Das Landgericht Köln hat die Beschneidung eines Vierjährigen aus religiösen Gründen als strafbar bewertet. In dem Urteil heißt es unter anderem, dass »die körperliche Unversehrtheit des Kindes schwerer [wiege] als die Religionsfreiheit«. Beschneidungen gelten somit als Körperverletzung. Insbesondere in den jüdischen Gemeinden wurde das Urteil mit Entsetzen aufgenommen. Von Azad Tarhan
Darüber hinaus argumentieren die Richter, die Beschneidungspraxis würde die Jungen traumatisieren. Auch das ist nicht nachvollziehbar: Es sind nur wenige Fälle bekannt, bei denen die Kinder zu Schaden gekommen sind. Denn meist werden die Beschneidungen von Fachärzten unter Lokalanästhesie vorgenommen.
Der Beifall von rechts ist sicher
Anders wird die Situation nach dem Urteil aussehen: Kulturelle oder religiöse Rituale lassen sich nicht von heute auf morgen unterbinden. Das heißt, die Beschneidungen werden trotz des Verbots durchgeführt werden. Wenn der Eingriff nicht mehr im Operationssaal geschehen darf, dann wird er wohl auf dem heimischen Küchentisch stattfinden. Dem Kindeswohl, um das sich das Gericht angeblich so sehr sorgt, ist so nicht gedient.
Bedient wird hier allein das Selbstbild der Ankläger und Richter: Der aufgeklärte, moderne und christliche Westen zeigt den archaischen Muslimen und Juden mal, wie Menschen- und Kinderrechte wirklich geschützt werden. Ob es dem Gericht um Beifall von rechts ging, ist Spekulation. Erhalten hat es ihn auf jeden Fall.
Azad Tarhan ist stellvertretender Landessprecher der LINKEN in Nordrhein-Westfalen.