Schlecht in Form: Viele linke Zeitungen konzentrieren sich auf die Inhalte, nicht jedoch auf die Gestaltung – obwohl das viele Leser kostet. Woran liegt's? Von Felix Werdermann
An der Bild-Zeitung gibt es viel zu kritisieren – aber ihren Erfolg kann man schwerlich abstreiten. Auflage: Knapp drei Millionen Exemplare. Davon können linke Zeitungen nur träumen – würden doch viele Macher gerne mehr Menschen mit ihren Inhalten erreichen. Paradoxerweise trägt jedoch gerade dieser Wunsch dazu bei, dass sich linke Zeitungen am Kiosk schlecht verkaufen lassen ja sogar schlecht verschenken lassen.
Zahlreiche Politgruppen geben Zeitungen heraus – meist mühevoll durch ehrenamtliche Arbeit hergestellt, nur in größeren Organisationen sind es oft die Mitarbeiter der Öffentlichkeitsabteilung. Die Motivation: Die Leser auf die eigene Position hinweisen, von der eigenen Meinung überzeugen, für die eigene Arbeit interessieren. Das ist eine andere Herangehensweise als sie in zahlreichen Zeitungen praktiziert wird, die sich gerne als »überparteilich« oder »unabhängig« bezeichnen (und damit ist nicht nur die Bild-Zeitung gemeint). Dort versteht man den Journalismus stärker als Dienst am Leser: Wir schreiben, was unsere Zeitungskäufer wissen wollen.
Form zweitrangig
Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung und lassen sich in der Realität auch nicht scharf voneinander abgrenzen. Dennoch haben vor allem die Macher kleiner linker Zeitungen ein Problem: Weil sie andere Menschen von bestimmten Positionen überzeugen wollen, konzentrieren sie sich fast ausschließlich auf die Inhalte, die Form ist zweitrangig. Im politischen Alltag spielen Argumente eine große Rolle – Bilder, Schriftart oder Infografiken hingegen normalerweise nicht. Doch gerade solche Elemente sind es, die eine Zeitung attraktiv machen.
Hinzu kommt eine falsche Selbstwahrnehmung der linken Zeitungsmacher: Wer felsenfest von seiner Meinung überzeugt ist, glaubt meist, dass sich auch andere leicht dafür gewinnen lassen, wenn sie nur die richtigen Informationen in die Hand gedrückt bekommen. Wie das aussieht, ist egal – es ist schließlich die Wahrheit.
Lesen ist Arbeit
Nur: Die Informationen in der Hand sind nicht die Informationen im Kopf. Das Lesen ist Arbeit, die der Autor dem Leser abverlangt. Und da lässt jede Erleichterung die Chancen steigen, dass der Text tatsächlich (zu Ende) gelesen wird. Konkret hilft eine klare, verständliche Sprache, aber ebenfalls eine deutliche Textstruktur, die auch optisch zu erkennen ist. Ausgedrückte Empörung, Übertreibung und Insidersprache bewirken das Gegenteil.
Schlecht gemachte Zeitungen erreichen teilweise nicht mal die Leute, die den Positionen der Macher nahe stehen. In der Geschichte gibt es dazu ein prominentes Beispiel: So wurde die Rote Fahne – damals Mitgliederzeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands – in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mal von allen Parteimitgliedern gelesen. In einer Umfrage bemängelten die Leser vor allem die unverständlichen Texte.
Leser aktiv einbinden
Ganz anders sah es bei der Arbeiter-Illustrierten Zeitung (AIZ) aus. Sie richtete sich nicht nur an Parteimitglieder, berichtete auch über Sport- und Kulturveranstaltungen, brachte Fotomontagen, Bilder und Infografiken im Blatt. Mit ihren über 3.000 Leserreportern hat sie vorgemacht, was jetzt die Bild-Zeitung seit fast fünf Jahren nachmacht: Die Leser aktiv einbinden. Die AIZ war mit ihrer Strategie sehr erfolgreich: Im Jahr 1933 wurden eine halbe Million Zeitungen gedruckt, kurz danach wurde die AIZ jedoch von den Nazis verboten.
Bis heute hat sich in Deutschland keine linke Zeitung vergleichbar etablieren können. Die Linksfraktion im Bundestag kopiert mit ihrer Zeitung Klar bloß die Bild-Zeitung – und kommt alleine deswegen bei vielen nicht gut an. Die Suche nach dem Superblatt geht also weiter. Vielleicht kann dabei ein Blick in ein Zeitungsarchiv der Arbeiterbewegung durchaus nützlich sein.
Über diesen Artikel:
Dieser Text erschien zuerst auf www.freitag.de. Er basiert auf Argumentation und Informationen aus dem Workshop »Die Linke sucht das Superblatt«, den die marx21-Redakteure Marcel Bois, Stefan Bornost und Jan Maas im Rahmen der Linken Medienakademie (LiMA) 2011 anboten.
Über die LiMA 2011:
Die 8. Linke Medienakademie fand vom 10.-14. März in Berlin statt. Mit mehr als 1200 Teilnehmenden übertraf das Interesse die Erwartungen an den größten linksalternativen Medienkongress im Land. Die LiMA gliedert sich in zwei Teile: LiMAarena und LiMAwerkstatt. In der Werkstatt des Kongresses wurden rund 700 Stunden Workshops angeboten: Für Starter, Fortgeschrittene und Experten wurde Weiterbildung für alle Mediengattungen von Print über Radio und TV bis hin zu den sozialen Netzwerken, Twitter und Facebook parallel angeboten. Die Teilnehmer konnten sich im Vorfeld einen eigenen Stundenplan für die vier Tage erstellen.
Die LiMAarena war das Format der Themen auf der Linken Medienakademie, bei der man den besonderen politischen Charakter des Medienkongresses spürte. Im Rahmen von Podien, Vorträgen, Lesungen und Diskussionsrunden wurde besonders zum Web 2.0 diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt war die Auseinandersetzung mit dem steigenden Einfluss von Lobbyisten auf die Medienagenda der Gesellschaft. Auf der Bühne waren unter anderem zu finden: Robert Misik, Markus Beckedahl, Caren Lay (MdB), Christopher Lauer, Halina Wawzyniak (MdB), Dr. Wolfgang Storz, Ulrich Maurer (MdB), Lorenz Moraldt, Jürgen Reents, Sabine Schiffer, Daniel Domscheit-Berg, Bodo Ramelow (MdL), Gerhard Seyfried, Pedram Shahyar, Sergej Lochthofen uva. Die 9. LiMA findet vom 21.-25. März 2012 in Berlin statt.
Mehr Infos: www.linke-medienakademie.de
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