Irmgard Wurdack über die anhaltende Protestwelle im Iran.
Die Ereignisse im Iran überschlagen sich. Bereits seit vier Tagen in Folge protestieren hunderttausende Iraner gegen den angeblichen Wahlsieg von Ahmadinedschad.. Alleine am Montag waren allein in Teheran über 1,5 Millionen auf den Straßen. Wie sich die Proteste weiterentwickeln, ist nicht abzusehen. Der Machtkampf zwischen Mir Hossein Mussawi und Ahmadinedschad ist Ausdruck einer tiefen Spaltung der iranischen herrschenden Klasse. Dazu beigetragen hat vor allem die Massenunterstützung des reformorientierten Kandidaten Mussawi. Während Ahmadinedschad den rechtskonservativen Flügel innerhalb der Geistlichen und des iranischen Sicherheitsapparates repräsentiert, vertritt Mussawi den liberaleren Flügel der Geistlichkeit. Er fordert unter anderem mehr Rechte für Frauen, größere politische Freiheit und eine Bekämpfung der Korruption. Dafür erhält er vor allem Unterstützung aus der Mittelklasse, von studentischen Aktivisten. Auch Teile der Arbeiterklasse unterstützen Mussawi.
Die Wut macht mobil
Der Wahlkampf Mussawis war geprägt von der Wut der Bevölkerung über die Regierung Ahmadinedschad. Denn trotz der sozialen Versprechen von Ahmadinedschad blieb die soziale Situation für die meisten Menschen im Iran katastrophal: Die Wirtschaft befindet sich im Niedergang, Arbeiter warten auf ihre monatelang nicht ausgezahlte Löhne, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Gleichzeitig gibt es trotz des Ölreichtums im Iran horrende Preissteigerungen. Für viele ist es offensichtlich, dass die Gewinne aus den Öl-Geschäften in den Taschen von Teilen der herrschenden Klasse verschwindet. Gleichzeitig wollen viele Menschen im Iran Ahmadinedschad einfach nicht mehr. Er war es, der in den vergangenen Jahren jeden aufkeimenden Protest brutal unterdrücken ließ: Von Frauen- und Menschenrechtsaktivisten, streikenden Arbeitern, Kurden, Azaris, Belutschis und anderen nationalen Minderheiten genauso wie von Studierenden. Insofern bringt die jetzige Bewegung sehr viele zusammen, die bislang wenig voneinander wussten.
Druck von unten
Die USA, Israel sowie die EU versuchen, den Machtkampf zu nutzen, um den diplomatischen Druck auf Teheran zu erhöhen. Auf der einen Seite droht Israel mit einem Militärschlag und die USA, wie auch die EU wollen die Sanktionen gegen den Iran verschärfen. Auf der anderen Seite versucht der Westen, Teile der Opposition zu beeinflussen und die Proteste zu vereinnahmen. Zusammengenommen ist das ein Geschenk an Ahmadinedschad und den rechtskonservativen Flügel, die solch eine Einflussnahme des Westens auch in der Vergangenheit immer wieder zum Vorwand genommen haben, um oppositionelle Bewegungen anzugreifen oder zu zerschlagen. Wirkliche demokratische Veränderung kann nicht über Interventionen der US-Administration oder der EU kommen, geschweige den durch einen Militärschlag. Der Diktator kann gestürzt werden, wenn sich die Protestbewegung weiter ausbreitet und die Arbeiterklasse und Armen der iranischen Gesellschaft mit einschließt. Weltweit organisieren Exil-Iraner derzeit Proteste vor den Botschaften und Konsulaten. So auch in Deutschland. Ich fände es wichtig und begrüßenswert, wenn die LINKE diese unterstützen würde. Indem die LINKE sich an den Protesten beteiligt, zeigt sie, dass Internationale Solidarität nicht nur ein Schlagwort ist.
Zur Autorin:
Irmgard Wurdack ist Mitglied im Bezirksvorstand der LINKEN.Berlin-Neukölln.