Angehörige von Opfern des 11. September sind seit langem in der US-Antikriegsbewegung aktiv. Eine von ihnen, Kelly Campbell, ist nach Berlin gekommen, um auf der Demonstration für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu sprechen.
Kelly Campbell hat einen einfachen Grund, die Kriege in Afghanistan und Irak abzulehnen: „Ich will nicht, dass andere Familien das durchmachen müssen, was wir durchgemacht haben.«
Ihr Schwager Craig Amundson wurde am 11. September 2001 im Pentagon getötet. Er diente als Soldat im US-Verteidigungsministerium. Wie viele US-Soldaten, die jetzt im Irak oder Afghanistan kämpfen, ging er zum Militär, weil er finanziell und sozial nicht abgesichert war.
„Er hatte eine Familie mit einem Kind, ein zweites war unterwegs, aber er hatte keine Krankenversicherung,“ berichtet die junge US-Amerikanerin. Die Anwerber versprachen, dass die Armee sich darum kümmern würde.
Nach Craigs Tod gründeten Kelly und ihr Mann Barry mit Familien von anderen Opfern des 11. September die Organisation „Eleventh September Families for Peaceful Tomorrows“ (Familien des 11. September für eine friedliche Zukunft). Schon im Januar 2002 reiste Kelly mit anderen Mitgliedern von „Peaceful Tomorrows“ für 10 Tage nach Afghanistan.
Zur falschen Zeit am falschen Ort
„Wir haben Familien getroffen, deren Häuser zerstört wurden. Wir haben Kinder im Krankenhaus besucht, die durch US-Streubomben Gliedmaßen verloren haben, und mit Hinterbliebenen gesprochen. Unsere Angehörigen hatten etwas gemeinsam: Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort.“
Jetzt ist Kelly aus dem US-Bundesstaat Oregon nach Berlin gekommen, um auf der Demonstration für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu sprechen. Die US-Kriegsgegner können von der deutschen Antikriegsbewegung lernen, hofft sie.
In den USA selbst wird der Krieg in Afghanistan seit langem vom der katastrophalen Entwicklung im Irak überschattet. Auch das größte US-amerikanische Antikriegsbündnis „United for Peace and Justice“ (Gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit), in dessen Führung Kelly mitarbeitet, ist ausdrücklich gegen den Krieg im Irak gegründet worden.
Doch Kelly meint, dass die beiden Feldzüge zusammenhängen: „Der Krieg in Irak gründet auf dem Mythos, dass es in Afghanistan möglich gewesen sei, ein Land in die Demokratie zu bomben und dass es deswegen auch im Irak klappen müsse.“
Kein Büro für die Frauenministerin
In Afghanistan hat die junge Frau selbst gesehen, dass etwa zum Thema Frauenbefreiung vor allem Lippenbekenntnisse abgegeben werden. Sie traf die afghanische Frauenministerin in ihrem Privathaus – anders den anderen Regierungsmitgliedern hatte man ihr kein Büro eingerichtet.
Je deutlicher es wird, dass die US-Armee dem Irak weder Demokratie noch Freiheit bringt, desto mehr wächst die Skepsis über die Lage in Afghanistan – wenn auch erst langsam, meint Kelly. Beim Krieg im Irak ist die Stimmung bereits seit langem gekippt. Nach anfänglicher Unterstützung sind inzwischen 70 Prozent der US-Bürger für einen Rückzug aus dem Irak.
Besonders wichtig ist, dass immer mehr Irakveteranen und Angehörige getöteter Soldaten sich öffentlich gegen den Krieg aussprechen, findet sie. Was würde geschehen, wenn die Bundeswehr sich tatsächlich aus Afghanistan zurückziehen müsste? „Ich denke, dass wäre ein Weckruf“, meint Kelly. Sie hat miterlebt, dass es jedesmal Aufsehen erregte und mehr Ablehnung schuf, wenn in den letzten Jahren ein Land – wie etwa Spanien – seine Truppen aus dem Irak zurückzog.
(Jan Maas)
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>> Rede von Kelly Cambell auf der Demonstration (PDF, 49 KB)