Am 10. und 11. September führte die Bundeswehr einen so genannten »Karrieretreff« in Darmstadt durch. Sie warb mit Technikbegeisterung und 20000 Ausbildungsplätzen für den Beruf des Soldaten. Ein breites Bündnis über Linksjugend [’solid], Gewerkschaftsjugend, DGB-Stadtverband, und lokalen Friedensgruppen stellte sich dem entgegen. DIE LINKE beteiligte sich ebenfalls. Von Tobias Paul, Darmstadt
Zur Zeit befinden sich etwa 7100 Soldaten der Bundeswehr in Auslandseinsätzen. Am 20. September wird der Bundestag wahrscheinlich über die weitere Entsendung von 1000 Soldaten nach Afghanistan entscheiden. Die zunehmende spürbare Gefahr des Beruf des Soldaten in Deutschland erschwert die Rekrutierungsfähigkeit der Bundeswehr enorm.
Als Ursache für die Nachwuchsprobleme werden vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr (SOWI) der demografische Wandel und die zunehmenden Auslandseinsätze genannt. Bezüglich der abschreckenden Wirkung der Auslandseinsätze schreibt das SOWI: „Es ist damit zu rechnen, dass den Jugendlichen immer mehr bewusst wird, dass es sich bei der Bundeswehr um eine Armee im Einsatz handelt, und das der Beruf des Soldaten erhebliche Risiken mit sich bringt. Diese Erkenntnis wird zumindest bei einem Teil der jungen Frauen und Männer die Bereitschaft verringern, zur Bundeswehr zu gehen.«
Doch mit welchem Kalkül teilweise die öffentliche Debatte geführt wird, lässt erschrecken. Im Mai 2000 schrieb die Berliner Zeitung: „Die Soldatenjob hat an Attraktivität eingebüßt.« Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen das aufgrund der aktuellen Jugendarbeitslosigkeit dies auf Dauer kein Problem darstelle.
Der Stern titelte am 10.06.2005: »Bundeswehr verzeichnet Zulauf wegen Arbeitslosigkeit.« Der Stern sah dann auch die Gefahr, dass eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu Problemen bei der Nachwuchsgewinnung führen könne.
Die Krise am Arbeitsmarkt und des dualen Ausbildungssystems hilf dabei, dass die Bundeswehr ihren Hunger nach Zeitsoldaten weiter sättigen kann. Die Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze für Jugendliche unter 25 Jahren trägt ebenfalls dazu bei, aus der Perspektivlosigkeit junger Menschen heraus den Weg zur Bundeswehr zu bahnen.
(Video des Darmstädter Friedensbündnisses zur Protestaktion)
In Darmstadt sind über 3500 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos. Deutschlandweit sind nach Angaben des Statistischen Bundesamt in dieser Altergruppe 11,1 Prozent ohne Job oder Berufsausbildung. Ein Grundrecht auf Ausbildung, welche die Menschen qualifiziert, und zur vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt, sollte die Antwort auf diese Arbeitsmarktdaten sein. Und nicht das schielen auf die Rekrutierungsfähigkeit der Bundeswehr.
Doch unser Fazit nach beiden Tagen fällt so aus: Der »Karrieretreff« der Bundeswehr war ein Totalausfall. Es ist uns gelungen, insgesamt zwischen 80 und 100 Menschen in Bewegung zu bringen. Es wurden weit über 500 antimilitaristische Flugblätter, Zeitungen und andere Materialien verteilt. Wir haben wegen des Laufpublikums mehrfach so genannte „die ins« [Protestform, bei der sich die Beteiligten tot stellen, Anmerkung der Redaktion] durchführen können, und am letzten Tag mit einer Spontankundgebung noch einmal fett unterstrichen, dass die Bundeswehr in Darmstadt nicht willkommen ist.
Mehr im Internet:
- DIE LINKE.Darmstadt: Kurzer Bericht und Fotos
Mehr auf marx21.de:
- Protest gegen Afghanistan-Besatzung: »Steinmeier geht über Leichen«