Howard Zinn, einer der bekanntesten Persönlichkeiten der amerikanischen Linken, Historiker und politischer Aktivist ist gestorben. Ein Nachruf von Yaak Pabst.
Howard war ein leidenschaftlicher, intellektueller Kämpfer für eine bessere Welt. Er starb gestern während einer Reise in Santa Monica, Kalifornien mit 87 Jahren an einem Herzinfarkt. Das bekannteste Werk Zinns ist die umfangreiche »Eine Geschichte des amerikanischen Volkes« (A Peoples History), die 1980 veröffentlicht wurde. Der US-Autor Noam Chomsky würdigte gestern seinen »wichtigen Beitrag zur amerikanischen intellektuellen und moralischen Kultur«. Er habe in »unvergleichlicher Weise und in positiver Hinsicht das Gewissen von Amerika« repräsentiert. Howard Zinn betrat mit »A People’s History« Neuland in der Geschichtsschreibung der Vereinigten Staaten. Bis dato waren die US-Geschichtsbücher voll mit den Heldentaten weißer Männer, Kriegsberichterstattung und Lobeshymnen auf den amerikanischen Kapitalismus.
Dem setzte er bewusst eine Geschichte von unten entgegen. In einem Interview erklärt er seine Methode: »Wegen der unvermeidlichen Stellungnahme für oder gegen eine bestimmte Seite in der Geschichte ziehe ich es vor, die Entdeckung Amerikas aus dem Blickwinkel der Arawaks zu erzählen, die Verfassung vom Standpunkt der Sklaven, Andrew Jackson, wie er von den Cherokees gesehen wurde; den Bürgerkrieg aus der Perspektive der Iren in New York, den mexikanischen Krieg, wie er von den Deserteuren von Scott’s Armee erlebt wurde; die Industrialisierung vom Leiden der jungen Frauen in den Textilfabriken, den Spanisch-Amerikanischen Krieg aus der Perspektive der Kubaner, die Eroberung der Philippinen aus Sicht der schwarzen US-Soldaten in Luzon, den Ersten Weltkrieg aus der Sicht der Sozialisten und den Zweiten aus jener der Pazifisten; den New Deal, wie er von Schwarzen in Harlem erlebt wurden und den Nachkriegs-Einfluss der USA vom Standpunkt der Billiglohnarbeiter in Lateinamerika.«
Es geht um die Perspektive der Indianer, der Schwarzen, der Arbeiter, der Frauen, der Einwanderer – kurz: Es geht ihm um all jene die in Amerika unterdrückt und benachteiligt sind. Aber Zinn zeigt die Unterdrückten nicht nur als Opfer. Für ihn ist die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen. Die Unterdrückten können eingreifen und sich wehren, können selbst Geschichte machen. Das Buch ist zum Klassiker geworden. Es gehört auf jeden Fall in die Hände all derjenigen, die hinter die Kulissen blicken wollen, die die Welt verstehen und ändern wollen.
»Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.« schrieb Karl Marx. Nach dieser politischen Maxime lasst sich das Leben und das Werk von Howard Zinn beschreiben. In den letzten Jahren engagierte er sich gegen die kriegerische Außenpolitik der USA. Er war aktiver Teil der Friedensbewegung in den USA, hielt Referate und Reden wo er konnte. In seinem beim Verlag Schwarzer Freitag erhältlichen Buch wird sein Werk weiterleben – für eine neue Generation von Aktivistinnen und Aktivisten.
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