700.000 auf den Straßen: Am Dienstag erreichte die Streikwelle in Frankreich einen neuen Höhepunkt. marx21 dokumentiert einen Bericht der sozialistischen Zeitung Rouge und ein Interview mit Olivier Besancenot, Angestellter bei der Post und Sprecher der LCR (Ligue communiste révolutionnaire) aus Frankreich.
Besancenot: „Ein Hauch von 1995“
Olivier Besancenot, Angestellter bei der Post und Sprecher der LCR (Ligue communiste révolutionnaire), schätzt, dass die Streiks und die Kundgebungen der Beamten und Beamtinnen sowie der Bahnerarbeiter und Bahnarbeiterinnen am Dienstag bereits ein „kleines Parfüm 1995“ gehabt hätten und nicht aufhören sollten, „bis die Regierung nachgibt.“
„Die Mobilisierung diesen Dienstag war noch stärker als am 18. Oktober“ anlässlich des vorigen großen Mobilisierungstages, erklärte Besancenot, der mit seinen Postkollegen in Paris demonstrierte. Im Übrigen, unterstrich er, „halten die Bahner gut stand, trotz der Ablenkungs- und Spaltungsversuche der Regierung.“
„Die Bewegung hat einen Hauch von 1995, es ist etwas im Aufwind“, erklärte der Politiker in einer Anspielung auf den Rückzug der Regierung Juppé vor der Mobilisierung der Bahnarbeiter im Dezember 1995. „Solange die Regierung nicht nachgibt, sehe ich nicht, warum wir aufhören sollten“, fügte Besancenot hinzu. „Es gibt Leute, die von der Politik dieser Regierung einfach aufgebracht sind, es gibt Leute, die Widerstand leisten und die keine Lust haben, sich ausbeuten zu lassen“, sagt er. „Am Mittwoch [21.11., Anmerkung marx21] wird es bei der Post überall Hauptversammlungen geben, um zu sehen, wie man die Bewegung weiterbringen kann“, versicherte der junge Briefträger.
Die Demonstrationen in Zahlen und Fakten:
700000 Demonstranten in 148 Demonstrationszügen in Frankreich, darunter:
- 70000 in Paris
- 8500 in Orléans
- 5000 in Brest
- 3000 in Quimper
- 8000 in Tours
- 10000 in Toulon und St. Étienne
- 15000 in Grenoble
- 15000 in Lyon
- 60000 in Marseille
- 30000 in Nantes und in Bordeaux
- 35000 in Toulouse
- 25000 in Rennes
- 4000 in Strasbourg
- 19000 in Lille
- 20000 in Caen
- 18000 in Rouen
- 15000 in Le Havre
- 30000 in Nantes
- 5000 in Saint-Nazaire
- 15000 in Grenoble
- 1500 in La Réunion
- 10000 in Pau
- Fotos von den Demonstrationen bei phototheque
Im Bildungswesen war der Streik laut Gewerkschaften sehr erfolgreich:
Fast sechs Lehrer von 10 in den Mittelschulen und Gymnasien waren im Rahmen des Mobilisierungstages des öffentlichen Dienstes im Streik. „Insgesamt haben 58% des Personals in den Mittelschulen und Gymnasien gestreikt. Die Mobilisierung war in den Mittelschulen besonders hoch, mit Durchschnitten von 60% und Spitzengraden von 80%“, erklärte eine Sprecherin des SNES. Die Zahlen wurden von der Gewerkschaft bei einer Stichprobe von 200 „Testetablissements“ gesammelt. Die FSU gibt an, dass im Durchschnitt 65% der Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen und 58% der Lehrerinnen und Lehrer und Studienräte in den Mittelschulen und Gymnasien gestreikt haben.
Die UNEF (Gewerkschaft der Studierenden) beziffert die Zahl der Studierenden und Schüler, die an den Demonstrationen teilgenommen haben, auf 40.000:
Ungefähr 40.000 Studierenden und Schüler haben laut UNEF einerseits in Solidarität mit Beamten gestreikt und dabei gleichzeitig die Zurücknahme des Pécresse- Gesetzes über die Universitäten verlangt. UNEF zeigte sich „befriedigt“ vom Erfolg der Mobilisierung. Die Universitäten, insbesondere in Lille, Nantes, Rennes und Lyon, seien besonders aktiv, stellte die Gewerkschaft fest.
Ausgebuht verlässt François Chérèque die Demonstration im Laufschritt:
Die Appelle für das Ende des Streiks im Transportbereich, die der Führer der CFDT, François Chérèque, mehrfach vorgebracht hatte, waren von den Streikenden nicht vergessen worden. Der Generalsekretär wurde von etwa 20 Demonstranten ausgepfiffen, die Aufkleber der CGT trugen: „Chérèque auf der Seite der Arbeitgeber!“, „Sarkozy-Chérèque führen denselben Kampf!“, „Chérèque, bitte kein Messer in unsere Rücken“, riefen sie, worauf Herr Chérèque seinerseits den Demonstrationszug im Laufschritt verließ, geschützt von seiner Eskorte.
Ausstände bei Yoplait:
Die Bediensteten dreier Produktionsstätten von Yoplait Frankreich, in Le Mans (Sarthe), in Monéteau (Yonne) und in Vienne (Isère) streiken, auf einen Aufruf der CGT hin, massiv für die Wiederaufnahme der Lohnverhandlungen 2007 und eine Verbesserung ihrer Kaufkraft.
(Aus dem Französischen von Carla Krüger)
Mehr im Internet:
Video von den Protesten der Studierenden und Eisenbahner am 20. November in Toulouse
(Quelle: www.studentfight.org)