Thilo Sarrazin ist für seine Pöbeleien gegen Arbeitslose und Migranten bekannt. Dennoch durfte er auf einer Veranstaltung der hessischen Landesregierung zum Thema »Chance und Grenzen der Integration« sprechen. Ein Bericht von Tobias Paul, Darmstadt
Gegen den Auftritt des ehemaligen Berliner Finanzsenators (SPD) und derzeitigen Bundesbankvorstandes protestierte am 9. März das »Wiesbadener Bündnis gegen Rechts« gemeinsam mit der Landtagsfraktion der LINKEN und Mitgliedern der LINKE-Kreisverbände aus Frankfurt am Main, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt.
Rückendeckung für Sarrazin
Der hessische Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) ermöglichte Sarrazin nicht nur ein öffentlichkeitswirksames Podium, er stellte sich auch hinter Thilo Sarrazin. Dabei fand Hahn nur den Tonfall Sarrazins kritikwürdig, nicht aber dessen Ideen.
Sarrazin regte sich in gewohnter Manier darüber auf, dass Migranten Sozialleistungen vom Staat erhalten. »Wie soll man jemanden integrieren der eine türkische Frau hat, türkische Freunde hat, in einem türkischen Teehaus sitzt, der türkische Zeitungen liest, und abends türkisches Fernsehen sieht.« Dabei geht es dem selbsternannten Integrationsexperten nicht um eine Lösung durchaus vorhandener Probleme. Sarrazin hat wiederholt geäußert, dass er keine Möglichkeit sehe, den von ihm angegriffenen Bevölkerungsgruppen zu helfen, weil diese angeblich unwillig seien. Er setzt auf Sanktionen, die weder zu mehr Integration noch zu weniger Armut führen.
Sündenbock-Politik
Dabei zielt Sarrazin darauf ab, die Verantwortung der Politik für Armut und andere Probleme auf betroffene Gruppen in der Bevölkerung abzuwälzen. Während Banken Milliarden verspekulierten und auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung gerettet werden, während Sozialabbau, Lohnsenkungen und Entlassungen für mehr Armut gesorgt haben, sieht der Bundesbanker vor allem Arbeitslose und Migranten als Problem. Familien deren Kinder zweimal keine Hausaufgaben machen, will er das Kindergeld um die Hälfte kürzen. Ungestraft hingegen durfte die SPD, deren Mitglied Sarrazin ist, gemeinsam mit den Grünen die Agenda 2010 verabschieden. Die Partei hat damit zur Entstehung der Probleme beigetragen, für die Sarrazin nun Arbeitslose und Migranten verantwortlich macht.
Die Sprecherin des »Wiesbadener Bündnis gegen Rechts« bezeichnete Sarrazins Äußerungen gegenüber der Zeitung »junge Welt« zu Recht als »Sozialrassismus«. Überall wo Thilo Sarrazin auftritt, sollten wir protestieren. In Wiesbaden waren es 50 Menschen. Das nächste Mal sollten wir mehr sein.
Zum Autor:
Tobias Paul ist Mitglied von DIE LINKE.Darmstadt
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