Hessen wählt am Wochenende eine neue Landesregierung. marx21 sprach mit Janine Wissler über den Wahlkampf der LINKEN in Hessen.
Wird Roland Koch wieder gewinnen?
Die Umfragen gehen davon aus, dass CDU und FDP in der Wahl eine Mehrheit bekommen und zusammen die nächste Landesregierung stellen können. Das hat allerdings wenig mit einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung für so eine Konstellation zu tun, laut Umfragen wollen über 50%, dass Koch nicht mehr Ministerpräsident wird.
Nach dem Debakel um den Antritt der SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti, der von vier Abgeordneten ihrer eigenen Fraktion sabotiert wurde, sind viele Wähler aus dem linken Spektrum enttäuscht. Vierzig Prozent der Befragten geben an, sie wüssten noch nicht, wen sie am Sonntag wählen werden.
Dahinter steckt auch deren Frage, ob sich im Lande mehr mit der SPD erreichen lässt, also mit der größeren, aber eben nicht verlässlichen der Parteien, die mit linken Slogans für sich werben, oder mit der LINKEN, die erst ein knappes Jahr im Landtag Zeit hatte, um sich als Opposition gegen Koch zu profilieren. Wir gehen aber davon aus, dass wir wieder in den Landtag gewählt werden.
Warum die LINKE wählen?
Hessen war jahrzehntelang ein eher linkes Bundesland mit SPD-Regierungen. Der letzte SPD-Ministerpräsident war Hans Eichel, ein Vertreter des rechten Flügels in der SPD. Seine Politik hat auf Landesebene das erreicht, was Schröder auf Bundesebene geschafft hat: Die CDU hat gewonnen, weil die SPD-Wähler zuhause bleiben.
Die SPD hat seither eine eher unentschlossene Opposition gebildet. Sie tritt eher technokratisch auf, kritisiert die Regierung also eher auf einer handwerklichen Ebene. In den Reden der SPD-Abgeordneten kommen die Menschen im Lande kaum vor, in der Regel geht es darum, wie Koch mit den Abgeordneten umgeht.
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Da sind wir anders vorgegangen. Wir haben die soziale Frage wieder in den Mittelpunkt gestellt. Ohne unsere Beiträge hätte sich die CDU nie dazu bekannt, keine Studiengebühren mehr einführen zu wollen. Nachdem sich die SPD derart gespalten gezeigt hat und ihrer eigenen Kandidatin in den Rücken gefallen ist, ist jede Stimme für die LINKE ein Zeichen für einen linken Politikwechsel. Wenn wir hingegen rausfliegen, würde sich der rechte SPD-Flügel in seinem Kurs gegen Ypsilanti bestätigt fühlen. Und natürlich hat die hessische Wahl bundesweiten Signalcharakter.
Letztlich ist aber klar, dass wir aus dem Landtag heraus allein die Gesellschaft nicht verändern können. Wir können als streitlustige Opposition Themen setzen und die gesellschaftliche Diskussion beeinflussen, den Menschen Mut machen und zeigen, dass sie mit ihren Sorgen und ihrer Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen nicht allein sind. Das macht außer uns niemand.
Wie wird die LINKE in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Wir haben das Problem, dass die Medien unsere Inhalte weitgehend totschweigen, seit die Neuwahlen verkündet wurden. Öffentliche wie private Medien scheinen sich dem Ziel der etablierten Parteien angeschlossen zu haben, uns unter die 5-Prozenthürde zu drücken. Sämtliche Zeitungen berichten über eine angebliche Austrittswelle aus der hessischen LINKEN. Tatsächlich stehen den rund 30 Austritten der letzten Wochen über 700 Eintritte im vergangenen Jahr gegenüber. Die SPD hat allein 2008 über 7000 Mitglieder verloren. Wir sind die einzige Partei, die wächst, auch in Hessen.
Vor ein paar Wochen gab es in Frankfurt eine große Schülerdemo, auf der ich gesprochen habe. Die Zeitungen berichteten am nächsten Tag nur von den Reaktionen der anderen Parteien, egal ob sie nun für oder gegen die Demo waren. So läuft das, und deshalb ist es erst recht wichtig, dass wir auf den Demos präsent sind und dort mit den Leuten ins Gespräch kommen. Der Landesverband der Partei ist so aktiv im Wahlkampf, dass unser Hauptproblem darin besteht, rechtzeitig ausreichend Material an die Kreisverbände zu schicken, weil so viel verteilt und plakatiert wird. Wir müssen unsere Öffentlichkeitsarbeit weitgehend ohne und gegen die Medien machen, aber das läuft gut. Die Reaktionen der Menschen auf der Straße bezeugen Interesse, und wir erhalten auch Zuspruch von Leuten, die noch nicht sicher sind, ob sie uns wählen werden.
Die LINKE ist auf Hessentour. Wie erreicht Sie als kleine Partei die Menschen?
Wir fahren mit mehreren Kleinbussen durchs Land, treten zusammen mit Genossen der örtlichen Kreisverbände in deren Wahlkreisen auf, machen Stände und versuchen, möglichst flächendeckend Wahlkampfmaterial zu verteilen, bis in die Dörfer hinein. Die Tourbusse sind mobile Wahlkampfzentralen.
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Die Hessentour haben wir voriges Jahr im Wahlkampf schon einmal gemacht und hatten damit ziemlichen Erfolg auch in Regionen, die auf den ersten Blick nicht unser typisches Wählerklientel beherbergen. Es gab landwirtschaftlich geprägte Dörfer, in denen wir 7-8 Prozent der Stimmen bekommen haben, nachdem wir dort von Haus zu Haus Flugis verteilt hatten. Auf dem Land ist die LINKE oft die einzige Partei, die persönlich vor Ort kommt. Und zur Hessentour gehören auch die Werksverteilaktionen. Im Winter bei kräftigen Minusgraden um fünf Uhr morgens die erste Schicht zu begrüßen, das bringt allein schon Sympathien.