten und Beschäftigten gefährdet.
Kann man denn nichts dagegen tun?
Doch, an der Berliner , dem größten Universitätsklinikum in Europa, findet gerade eine einzigartige Tarifbewegung statt: Die Kolleginnen und Kollegen fordern nicht mehr Geld, sondern mehr Pflegekräfte für die Patientinnen und Patienten. Ihr Motto lautet: »Mehr von uns ist besser für alle!« Diese Auseinandersetzung macht Mut: Gesundheitsarbeiterinnen können etwas gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen tun, wenn sie sich organisieren und kollektiv zur Wehr setzen. Zahlreiche gewerkschaftliche Betriebsgruppen in anderen Krankenhäusern wollen ähnliche Wege gehen. Genau so lassen sich die stetigen Verschlechterungen umkehren. Die Beschäftigten müssen für ihre Interessen streiten – und streiken. Das neoliberale Gesundheitssystem wird nur durch breit geführte Auseinandersetzungen angreifbar.
Was ist das Ziel der Konferenz?
Ver.di fordert – ebenso wie DIE LINKE – eine gesetzliche Personalbemessung für alle Krankenhäuser. Ohne massiven Druck von unten, ohne eine Ausweitung der Tarifbewegungen für mehr Personal, wird es eine solche Regelung aber nicht geben. Durch den Krankenhausratschlag wollen wir unterschiedliche gewerkschaftliche und politische Strategien zusammenführen und gemeinsam nächste Schritte entwickeln. Dabei geht es nicht nur um die Beschäftigten, denn gute Arbeitsbedingungen in der Pflege sind auch im Interesse der Patienten. Arbeitskämpfe im Krankenhaus sind immer auch Kämpfe um die öffentliche Meinung, deswegen ist Bündnis- und Öffentlichkeitsarbeit hier besonders wichtig.
Und wer kann teilnehmen?
Wir wollen die Auseinandersetzungen für eine bundesweite Personalbemessung mit den Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen gemeinsam führen. Neben Betriebs- und Personalräten, Gewerkschaftssekretären und Beschäftigten in Krankenhäusern sind alle herzlich eingeladen, die sich als (potenzielle) Patienten, Unterstützerinnen und Unterstützer in die Auseinandersetzungen einmischen wollen. Auch diejenigen, die sich in der gerade entstehenden Bewegung »Pflege am Boden« engagieren, möchten wir ansprechen. Für betriebliche Interessenvertretungen wurden Anträge auf Anerkennung als Bildungsveranstaltung gestellt.
Was wird auf der Konferenz besonders interessant?
Ich bin sehr gespannt, wie in den Workshops der Austausch über die unterschiedlichen Ansätze und Strategien verläuft. Ich hoffe, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer viele Anregungen und neue Motivation für die bevorstehenden Kämpfe gewinnen. Auch auf die Grundsatzreferate von unserem Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und meinem ehemaligen Hochschullehrer Frank Deppe freue ich mich.
Pflege am Boden?
Politische und gewerkschaftliche Strategien gegen den Pflegenotstand in Krankenhäusern
Ratschlag der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
Freitag | 27. Juni 2014 | 11 bis 17 Uhr
Philipp-Scheidemann-Haus | Holländische Str. 72–74 | Kassel
Informationen und Anmeldung unter: www.linksfraktion.de/krankenhausratschlag
Unter anderem mit:
Bernd Riexinger (Vorsitzender DIE LINKE)
Sylvia Bühler (ver.di, Leiterin des Bundesfachbereichs Gesundheit und Soziales)
Harald Weinberg (MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE)
Jutta Krellmann (MdB, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE)
Pia Zimmermann (MdB, pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE)
Sabine Zimmermann (MdB, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE)
Frank Deppe (Prof. für Politikwissenschaft)
Herbert Weisbrod-Frey (ver.di, Bundesfachbereich Gesundheit und Soziales)
Betriebs- und Personalräten aus Krankenhäusern
Pflegestreik.de
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Foto: SAV Sozialistische Alternative
Schlagwörter: Gewerkschaft