Die Truppen des libyschen Diktators Gaddafi drängen die Aufständischen immer weiter zurück. Die britische und französische Regierung drängen weiter auf eine Flugverbotszone, die US-Regierung und Saudi-Arabien denken über Waffenlieferungen an die Opposition nach. Doch jedes militärische Eingreifen schadet den Libyern, meinen Christine Buchholz und Paul Grasse
Die libysche Opposition wehrt sich zu Recht gegen Gaddafi. Armut und Arbeitslosigkeit, die Brutalität des Regimes und ungerechte Verteilung der Profite aus dem Öl steigerten über die Jahre den Unmut unter der Bevölkerung. Proteste schlug Gaddafi immer wieder so nieder wie jetzt die Revolte: mit Gewalt. Es ist daher nachvollziehbar, dass militärische Maßnahmen gegen den Diktator von einigen als Ausweg gesehen werden. Beispielsweise hatte der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Europäischen Parlament Lothar Bisky eine Resolution mit eingebracht, die ein militärisches Eingreifen in Libyen nicht ausschließt. Weder beim Rest der Europafraktion, noch in der Partei oder der Bundestagsfraktion erntete Bisky Zustimmung. Zu Recht, denn militärische Maßnahmen sind ein Hindernis für die Befreiung der Libyer.
Die libysche Opposition ist nicht nur militärisch schwach. Sie ist politisch zersplittert und verstreut. Wegen fehlender Kommunikationsmittel kann sie sich kaum koordinieren. Der seit Wochen währende Bürgerkrieg gegen Gaddafi mündete nicht in eine breite Aufstandsbewegung, weder in Tripolis noch in anderen Städten. Anders als in Ägypten oder Tunesien blieben die entscheidenden Arbeiter- und Massenproteste auf den Straßen aus. Aus dem vorhandenen Widerstand wurde ein bewaffneter Aufstand, der zwar vielerorts Gaddafis Truppen vertreiben konnte, dem aber die Basis wegbrach.
Mehr Waffen im Land
Diese Schwäche der Rebellion in Libyen kann weder durch eine Flugverbotszone noch durch Waffenlieferungen an die Rebellen ausgeglichen werden. Im Gegenteil: Letztere von den USA und Saudi-Arabien diskutierte Option wird die Asymmetrie nicht beenden, sondern nur zu immer mehr Waffen im Land führen. Jede Forderung nach der Lieferung von Waffen an die Opposition kann nur an Staaten gerichtet sein, denn nur Staaten haben das Geld, entsprechend große Waffen überhaupt zu bezahlen und nur sie können Kriegswaffen erwerben.
Waffenlieferungen an die Opposition würden damit der Anschuldigung Gaddafis, das Ausland stecke hinter dem Aufstand, Glaubhaftigkeit verleihen. Gaddafi würde das ausnutzen, um mehr Gewalt zu rechtfertigen. Vielleicht könnte er sogar Bürgerkriegsparteien aus den afrikanischen Nachbarländern zu einem Eingreifen auf seiner Seite bewegen. Auch manche Gegner westlicher Kriegseinsätze würden eher Gaddafi unterstützen als eine vom Westen aufgerüstete Opposition.
Bomben auf Zivilisten
Gleiches gilt für eine Flugverbotszone. Dazu kommt: Die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen beginnt mit einem Angriff. Denn die Zerstörung der libyschen Flugzeuge und Flugabwehrgeschütze ist die Voraussetzung für eine solche Maßnahme. Dass dabei Zivilisten, gefangene Oppositionelle und einfache Soldaten umkommen würden, ist voraussehbar.
Zudem gewinnt Gaddafi nicht vor allem durch Flugzeugangriffe an Boden, sondern durch eine Bodenoffensive, gegen die ein Flugverbot nichts ausrichten kann. Auch gegen die eingesetzten Hubschrauber wäre kein Flugverbot durchsetzbar. Das heißt, dass es unweigerlich zu einem Kriegseinsatz am Boden kommen müsste, wenn man mit einem Flugverbot anfängt.
Schwächung der libyschen Opposition
Eine Militarisierung durch Waffenlieferungen, Flugverbotszone oder jegliches internationales Eingreifen würde dazu führen, dass die Initiative nicht mehr bei den Aufständischen liegt. Sie würde diejenigen Teile der Opposition schwächen, die ein unabhängiges Libyen wollen und denen helfen, die Gaddafi auch mit der Hilfe des Westens stürzen und damit die Unabhängigkeit gleich wieder aufgeben würden. Die libysche Rebellion würde weiter geschwächt.
Eine Flugverbotszone wird außer von Großbritannien und Frankreich auch von der Arabischen Liga gefordert. Unter anderem von Saudi-Arabien, eine Diktatur, die zurzeit Polizeitruppen nach Bahrain schickt, um dort Demonstrationen der Opposition gewaltsam niederzuschlagen. Die Arabische Liga ist die Vertretung gerade solcher arabischer Regimes, gegen die sich die Menschen seit zwei Monaten erheben.
Gaddafis deutsche Partner
Die Dynamik dieser Revolten im Nahen Osten würde durch eine westliche Intervention gebrochen. Ein Eingreifen in Libyen setzt auch die anderen arabischen Aufstände dem Verdacht der Kumpanei mit westlichen Regierungen aus und schwächt sie, anstatt sie voranzutreiben. Es gibt Alternativen. Der Kampf in Libyen ist noch nicht verloren. Immer wieder laufen Truppen aus Armee und Polizei zu den Aufständischen über; Gaddafi war sogar gezwungen, den Überläufern Amnestie anzubieten. Auch Gaddafi kann, falls er an der Macht bleiben sollte, nicht weitermachen wie bisher. Das bietet der Opposition Möglichkeiten.
Sie kann versuchen, in den Betrieben – vor allem der Ölindustrie – Arbeiter zu organisieren. Die Chancen dafür könnten sogar gewachsen sein, weil alle geflohenen ausländischen Arbeiter zumindest kurzfristig durch Libyer ersetzt werden müssen. Außerdem stehen die Oppositionellen vor der Aufgabe, die von Gaddafi betriebene Spaltung zwischen Afrikanern und Arabern zu beenden. Mit mehr Einfluss auf die Ölanlagen und ohne Spaltungen untereinander würden die Chancen für einen Umsturz erheblich wachsen.
In Europa bedeutet Solidarität mit den Aufstand gegen Gaddafi, die eigenen Regierungen für die Zusammenarbeit mit Regimes wie dem libyschen oder dem saudischen anzugreifen. Konzerne wie BASF-Wintershall und RWE-Dea machen Geschäfte mit den Folterern. Rüstungskonzerne liefern mit Zustimmung der Bundesregierung Waffen an Diktaturen und haben so im letzten Jahrfünft ihre Umsätze verdoppelt. Für den libyschen Widerstand auf die Straße zu gehen und die deutschen Partner Gaddafis zu bekämpfen ist wichtiger und erfolgversprechender als Forderungen nach Waffen oder Flugverboten.
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