Die NPD wollte Tausende zu ihrem »Fest der Völker« mobilisieren. Durchgekommen sind nur ein paar Hundert Nazis. Volkhard Mosler und Philipp Gliesing waren bei den Anti-Nazis-Proteste und Blockaden gegen die NPD dabei. Sie berichten aus Pößneck.
Unter dem Motto: »Gegen Kapitalismus – für Nationalen Sozialismus« hatte die Jenaer NPD für den vergangenen Samstag zum vierten sogenannten »Fest der Völker« aufgerufen. Zu dem »Fest« hatte sie 1500 bis 2000 Teilnehmer erwartet. Durchgekommen ins alte Schützenhaus, das sich im Besitz des NPD Funktionärs Rieger befindet, sind gerade einmal 470 (laut Polizeiauskunft). Örtlich und regional hatte sich schon in den letzten Jahren Widerstand formiert, der auch teilweise erfolgreich war. Der Pößnecker Bürgermeister und der Stadtrat hatten zu Gegenprotesten aufgerufen und zu diesem Zweck eine »Meile der Demokratie« im Zentrum von Pößneck (Thüringen) veranstaltet. Aus der Meile wurden etwa 200 bis 300 Meter mit Ständen, Kinderhüpfburgen und einer aufblasbaren evangelischen Kirche. Allerdings hatten sich kaum Pößnecker Bürger dort sehen lassen.
Die erste Protestaktion des Tages begann um 8 Uhr in Form einer antifaschistischen Kundgebung, die von der zukünftigen Landtagsabgeordneten Katharina König (DIE LINKE) aus Jena angemeldet worden war. Unter dem Motto »Gegen rechte Zentren und bürgerliche Ignoranz« zogen 300 entschlossene Antifas zum Schützenhaus. Mit dieser Aktion hoben sich die Thüringer Antifa-Gruppen bewusst von bürgerlichen Protestaktionen ab. Hintergrund ist der Versuch, eine Debatte über die Einteilung in »böse und gute Demonstranten« von Seiten staatlicher Organe herbeizuführen. Zunächst sah es nach der üblichen Spaltung aus: hier (Meile der Demokratie) mit dem staatsgläubigen Flügel der Bewegung und dort der militante schwarze Block, der aber politisch zu schwach ist, etwas gegen die Polizeikräfte auszurichten. Auf der Meile der Demokratie traten gegen zehn Uhr die führenden Vertreter der vier Landtagsparteien von Grünen, CDU, SPD und LINKE vor die Mikrofone, ebenso die Bürgermeister von Pößneck und Jena.
Im Laufe des Vormittags änderte sich jedoch das Bild, nicht zuletzt durch die Ankunft mehrerer Busse aus Jena unter Führung des Aktionsnetzwerk Jena – ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss, der aus den Protesten gegen das europäische Nazitreffen entstanden ist. Es bildeten sich erfolgreich Straßenblockaden an drei strategischen Zufahrtsstraßen in unmittelbarer Nähe des Schützenhauses mit jeweils ca. 200 Teilnehmern. Auch die politische Zusammensetzung änderte sich. Es dominierten nicht mehr schwarze Blöcke, sondern bunte Gruppen, die aber durchaus planmäßig vorgingen. Auch die politischen Ansprachen über Megafone änderten sich. Die Blockaden richteten sich gegen die Nazis, nicht gegen die Polizei. Die Blockierenden erklärten: »Es werde keine Gewalt gegen die Polizei geben«. Trotzdem kam es zu Gewalttätigkeiten der Polizei gegen Protestierende, wobei einige Menschen verletzt wurden. Die Veranstalter der Meile der Demokratie solidarisierten sich mit der Blockade, indem sie gegen 11 Uhr in einem kleinen Demozug zum Rockfest der Neonazis aufbrachen und sich dort zeigten. Allerdings blieben sie leider nicht, sondern verließen die Blockade ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als es dort nach Konfrontation mit der Polizei aussah. Die Blockaden hielten dann bis in den Nachmittag hinein, wuchsen dabei eher noch an. Gegen 16 Uhr formierte sich dann – nach längeren Verhandlungen mit der Polizei – ein Demonstrationszug durch die Innenstadt hin zur Meile der Demokratie. Angeführt wurde der Demozug durch einen Lautsprecherwagen der Jenaer IG Metall und Bürgerbündnisse aus Erfurt, Jena und Weimar. Auch das war ein richtiger Schritt – die demonstrative Einheit mit den Veranstaltern der Meile der Demokratie, die dann den »gemeinsamen Sieg« auch feierten.
Gut angekommen wäre, wenn Bodo Ramelow (der Spitzenkandidat der LINKEN) sich nicht nur kurz an der Blockade gezeigt hätten, sondern dort bis zum Ende demonstrativ geblieben wäre. Denn der Erfolg besteht darin: Wie kann der politische Preis für eine gewaltsame Auflösung der Blockaden für die Polizeiführung (und Innenminister) hochgeschraubt werden? Die Teilnahme politischer und sonstiger Prominenz ist aus politischen und »moralischen« Gründen dabei von großer Bedeutung. Sie ermutigt auch »normale« Bürger/innen mit zu blockieren und Mut zu entwickeln. Ein Sprecher des Aktionsnetzwerk Jena wertete die Blockaden als relativen Erfolg. Zwar habe man das »Fest der Völker« nicht verhindern können, aber die Blockaden hätten mit dazu beigetragen, dass die NPD in Pößneck weit unter ihren Erwartungen blieb. Das Fest war daher politisch und finanziell ein Misserfolg für sie. Von der LINKEN ist die Linksjugend Solid Gruppe aus Pößneck zu erwähnen, die die Blockade von Beginn bis Ende aktiv unterstützt hat.
Insgesamt: Ein ermutigender Schritt im Kampf gegen einen Nazi-Aufmarsch 2010 in Dresden. Es geht jetzt darum, ein breites Bündnis in Dresden, in Sachsen und in ganz Deutschland aufzubauen, in der die LINKE einen aktiven, vorwärts treibenden Part übernimmt. Die Blockaden werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie politisch breit und entschlossen sind. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Niemand streitet mehr den faschistischen Charakter der NPD ab. Im Gegenteil, die neuerliche Verbotsdiskussion zeigt, dass die NPD es zur Zeit so arg treibt, dass es für die bürgerliche Demokratie peinlich wird. Der staatsgläubige Flügel der antifaschistischen Bewegung (SPD, große Teile der Gewerkschaften, Jusos usw.) kommen unter Druck, abseits zu stehen, wenn es die Linke politisch richtig anpackt. Getrennt »marschieren«, vereint schlagen. Das Ziel muss ein breiter gemeinsamer Protest von Gewerkschaften, SPD, Grüne und LINKE sein. Sie müssen gemeinsam zu gewaltfreien, aber entschlossenen Blockaden in Dresden aufrufen. Für Dresden gilt: Sie werden nicht durchkommen! Ein Schlachtfest der Völker war schon zu viel.
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