Angeblich bringt die Bundeswehr den Afghanen die Demokratie. Doch den Anforderungen der Pressefreiheit genügt sie selbst nicht. Eine wissenschaftliche Studie zeigt, wie die deutsche Armee in enger Zusammenarbeit mit einer Nichtregierungsorganisation die Zeitung "Stimme der Freiheit" kontrolliert. Ein Bericht von German Foreign Policy
Die Bundeswehr nutzt deutsche Nichtregierungsorganisationen zur verdeckten Lancierung ihrer Propagandabotschaften im besetzten Afghanistan. Dies geht aus einer Ende 2004 verfassten wissenschaftlichen Arbeit hervor. Demnach ließ sich die Truppe für Operative Information (OpInfo), die für die psychologische Kriegführung zuständig ist, in Kunduz von dem in Deutschland als gemeinnützig anerkannten Verein "Mediothek für Afghanistan e.V." bei der Herstellung einer Zeitung der westlichen Besatzungsmächte unterstützen.
Die angestellten afghanischen Redakteure sind strenger Kontrolle durch deutsche Militärs unterworfen; wollen sie nicht genehme Aussagen in Zeitungsartikeln veröffentlichen, werde "ein bisschen Druck" ausgeübt, erklärte ein verantwortlicher Offizier. Wie die "Mediothek" ist auch die OpInfo-Truppe mit der Ausbildung von Journalisten und der Ausstattung afghanischer Medienprojekte befasst. Erklärtes Ziel beider Einrichtungen ist es, "Multiplikatoren" zur Unterstützung der Besatzungspolitik zu gewinnen.
Der in Bornheim (Nordrhein-Westfalen) beheimatete und von den deutschen Behörden als gemeinnützig anerkannte Verein "Mediothek für Afghanistan e.V." unterhält in den von der Bundeswehr besetzten Nordprovinzen Afghanistans mehrere Filialen, die unter der Bezeichnung "Gemeinschaftsforen" firmieren und vom Auswärtigen Amt und dem regierungsoffiziellen Deutschen Entwicklungsdienst (DED) finanziert werden. Das "Gemeinschaftsforum" in Kunduz dient einer wissenschaftlichen Arbeit vom November 2004 [1] und einer Selbstdarstellung der deutschen Besatzungsmacht [2] zufolge als Redaktionssitz der Zeitung "Sada-e-Azadi" ("Stimme der Freiheit"), die von der Truppe für Operative Information (OpInfo) herausgegeben wird.
Während sich die "Mediothek" nach eigener Aussage dem journalistischen Ethos institutioneller Unabhängigkeit verpflichtet sieht, wird die Arbeit der afghanischen Zeitungsredakteure von "Sada-e-Azadi" tatsächlich streng kontrolliert: Erst nach der Abnahme durch einen OpInfo-Offizier können die Artikel erscheinen; zuweilen sei auch "ein bisschen Druck" nötig, um eine den deutschen Interessen gemäße Berichterstattung zu gewährleisten, erklärte ein Militär.[3] Mit einer Auflage von insgesamt 390.000 Exemplaren ist "Sada-e-Azadi" die meistgelesene Zeitung Afghanistans.
Angesehen
Die technische und infrastrukturelle Ausstattung der Zeitungsredaktion wird von der Bundeswehr über einen Spendenfonds finanziert. Reservisten und öffentlich-rechtliche Medienanstalten zahlen auf ein Sonderkonto ein, das der OpInfo-Truppe für psychologische Kriegführung im Einsatzgebiet zur Verfügung steht. Der Vertrieb der Zeitung erfolgt wiederum über die "Gemeinschaftsforen" der "Mediothek".[4] Deren angeblich nichtmilitärischer Charakter ermöglicht es, "angesehene Persönlichkeiten" mit "engen Verbindungen zu den gesellschaftlichen Akteuren vor Ort" als Mitarbeiter zu gewinnen. Auf diese Weise könne man die jeweiligen Informationsprogramme "auf die lokalen Bedürfnisse und die kulturellen und historischen Besonderheiten" abstimmen, schreibt die als zivil auftretende Organisation.[5]
Keimzelle
Gemeinsam mit der "Mediothek" hat die Bundeswehr in Afghanistan die Evaluierung und Vermittlung von Medienprojekten sowie die Schulung von Journalisten übernommen. "Wir sehen uns schon als Keimzelle, und die Redakteure, die bei uns ausgebildet werden, geben das weiter", sagte der OpInfo-Offizier Malte von Vultejus in einem Interview.[6] Um die "journalistische Qualität" der Medien zu steigern und zu verhindern, dass Publikationen "von undemokratischen Kräften herausgegeben" werden, vermittelt die "Mediothek" an "besonders talentierte Teilnehmer" ihrer Schulungen Stipendien der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).[7]
Froh
Während viele Nichtregierungsorganisationen dem Militär seit je kritisch gegenüberstehen und inzwischen immer deutlicher auf Distanz zu den deutschen ISAF-Einheiten gehen, signalisiert das deutsche Führungspersonal der "Mediothek", zu dem Mitarbeiter der regierungsoffiziellen "Deutschen Welle" und parteinaher Stiftungen sowie Islamwissenschaftler zählen, ein gutes Verhältnis zur Bundeswehr. So veröffentlichte der "Wissenschaftskoordinator" der Organisation, Conrad Schetter, zahlreiche Beiträge in Bundeswehrmedien ("Y", "Loyal"). Die Geschäftsführerin des Vereins, Almut Wieland-Karimi, zugleich Direktorin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), sprach der Truppe unlängst ihren Dank aus: Man sei "froh", dass die deutschen Streitkräfte in Afghanistan mit ihrer "Infrastruktur" zur Verfügung stünden, "um uns in einem Notfall zu helfen".[8]
Einbinden
Umgekehrt stellt das Führungspersonal der "Mediothek" der Bundeswehr seine Expertise bei der propagandistischen Durchdringung der afghanischen Gesellschaft zur Verfügung. Der Vereinsvorsitzende Sultan Karimi beschrieb die Lancierungsstrategie mit den Worten: "Gerade zivilgesellschaftliche Akteure können heute etwas bewirken, weil sie weder als Teil des Militärs noch der Regierung wahrgenommen werden". Ziel sei die möglichst weitgehende Einbindung der afghanischen Bevölkerung in die Besatzungspolitik, erklärte Karimi weiter: "Wir können die Menschen nur dann gewinnen, wenn wir sie von Zuschauern zu Beteiligten machen."[9]
Good practice
Für das vom Auswärtigen Amt finanzierte "Institut für Auslandsbeziehungen" (ifa) ist die Tätigkeit der "Mediothek" in Afghanistan das Paradebeispiel eines "erfolgreiche(n) Projekt(s)" ("good practice"). Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Nichtregierungsorganisationen sowie "Multiplikatoren aus dem Bildungs- und Kulturbereich" werde die "Beziehung zwischen Deutschland und Afghanistan gefördert", urteilt die traditionsreiche Vorfeldorganisation der deutschen Außenpolitik.[10] Die Gegner der deutschen Besatzungspolitik scheinen dies ebenfalls erkannt zu haben. Wie die "Mediothek" mitteilt, musste bereits Ende 2003 eines ihrer "Gemeinschaftsforen" wieder schließen, da die Mitarbeiter "von islamistischen Kräften bedroht" worden seien.[11]
(German Foreign Policy, mit freundlicher Genehmigung)
[1] Maike Albrecht: Freie Medien für ein liberales Afghanistan. Die Rolle der Medienförderung am Hindukusch im Hinblick auf den Prozess der Demokratisierung. Diplomarbeit, Internationaler Studiengang Fachjournalistik, Hochschule Bremen, November 2004
[2] Der Redaktion liegt ein entsprechendes Video des "Provincial Reconstruction Teams" (PRT) der Bundeswehr in Kunduz vor.
[3] , [4] Maike Albrecht: Freie Medien für ein liberales Afghanistan. Die Rolle der Medienförderung am Hindukusch im Hinblick auf den Prozess der Demokratisierung. Diplomarbeit, Internationaler Studiengang Fachjournalistik, Hochschule Bremen, November 2004
[5] Die Gemeinschaftsforen; www.mediothek.org.af
[6] Maike Albrecht: Freie Medien für ein liberales Afghanistan. Die Rolle der Medienförderung am Hindukusch im Hinblick auf den Prozess der Demokratisierung. Diplomarbeit, Internationaler Studiengang Fachjournalistik, Hochschule Bremen, November 2004
[7] Die Gemeinschaftsforen; www.mediothek.org.af
[8] Hilfe im Notfall; www.dw-world.de
[9] "Das Aufbaukonzept funktioniert nicht"; Die Tageszeitung 24.05.2007
[10] Good practice Beispiele/Afghanistan; cms.ifa.de. S. auch Modernes Deutschlandbild
[11] Geschichte der Mediothek; www.mediothek.org.af