Die Gesundheitsreform der Obama-Administration ist eine Katastrophe für die arbeitenden Menschen und ein Milliarden-Geschenk an die Konzerne. Ein Kommentar von marx21
Obamas zentrales Wahlkampfversprechen des Jahres 2008 war, das Gesundheitssystem zu reformieren – jeder US-Bürger sollte eine Krankenversicherung erhalten. Damit wollte der US-Präsident auch den Missbrauch durch die Versicherungsindustrie beenden. Doch das jüngst verabschiedete Gesetz hat nichts mit der von Obama versprochenen universellen staatlichen Gesundheitsversorgung zu tun. 23 Millionen Menschen werden durch das neue Gesetz nicht versichert. Das ist über ein Drittel derjenigen, die derzeit keine Krankenversicherung besitzen.Unter ihnen beispielsweise Einwanderer ohne Papiere, denen ein Anspruch auf staatliche Leistungen verwehrt wird.
Ein Argument zugunsten der verstümmelten Gesetzesvorlage lautete, dass zumindest die anderen 30 Millionen Nichtversicherten endlich eine Versicherung erhalten. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Versicherung jedoch als Farce. Zum einen bietet das Gesetz keinen sofortigen Gesundheitsschutz. Die Regierung hat bis zum Jahr 2019 Zeit. Zum anderen sieht es vor, über 16 Millionen Menschen in das marode staatliche Gesundheitsprogramm Medicaid zu zwängen. Doch das Programm ist finanziell in der Krise. Immer mehr Ärzte weigern sich, Medicaid-Patienten anzunehmen, weil die Vergütungen erheblich gekürzt wurden.
Eine wirkliche staatliche Krankenkasse soll es nicht geben. Stattdessen sollen die Bundesstaaten ab 2014 so genannte Gesundheitsbörsen einrichten. Dort sollen Millionen Menschen ohne Versicherung Gesundheitspolicen vergleichen und kaufen können. Ein Geschenk für die Versicherungskonzerne. Zwar sollen Geringverdiener staatliche Unterstützung in Form von Steuererleichterungen erhalten. Aber sie werden verpflichtet, eine Police bei einem privaten Versicherer zu kaufen – ohne Garantie auf erschwingliche Beiträge oder angemessene Leistungen. Eine Maßnahme die der Bundesregierung das Recht eingeräumt hätte, die Versicherungsprämien zu regulieren, wurde vom US-Präsidenten als Zugeständnis an die Versicherungskonzerne fallen gelassen.
Dr. Marcia Angell, die frühere Chefredakteurin der weltweit angesehenen medizinischen Zeitschrift »New England Journal of Medicine« erklärte: »Mit diesem Gesetz bleibt nicht nur die kommerzielle Versicherungsindustrie unangetastet, sondern sie erweitert und befestigt faktisch ihre Position als Angelpunkt der Gesundheitsreform. Nicht nur bleiben sie unangetastet, sondern rund 500 Milliarden Dollar öffentlicher Gelder werden in den nächsten zehn Jahren in diese Unternehmen gepumpt, und die Menschen werden verpflichtet, diese Produkte zu einem von diesen Gesellschaften festgesetzten beliebigen Beitrag zu kaufen.«
Anderen Maßnahmen, die als Reform gesehen werden können – wie das Verbot für Versicherer, Patienten mit einer Vorerkrankung abzulehnen -, sind längst überfällig, aber durch Zugeständnisse an die Versicherungskonzerne verwässert worden. Zum Beispiel dürfen sie von älteren Patienten höhere Beiträge verlangen.
Der Gesetzentwurf sah eigentlich vor, dass Frauen die Kosten für eine Abtreibung durch private Zusatzversicherungen abdecken können. Doch Abtreibungsgegner liefen Sturm und Obama gab auch hier nach. Sie setzten einen Gesetzestext durch, nach dem jeder Bundesstaat solche Krankenversicherungen verbieten kann. Abtreibungen werden nur durch Zuschüsse aus Bundesmitteln mitfinanziert werden, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder die Ursache einer Schwangerschaft Inzest oder eine Vergewaltigung ist. Es bleibt den einzelnen Bundesstaaten überlassen, ob sie Frauen die Möglichkeit geben, Kosten für Schwangerschaftsabbrüche durch Zusatzversicherungen abzudecken.
Von Tag eins an haben die Bosse der Versicherungskonzerne mit am Verhandlungstisch gesessen und die Vorschläge der Regierung Obama zu ihren Gunsten beeinflusst. Dabei hat die Gesundheitsindustrie eine Doppelstrategie verfolgt: Ihre Vertreter nahmen als Lobbyisten an Diskussionen mit der Regierung und wichtigen Abgeordneten teil. Gleichzeitig organisierte sie eine Kampagne gegen die Vorschläge der Demokraten und unterstützte die republikanischen Gegner jedweder Gesundheitsreform finanziell und politisch. Für die Riesen der Gesundheitsbranche war das eine Situation, in der sie glaubten, nur gewinnen zu können. Leider ist ihr Plan aufgegangen.
Die Verabschiedung des Gesetzes im Senat wird als »historisches Ereignis« bezeichnet. Das ist es in der Tat, allerdings in anderer Hinsicht. Das Gesetz ist Ausdruck des historischen Scheiterns, eine Reform im Interesse der Armen und Lohnabhängigen durchzusetzen. Die Demokraten haben es versäumt, den Teil der Bevölkerung zu mobilisieren, die das Gesundheitssystem nicht der Profitlogik unterworfen sehen will.