Als Dieter Hildebrandt 1950 nach München kommt, lernt er sein großes Vorbild Werner Finck kennen, von dem er jenes Stilmittel übernimmt, dass er perfektionieren sollte: die Conférence mit unfertigen Sätzen, Verhasplern und Versprechern, bei der das nicht Gesagte zu Aussage wird – und bei der man nie weiß, was inszeniert und was improvisiert ist.
1956 gründete Hildebrandt das politsche Kabarett „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, mit dem er durch TV-Auftritte in den 60er Jahren landesweit bekannt wurde. „Nach 1945 merkten wir, dass die Bundesrepublik nicht so wird, wie es uns gesagt wurde. Das machte mich wütend. Und die Wut hält bis heute an“, erklärte Hildebrandt einmal seine Motivation, Kabarett zu machen.
Raues Klima im staatlichen Fernsehen
Doch mit dem Aufkommen der 68er-Bewegung änderte sich das politische Klima. Politiker nahmen Angriffe von links nicht mehr so einfach hin, schon gar nicht aus den staatlichen Fernsehsendern.
Doch während Kollege Hallervorden sich zum „Didi“ der Nation hochblödelte, entwickelte Hildebrandt ein bis heute einzigartiges Kabarett-Konzept: In den „Notizen der Provinz“ parodierte er ab 1973 im ZDF Politmagazine, vermischte in Filmbeiträgen reale Nachrichten mit erfundenen, verschärft durch Hildebrandts bierernste Moderation. Es war die erste Satire-Sendung im deutschen Fernsehen und sie lief eine Stunde lang einmal im Monat an einem Sonntag um 21 Uhr.
Doch in einer Zeit ohne Internet und mit nur drei Fernsehsendern reichte das, um Millionen Zuschauer bewusst zu verunsichern und CDU-Politiker zu Intrigen gegen Hildebrandt zu veranlassen. Nach viel Streit, zwei Absetzungen und einem Grimme-Preis für eine Folge die nie gesendet wurde, meinte der ZDF-Programmdirektor 1980, er müsse Hildebrandt eine „Denkpause“ verordnen.
Bayern sendet schwarze Bildschirme
Der ging lieber zum SFB und erfand ein „Scheibenwischer“-Kabarett mit dem man bis 2009 den medialen Schleim von den Bildschirmen putzen konnte. Hildebrand grenzte die Sendung von der sich damals ausbreintenden Stand-Up-Comedy ab führte den „Scheibenwischer“ wie ein Theaterstück auf, in dem die Kabarettisten verschiedene Rollen hatten.
Ausgezeichnet wurde die Sendung unter anderem mit Franz Josef Strauß' Vorwurf der „politischen Giftmischerei“ und vom Bayerischen Rundfunk. Dieser sendete 1986 im weiß-blauen Sendegebiet statt einer „Scheibenwischer“-Folge eine Stunde einen schwarzen Bildschirm im Ersten. Der Grund war, dass Hildebrandt kurz nach der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl beißende Kritik an der westdeutschen Regierung übte: „Vor Jahrzehnten hat man schon gesagt: 'Die Russen kommen.' Jetzt sind sie da, in Becquerel. Und es sieht danach aus, als ob wir darauf nicht vorbereitet waren.“
Solche Reaktionen provozierte Hildebrandt in seinen letzten Jahren kaum noch. Doch es war sein Kabarett, dass schon vor Jahrzehnten fragte, wie demokratisch Westdeutschland wirklich war. Oder wie Hildebrandt es sagte: „Alle macht geht vom Volke aus? Neiiiin. Alle Macht geht vom Volke. Aus!!“