Mit einem milliardenschweren »Masterplan« will die Bundesregierung den drohenden Verkehrsinfarkt im Güterverkehr abwenden. Dauerstaus und Klimakollaps lassen sich allerdings damit nicht verhindern. Denn es werden neue Straßen gebaut, die mehr Verkehr erzeugen. Von Frank Eßers, Online-Redakteur marx21.de
Verkehrsminister Tiefensee (SPD) wirbt für seinen »Masterplan Güterverkehr und Logistik« mit der Prognose, dass Transporte massiv zunehmen werden. Tiefensee rechnet bis zum Jahr 2025 mit einer Steigerung des Güterverkehrs auf deutschen Straßen um rund 79 Prozent, im Fernverkehr sogar um 84 Prozent. Mit dem am Mittwoch von der Regierung beschlossenen Konzept soll der »Verkehrsinfarkt« verhindert und Umweltschäden vermieden werden.
Schiene bleibt benachteiligt
Doch dazu taugen die geplanten Maßnahmen nicht. Das durch die Globalisierung angeheizte Verkehrswachstum konzentriert sich vor allem auf die Straße (siehe Grafik »Gütertransport«). Der Anteil des umweltfreundlicheren Bahnverkehrs hingegen ist gesunken. Tiefensee reagiert darauf mit einem weiteren Ausbau des Straßennetzes und der Infrastruktur für den LKW-Verkehr. Das wird weiteren Güterverkehr nach sich ziehen.
»Besonders wichtig ist mir, dass mehr Verkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße verlagert wird«, teilte Tiefensee mit. So wie die geplanten Investitionen laut »Masterplan« verteilt werden, kann davon allerdings keine Rede sein. 10,2 Milliarden Euro sollen im nächsten Jahr bereit gestellt werden, um Straßen, Schienen- und Wasserwege auszubauen und instand zu halten. Die Häfte davon fließen in den Straßenbau und Verkehrsleitsysteme. LKWs räumt der Verkehrsminister damit weiterhin Vorfahrt vor der Bahn ein.
Propaganda der Straßenlobbyisten
84,5 Millionen Euro sollen für die Schiene und den kombinierten Bahn-Schiff-Verkehr zur Verfügung stehen. Bei Unternehmerverbänden stößt das nicht auf Gegenliebe. So monierte Gerhard Handke vom Groß- und Außenhandelsverband BGA: »Es ist volkswirtschaftlicher Unfug, die Schiene durch die Benachteiligung anderer Verkehrsträger fördern zu wollen.« Eine solche »Benachteiligung« gibt es indes nicht. Ins Reich der Propaganda gehört auch Handkes Behauptung, das neue Verkehrskonzept sei »im Kern eine Initiative gegen den Hauptverkehrsträger Straße«.
Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) werde »eine weitere Kostenwelle anrollen«. Anstoß erregt bei dem Verband die Erhöhung der LKW-Maut zum 1. Januar 2009. Diese wird für LKW ab 12 Tonnen auf Autobahnen erhoben. Und sie ist berechtigt. Denn ein LKW schädigt Umwelt und Gesundheit – vor allem durch den Ausstoß von Luftschadstoffen und Treibhausgasen. Die dadurch entstehenden Kosten addieren sich laut Umweltbundesamt auf 17 Cent pro Kilometer. Bisher trägt diese die Allgemeinheit. Würden sie den Verursachern in Rechnung gestellt, wäre laut Umweltbundesamt mindestens eine Verdopplung der LKW-Maut auf 25 Cent gerechtfertigt. Angehoben wird die Gebühr allerdings nur auf im Durchschnitt 16,3 Cent je Kilometer.
Luftfahrtindustrie wird »gebauchpinselt«
Dass die Straßenlobby gegen den Tiefensee-Plan stänkert, hat bei dem umweltorientierten Bündnis »Allianz pro Schiene« offenbar einen Verteidigungsreflex ausgelöst. »Die Richtung stimmt, auch wenn der Masterplan hinter unseren Erwartungen zurückbleibt«, bescheinigte dessen Vorsitzender Klaus-Dieter Hommel dem Verkehrsminister.
Die Kritik des Bündnisses lässt allerdings erahnen, dass die Unzufriedenheit groß ist. So bemängelt »Allianz pro Schiene«, dass kein CO2-Minderungsziel für den Güterverkehr gesetzt und der klimaschädliche Flugverkehr »über Gebühr gebauchpinselt« werde. »Die Aussage im Masterplan, eine Kerosinsteuer nur einzuführen, wenn alle Staaten dieser Welt zustimmen, kommt einem Freibrief für den Flugverkehr gleich«, sagte Hommel. »Der umweltverträglichere Schienengüterverkehr soll dagegen auch weiterhin Stromsteuer zahlen.«
Dass Tiefensee zudem Ausgaben für Leit- und Sicherungstechnik auf der Straße von Bundeshaushaltsmitteln abziehen will, die eigentlich für den Erhalt des bestehenden Schienennetzes gedacht sind, findet Hommel zu Recht »völlig inakzeptabel.«
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