Als Amerika »entdeckt« wurde, hatte der 21-jährige gerade seine Lehrjahre absolviert. Die neu angebrochene Zeit inspirierte ihn zu einem beeindruckenden künstlerischen Werk. Von David Paenson
Albrecht Dürer im Licht seines Zeitalters ist das Leitmotiv der neuen Sonderausstellung im Frankfurter Städelmuseum. Wie er sich von zeitgenössischen und älteren Künstlern, aber auch reichen Gönnern – nicht zuletzt dem Kaiser höchstpersönlich – beeinflussen ließ und seinerseits die Kunstwelt beeinflusste, wird in zahlreichen Exponaten dargestellt und auf Tafeln erklärt. Dürer war schließlich europaweit bekannt, schon zu seinen Lebzeiten entstanden reichlich Plagiate, gegen die er sich juristisch und mit kaiserlicher Unterstützung, jedoch ziemlich erfolglos, zu wehren suchte.
Es waren Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs. Den Kuratoren ist es tatsächlich gelungen, mit geschickter Auswahl und Gegenüberstellung der Werke Dürers und anderer Künstler aufzuzeigen, wie sich die neuen Zeiten in den Gemälden des berühmten Renaissancemalers auf widersprüchliche Weise niederschlugen. Denn als er im Jahr 1471 geboren wurde, war Amerika noch nicht »entdeckt«. Doch als er als junger Mann zu wirken anfing, waren die Eroberungen schon in vollem Gange.
Zeitenwende
Es war die Zeit, in der die mehr oder minder geschlossene Welt des Mittelalters endgültig aufbrach. Diese Zeitenwende schlug sich auch unmittelbar in der Malerei nieder. Fehlte den Werken von Dürers Lehrmeister Michael Wolgemut typischerweise noch die Dreidimensionalität und das Streben nach Realitätstreue in der Abbildung, beschäftigte sich Dürer intensiv mit den menschlichen Proportionen sowie den Gesetzen der Perspektive und malte detailreiche Charakterportraits, so wie die Renaissance insgesamt das Streben auch nach Wissenschaftlichkeit darstellte.
Mit 23 Jahren unternahm er seine erste Italienreise. Aus dieser Zeit stammen verschiedene Landschaftsaquarelle, die die Stationen der Reise detailgenau dokumentieren und gleichzeitig eine Leichtigkeit ausstrahlen, die an wesentlich modernere Maler wie Vincent van Gogh erinnert.
Bruch mit dem Kodex
Dürer drückte in vielerlei Hinsicht sein Gefühl für den Wandel seiner Zeit aus – beispielsweise in den beiden im Jahr 1497 entstandenen Gemälden »Bildnis einer jungen Frau mit offenem Haar« und »Bildnis einer jungen Frau mit geflochtenem Haar«, von denen die Kunsthistoriker annehmen, dass es sich entweder um dieselbe Frau handelt oder um Schwestern. Während die Frau im ersteren Bild die Hände zum Beten gefaltet hält, ihr Blick sich nach innen richtet und ihr Hemd den ganzen Oberkörper bedeckt, ihr Haar aber seltsam frei um ihre Schultern fällt, schaut die Frau auf dem zweiten Bild dem Betrachter auffordernd und gar verlockend direkt in die Augen, womit Dürer mit dem Kodex seiner Zeit deutlich bricht.
Die Ausstellung zeigt auch zahlreiche Holz- und Kupferstiche. Dürer betätigte sich nämlich auch als Drucker und veröffentlichte mehrere biblische Erzählungen mit ganzseitigen Holzschnitten – der Text auf der linken Seite, das Bild auf der rechten. Es waren im wahrsten Sinne Bilderbücher. Dabei gelang es ihm, die Technik so zu verfeinern und die Bilder mit Licht und Schatten so detailreich zu gestalten, dass eine nachträgliche Kolorierung, die noch wenige Jahre zuvor gang und gäbe war, sich erübrigte.
Kunstschätze aus Mexiko
Während seines Aufenthalts in Brüssel im Jahr 1520 hatte er die Gelegenheit, einige Kunstschätze aus Mexiko, dem »neuen gulden Land«, zu bewundern. Während die spanischen Eroberer eifrig zugange waren, alles Gold zu schmelzen, um den aufkeimenden Kapitalismus in Europa mit dem nötigen Flüssigen zu versorgen, blieb dem gelernten Goldschmied Dürer die wunderbare Schönheit und Kunstfertigkeit dieser Objekte nicht verborgen.
Was mich auf meinen Rundgängen schließlich stark beeindruckte, war die Intensität, mit der die Besucher und Besucherinnen die vielfältigen Objekte betrachteten und dazu die Erklärungen lasen oder sich über Audiosets anhörten. Man verlässt die Ausstellung jedenfalls reicher als man sie betreten hat.
Dürer – Deutscher Meister
Noch bis 2. Februar 2014
Städelmuseum Frankfurt
Öffnungszeiten: Dienstag/Mittwoch, Wochenende: 10 bis 19 Uhr, Donnerstag/Freitag: 10 bis 21 Uhr
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Schlagwörter: Ausstellung, Künstler, Museum