Der Streik der Amazon-Beschäftigten erhält Unterstützung von Studierenden der Universität Leipzig. Ein Sieg gegen den Weltkonzern könnte Signalwirkung haben.
Seit Mai 2013 dauert der Arbeitskampf der Amazon-Beschäftigten in Leipzig – Unterstützung erhalten sie nun von einem studentischen Solidaritätsbündnis. Am Mittwoch besuchte eine Delegation der Amazon-Beschäftigten, die sich seit Montag erneut im Streik befinden, die Studierenden auf dem Campus der Universität Leipzig. Am Vormittag traf eine Delegation von 250 Streikenden an der Hochschule ein, die mit Schildern und Transparenten empfangen wurde. Eine Aktivistin des Bündnisses begrüßte die Kollegen mit einer kämpferischen Rede, in der sie betonte, daß die Studenten sich mit dem Arbeitskampf der Beschäftigten solidarisch zeigen, da sie ebenso von prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen betroffen seien. Die zentrale Parole laute: »Wir sind alle Amazon«.
Im Gegensatz zum Konzern, der mit diesem Slogan versucht, eine Identifikation von Beschäftigten und Unternehmen herzustellen, wollen die Studierenden jedoch ausdrücken, daß Kämpfe für höhere Löhne und soziale Sicherheit gemeinsam geführt werden müssen. »Immer mehr Menschen arbeiten und leben in diesem reichen Deutschland unter prekären Bedingungen und können von ihren Löhnen kaum mehr leben. Amazon als weltweiter Konzern steht symptomatisch genau für dieses Geschäftsmodell – die eigenen Profite erhöhen auf Kosten der Löhne«, hieß es in der Rede. Im Anschluß überreichte das Bündnis den Streikenden eine Fotowand mit Solidaritätsgrußbotschaften.
Der ver.di-Sekretär Thomas Schneider betonte, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse sich nur ändern werden, wenn die Menschen sich bewegten und für ihre Rechte gemeinsam kämpften. Das gelte nicht nur für Arbeitsbedingungen, sondern für alle gesellschaftlichen Bereiche: Nur Gegenwehr verändere die Verhältnisse zum Positiven.
Ein Höhepunkt war die Teilnahme eines Sekretärs der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, der sich mit dem Streik solidarisch zeigte. Den Einschüchterungs- und Spaltungsversuchen der Amazon-Geschäftsleitung, die damit droht, nach Polen abzuwandern, erteilte er eine Absage. Die Schaffung von Arbeitsplätzen in Polen sei zwar erwünscht, könne jedoch keinesfalls auf Kosten der deutschen KollegInnen gehen. Die polnische Gewerkschaft stehe auf der Seite der streikenden Arbeiter.
Im Anschluß an die Kundgebung lud das Bündnis interessierte Studierende und Beschäftigte zu einer Informationsveranstaltung ein. Die Streikenden berichteten von ihren Arbeitsbedingungen bei Amazon. Gängige Praxis des Konzerns sei es beispielsweise, die Menschen wie Roboter zu behandeln, zwei Jahre befristet »zur Probe« anzustellen und mittels Leistungsquoten gegeneinander auszuspielen. Zudem seien die unmittelbaren Vorgesetzten der Beschäftigten oftmals ehemalige Militärangehörige, die darauf gedrillt seien, Anweisungen von oben bedingungslos durchzusetzen. Wie eine Kollegin berichtete, ermutige es die Beschäftigten in ihrem Arbeitskampf, wenn sie Unterstützung von außerhalb des Werks erhielten.
Eine Möglichkeit sei es, den Bestellungen Streiksolidaritätsgrußbotschaften beizufügen. Eine Kollegin fügte hinzu: »Wenn sie uns Beschäftigte schon nicht als Menschen wahrnehmen, die öffentliche Solidarität von potentiellen Kunden wirkt vielleicht schon!« Einen Weltkonzern wie Amazon zu Verhandlungen und in den Flächentarif zu zwingen wäre ein Sieg für alle Belegschaften und hätte auch positive Auswirkungen in andere Branchen: Dieser Streik hat Vorbildcharakter.
Von Jana Werner
Infos zum Streik Soli-Bündnis Leipzig und zu Möglichkeiten der Streikunterstützung unter: streiksoli.blogsport.de
Der Artikel erschien zuerst in der jungen Welt und wurde an dieser Stelle dokumentiert.