Gewalt, Armut und steigender Alkoholismus sind die Folge der Besatzung. Doch der US-Oberkommandierende im Irak General Petraeus beschönigt die Lage im Land.
Durch mehr Truppen habe die Sicherheit im Irak zu- und der Widerstand abgenommen – so lautet das Fazit, das der US-Oberkomandierende im Irak Genral Petraeus in seinem Bericht gezogen hat. Der Erfolg sei der US-Militäroffensive „Surge« („Die Woge«) zu verdanken, die seit Februar läuft.
In Wirklichkeit waren die letzten Monate blutig. Von März bis Juli sind ungefähr doppelt so viele US-Soldaten getötet worden wie im gleichen Zeitraum der letzten beiden Jahre. Laut Meldungen von US-Medien sind in den letzten drei Monaten auch mehr Zivilisten umgekommen als im vergangenen Jahr.
Beerdigung im Irak: Die Bestattungsbranche im Land boomt, berichtete der UN-Informationsdienst IRIN. (Foto: Afif Sarhan/IRIN)
Petraeus behauptet, dass die Militäroffensive und Aufstockung der Truppen in der Hauptstadt Bagdad für mehr Ruhe gesorgt habe. Doch genau dort hat die US-Armee die meisten Toten zu beklagen.
Dass laut Petraeus-Bericht die Gewalt abgenommen hat, kann an fragwürdigen Statistiken liegen. Wie die US-Zeitung Washington Post berichtete, bezweifeln Experten innerhalb und außerhalb der US-Regierung den von Petraeus behaupteten Rückgang und die von ihm zugrunde gelegten Zahlen.
Zudem ist das Bild, das der General zeichnet, unvollständig. Durch Krieg und Besatzung ist die Hauptstadt in sunnitische und schiitische Ghettos gespalten. Bagdad besteht aus einem Flickenteppich von Vierteln, die voneinander durch hohe Mauern, Wachtürme und Kontrollpunkte getrennt sind. Wie der UN-Informationsdienst IRIN Ende August meldete, bezeichnen Hilfsorganisationen die Stadt als den gefährlichsten Ort im Irak.
Von einem „Erfolg« im Irak hat auch US-Präsident Bush in seiner Rede an die Nation kürzlich gesprochen. Bush hat sich dabei auch auf den Petraeus-Bericht berufen. Doch tatsächlich hat sich die Lage der irakischen Bevölkerung in den letzten Monaten weiter verschlechtert.
Wie die Hilfsorganisation Roter Halbmond berichtet, hat sich die Anzahl der vertriebenen Iraker in diesem Jahr mehr als verdoppelt: von rund 447.000 im Januar auf 1.14 Millionen Anfang August.
Das hohe Ausmaß von Gewalt, Armut und Arbeitslosigkeit hat laut IRIN in den letzten Monaten zu einer steigenden Zahl von Alkoholkranken geführt. „Jeden Tag suchen mehr Patienten Hilfe, weil ihre Abhängigkeit beginnt, ihr Privatleben ernsthaft zu beeinträchtigen«, sagte Kamel Ali vom irakischen Gesundheitsministerium.
Die irakische Ärzteorganisation IMA beklagt, dass es immer weniger Ärzte und Krankenpersonal gäbe. „Unsere jüngsten Recherchen haben ergeben, dass bis zu 75 Prozent der Ärzte, Pharmazeuten und Krankenschwestern ihre Arbeitsplätze an Universitäten, Kliniken und Krankenhäusern aufgegeben haben«, teilte IMA mit. Von diesen seien über die Hälfte aus dem Land geflohen.
Wegen der mangelnden Sicherheit im Irak schicken immer weniger Eltern ihre Kinder in die Schule. Laut IRIN erwartet das irakische Bildungsministerium im nächsten Schuljahr einen 15-prozentigen Rückgang der Schülerzahl.
(Frank Eßers/IRIN)