Der rasante Aufstieg der LINKEN ist längst gestoppt. Schlechte Umfragewerte, noch schlechtere Presse und interne Querelen scheinen die Partei zu lähmen. Doch wie lassen sich die Probleme beheben? Eine Bestandsaufnahme vor dem Parteitag von der marx21-Redaktion. Vorabveröffentlichung aus marx21, Heft 22, September/Oktober 2011
Erleichterung. Das war die überwiegende Reaktion unter Mitgliedern der LINKEN auf das Ergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern (die Berlin-Wahl fand erst nach Redaktionsschluss statt). Einen leichten Zugewinn von 1,6 Prozentpunkten auf 18,4 Prozent konnte die Partei verbuchen. Noch vor wenigen Jahren wäre das Ergebnis als Schlappe gewertet worden. Schließlich ist Mecklenburg-Vorpommern ein strukturschwaches Land mit vielen Armen und Arbeitslosen – Menschen also, für die DIE LINKE sich als erste Ansprechpartnerin sieht. Die Partei hat aus der Opposition heraus Wahlkampf gemacht, in einem Land in dem sie bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren 29 Prozent bekommen hat. Ihr Potenzial konnte sie also bei Weitem nicht ausschöpfen.
Dämpfer für DIE LINKE
Doch die Zeiten haben sich geändert. Nach dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg als neu gegründete Partei in der Zeit zwischen 2005 bis 2009 hat DIE LINKE zuletzt einige Dämpfer bekommen. In die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist sie nicht eingezogen. Seit 2009 hat sie bei verschiedenen Landtags- und Kommunalwahlen nicht hinzugewonnen, teilweise sogar Stimmen verloren. Die bürgerliche Presse, noch nie ein großer Freund der LINKEN, fiel über die Partei her, oft mit Unterstützung von Stichwortgebern aus der Partei.
Der Programmparteitag im Oktober soll die Partei nun einen und wieder in die Spur bringen. Damit das gelingt, bedarf es jedoch einer Analyse, woher die Probleme der LINKEN rühren – und wie sie behoben werden können.
Die vorherrschende Meinung der Presse ist, dass die Partei ein Führungsproblem habe. Vor allem die beiden Parteivorsitzenden seien schwach. Der Parteivorstand hingegen verweist auf die »wenig hilfreichen« innerparteilichen Flügelkämpfe und die in der Öffentlichkeit ausgetragenen Debatten über Israel, Mauer und Castro.
Beide Erklärungen lassen die geänderten Rahmenbedingungen für die LINKE außer Acht. Die Flügelkämpfe sind real, doch warum brechen sie gerade jetzt so vehement auf?
Wenige Kämpfe
Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist das Niveau der sozialen Auseinandersetzungen in Deutschland derzeit sehr niedrig. In ganz Europa finden Großdemonstrationen, Studentenbewegungen und Generalstreiks statt, nur hierzulande nicht. Die Gewerkschaftsführungen haben seit Ausbruch der Krise auf Kooperation mit Regierung und Arbeitgebern gesetzt. Im DGB klopft man sich auf die Schulter, weil man von der Wirtschaftspresse als »verantwortungsvoll« gelobt wird. Die Kehrseite ist jedoch, dass innerhalb des spektakulärsten Nachkrisen-Comebacks einer westlichen Wirtschaft die Löhne weiter gefallen sind – bei steigenden Lebenshaltungskosten. Das nährt nicht unbedingt die Hoffnung, dass sich in diesem Land noch etwas zum Besseren wendet.
DIE LINKE lebt aber von der Hoffnung auf Veränderung. Die entsteht jedoch nicht spontan in einem politischen System, von dem die meisten Menschen mittlerweile kaum etwas erwarten. Dafür sind gesellschaftliche Auseinandersetzungen notwendig. So war es der Aufschwung der Anti-AKW-Bewegung nach dem Amtsantritt von Schwarz-Gelb, der die Hoffnung auf einen möglichen Atomausstieg befeuerte. Nebenbei hat er die Grünen in ungeahnte Höhen katapultiert. Seit Merkels vermeintliche Atomkraftwende die Bewegung größtenteils von der Straße geholt hat, stehen auch sie nicht mehr so stark da.
Eine von drei Oppositionsparteien
Der zweite Grund für die Krise der LINKEN: Mit dem Niedergang der Bundesregierung hat sich die politische Konstellation in der Bundesrepublik geändert. DIE LINKE ist nicht mehr die einzig wahrnehmbare, sondern nur eine von drei Oppositionsparteien. SPD und Grüne haben sich rhetorisch nach links bewegt, fordern Steuererhöhungen für Reiche und Mindestlohn. Die historische Erfahrung zeigt, dass sie vieles davon am Tag nach der nächsten Wahl wieder vergessen werden. Das ändert aber nichts an der jetzigen Konstellation. Sowohl die Grünen als auch die marode SPD ziehen wieder Hoffnungen auf sich. Nach den gegenwärtigen Umfrageergebnissen sieht es nicht so aus, als seien sie nach der Bundestagswahl zur Regierungsbildung auf DIE LINKE angewiesen. Daher versuchen sie, die Partei an die Wand zu drücken.
Auch auf Länderebene ist eine Situation entstanden, wo die SPD versucht, DIE LINKE in den Schwitzkasten zu nehmen. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise könnte SPD-Mann Erwin Sellering zukünftig sowohl mit der CDU als auch mit der LINKEN koalieren. Das kostet er genüsslich aus, wenn er sagt, die SPD stehe in der Mitte zwischen beiden: »Es wird darauf ankommen, wer sich wie weit auf uns zubewegt. Wir wollen möglichst viel von unserem Programm durchsetzen.«
Hoffnungen ernst nehmen
Entscheidend für DIE LINKE ist, dass sie in so offensichtliche Fallen, wie Sellering sie stellt, nicht reintappt. Er und andere SPD-Politiker würden DIE LINKE natürlich gerne auf Landesebene für Haushaltskonsolidierungen und Schuldenbremse einspannen. Das würde der mecklenburgischen LINKEN schaden und zugleich die Glaubwürdigkeit der Bundespartei untergraben, die gegen die Schuldenbremse auftritt. Gewinner wäre in beiden Fällen die SPD.
Die Kunst im Umgang mit SPD und Grünen wird darin bestehen, die Hoffnungen ernst zu nehmen, die viele Menschen in diese Parteien setzen, ohne dabei Illusionen zu schüren. Das bedeutet: Richtige Forderungen, die SPD und Grüne aufstellen, – wie die nach einem Mindestlohn – muss DIE LINKE aufgreifen und sich dann als die Kraft erweisen, die das nicht nur im Wahlkampf fordert, sondern konsequent etwas dafür unternimmt.
Darüber hinaus sollte die Partei angesichts der Verwerfungen in der Weltwirtschaft ein schärferes antikapitalistisches Profil entwickeln. Der Parteivorstand hat beschlossen, eine Kampagne zur Regulierung der Finanzmärkte und zur Besteuerung der Reichen durchzuführen, die in einer bundesweiten Kundgebung münden soll. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Feld des Klassenkampfs
Zu guter Letzt wäre es wichtig, das Feld des Klassenkampfs zu bestellen. DIE LINKE ist natürlich nicht stark genug, um soziale Kämpfe anzuschieben. Aber sie kann überall dabei sein, wo sich auch nur der geringste Widerstand regt, etwa bei lokalen Protesten gegen Mietsteigerungen und betrieblichen Auseinandersetzungen. Zudem ist im kommenden Semester aufgrund der zunehmenden Studierendenzahlen die Situation an den Hochschulen sehr angespannt – auch dort sollte sich DIE LINKE an möglicherweise entstehenden Protesten beteiligen. Ebenso ist absehbar, dass die Friedensbewegung anlässlich der Afghanistankonferenz im Dezember größere Proteste organisieren wird (siehe auch das Interview auf Seite 35). Das sind alles mögliche Bausteine, um das Niveau der sozialen Auseinandersetzungen anzuheben. Das ist gut für die Menschen und würde das gesellschaftliche Klima auch für DIE LINKE verbessern.