Die rechts-liberale VVD und die sozialdemokratische PvdA waren die großen Gewinner der Wahlen in den Niederlanden. Die meisten anderen Parteien haben Stimmen verloren. Trotz hoher Erwartungen ihrer Mitglieder und anderer Linker hat die Sozialistische Partei (SP) keine Stimmen gewonnen. Was passiert ist, analysiert Maina van der Zwan
Die Medien begrüßen das Wahlergebnis als Ende der Polarisierung und erneuertes Vertrauen in die politische Mitte. Die VVD bekam 27 Prozent, die PvdA 25 Prozent, die SP fiel von 9,8 auf 9,7 Prozent und die grüne GL von 6,7 auf 2,3 Prozent. Die einzig gute Nachricht ist der Einbruch der rechtsradikalen PVV von 15 auf 10 Prozent.
Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund der immer tieferen Eurokrise statt, mit Behauptungen von Schreckensszenarien, zu der sie führen könne und der angeblich daraus folgenden Notwendigkeit scharfer Kürzungsprogramme.
Stimmung gegen Kürzungen
Die Stimmung der Mehrheit der Bevölkerung ist jedoch gegen harte Einschnitte und gegen die EU-Rettungspakte, was eine weitere politische Polarisierung begünstigen müsste. Zudem hat die PVV ihr Anti-Establishmeht-Image beschädigt, indem sie die letzte Pro-Kürzungen- und Pro-EU-Regierung unterstützt hat.
Daher wurde für die SP ein sehr gutes Ergebnis erwartet. Zunächst bestätigten die Umfragen das. Einige sahen die SP sogar als stärkste Partei. Doch das verhinderten drei Faktoren.
Sozialisten unter Druck
Erstens tobte das Establishment wegen des kommenden »Roten Terrors« und der Premierminster wie auch der Sprecher des Industrieverbandes sprachen von der »großen Gefahr«, die ein Sieg der SP für die Niederlande bedeuten würde. Diese Angriffe verängstigten die SP und verleiteten linke Wähler dazu, für die »sicherere« sozialdemokratische Variante zu stimmen.
Zweitens blinkte die PdvA nach links und sprach plötzlich davon, die Banken zu zügeln, Reichtum umzuverteilen und mit der »verrotteten rechten Politik« zu brechen. Mit dem neuen, dynamischen Vorsitzenden Diederik Samsom, der früher Greenpeace geführt hatte, half dieser rhetorische Schwenk, potenzielle SP-Wähler anzuziehen.
Perfekt für die Sozialdemokraten
Und drittens reagierte die SP damit, ihren »Realismus« und ihre Bereitschaft zu regieren zu betonen. Die Partei relativierte ihre »nicht verhandlungsfähige« Position zum Rentenalter, zog ihre scharfe EU-Kritik zurück und baute eine recht unpolitische Kampagne um die Kandidatur des Vorsitzenden Emile Roemer als Premierminister auf. Das verwischte den Unterschied zwischen SP und Sozialdemokratie.
Diese Faktoren ergänzten sich zu einer perfekten Lage für die Sozialdemokraten. Innerhalb von Wochen überholte die PdvA die SP in den Umfragen und zog viele »taktische Wähler« an, die hauptsächlich den neoliberalen Premierminister Mark Rutte aus dem Amt wählen wollten. Dasselbe passierte auf der Rechten, wo ehemalige PVV-Wähler stattdessen für VVD stimmten, um die Sozialdemokraten von der Regierung fernzuhalten. Ironischerweise führt diese Taktik jetzt zu einer unbeliebten, aber relativ stabilen großen Koalition aus VVD und PdvA.
Niederlande braucht Bewegung
Dass viele potenzielle SP-Wähler so einfach in die Arme der PdvA zurückkehren, unterstreicht, wie wacklig die linke Stimmung in den Niederlanden ist. Weil diese nicht von sozialen Kämpfen untermauert und daher nicht politisch stabil ist, bleibt diese Stimmung oberflächlich und unbeständig, was zu starken Bewegungen bei Wahlergebnissen führt, ohne grundsätzliche Veränderung des politischen Bewusstseins der Menschen.
Die Schlussfolgerung ist, dass die Linke in den Niederlanden einen Durchbruch im Kampf gegen Kürzungen tausendmal dringender braucht, als einen weiteren Wahlkampf ohne umfangreiche soziale Basis. Mit der wahrscheinlichen liberal-sozialdemokratischen Regierung, die sicher die großen Sparprogramme fortführen wird, ist das so dringend wie auch schwierig. Die hohen Werte der SP in den Umfragen vor den Wahlen zeigen zumindest das Potenzial für eine viel stärkere Opposition als wir bisher gesehen haben.
(Aus dem Englischen von Hans Krause.)
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