Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen zeigt die Polarisierung der französischen Politik. Die faschistische Front National gewann mehr Stimmen als die linke Front de Gauche. Rassismus gegenüber Muslimen ist das Schlüsselthema, erläutert Jim Wolfreys
Die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen dokumentiert einen dramatischen Anstieg der Unterstützung für Marine Le Pens faschistische Front National (FN). Le Pen erreichte mit 18 Prozent der Stimmen den dritten Platz nach François Hollande mit 29 Prozent und dem derzeitigen rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy mit 27 Prozent. 6,5 Millionen stimmten für die FN, das sind acht Prozent mehr als noch im Jahr 2007 und mehr als jemals zuvor für die extreme Rechte in Frankreich.
Kommentatoren in den einschlägigen Medien deuten das »weichere« Image der FN unter Marine Le Pen als Beleg dafür, dass die Partei sich gemäßigt habe. Das ist aber falsch. Sie mag das äußere Erscheinungsbild der Partei etwas verändert haben, aber die Parteigründer hatten von Anfang an das Ziel verfolgt, dem Faschismus ein modernes Antlitz zu verpassen. Le Pen verfolgt nach wie vor diese Strategie.
Offen rassistische Agenda
Im Laufe der letzten fünf Jahre profitierte die FN am meisten von Nicolas Sarkozys Obsession mit dem Thema der »nationalen Identität«. Seine Präsidentschaft vereinte eine drastische Kürzungspolitik mit einem absolut grotesken Lifestyle und einer offen rassistischen Agenda, wie sie kein französischer Präsident der Gegenwart vertreten hat.
Die Regierung verfügte Quoten für »illegale« Einwanderer und setzte diese auch rücksichtslos um. Camps der Roma wurden in Trümmer geschlagen und Frankreichs muslimische Bevölkerung einer üblen und unaufhörlichen Hetzkampagne ausgesetzt.
Der Staat hat Kleidungsvorschriften erlassen und die Freiheit des Gebets eingeschränkt: Das öffentliche Tragen der Verschleierung wurde untersagt, Beten auf der Straße verboten. In seiner Wahlkampagne trat Sarkozy streckenweise in Le Pens Fußstapfen, indem er Panik wegen halal geschlachteten Fleisches und islamischen Fundamentalismus schürte.
Leichtes Spiel für Le Pen
Die Islamophobie von Politikern und Parteien aller Schattierungen hat die FN legitimiert. Sie hat es der Milionärstochter Marine Le Pen leicht gemacht, als Kämpferin gegen die »Elite« und ihre Kürzungspolitik zu posieren.
Sie behauptet, ihre Partei sei »die einzige Opposition gegen die ultra-neoliberale Linke«. Sarkozy und Hollande werden nun bei der zweiten Runde am 6. Mai gegeneinander antreten. Die Umfragen legen nahe, dass Hollande gewinnen wird.
Linke mit bestem Ergebnis seit 1988
Der Schock des hohen Stimmanteils für die FN sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Linke seit 1988 noch nie so gut bei einer ersten Runde abgeschnitten hat. Die linken Stimmen setzen sich zusammen aus jenen, die für Hollandes »gerechte Kürzungen« gestimmt haben, und jenen, die für Jean-Luc Mélenchons Linke Front votierten. Seine Vorschläge für eine Umverteilung des Reichtums und eine ökologische Erneuerung zogen 11 Prozent der Stimmen auf sich, während die Neue Antikapitalistische Partei 1,2 Prozent erzielte.
Mélenchon argumentiert zu Recht, dass die Achse Sarkozy-Merkel im Zentrum des europaweiten Kürzungskurses gebrochen werden muss. Die Linke muss daher bei der zweiten Runde dafür Sorge tragen, dass Sarkozy eine Niederlage erleidet.
Obwohl der Stimmenanteil der radikalen Linken niedriger als erwartet lag, macht er klar, dass es eine beträchtliche Unterstützung für eine Alternative zur Kürzungspolitik gibt.
Rassismus konfrontieren
Aber wer auch immer als Sieger aus der zweiten Runde hervorgeht, die Unternehmer werden in die Offensive gehen. Dagegen wird eine Bewegung des betrieblichen und politischen Widerstandes nötig sein, die ein Maximum an Einigkeit beweist.
Das bedeutet, dass die Linke aktiv die Front National und die Welle der Islamophobie, die den Rassismus in Frankreich respektabel gemacht hat, konfrontieren muss. Die furchtbaren Folgen ihres Versagens, in der Vergangenheit eine solche Linie zu verfolgen, sind allzu offensichtlich. Zugleich besitzt die Linke aber das Potenzial, einen Weg aus der Krise der französischen Gesellschaft aufzuzeigen.
Spaltung der FN
Die FN kann geschlagen werden. In den 1990er Jahren mobilisierten Antifaschisten gegen ihre Treffen und beteiligten sich an einer Kampagne der »demokratischen Belagerung« der Organisation. Das half, eine schädigende Spaltung der FN zu provozieren, von der sie sich bis heute nicht erholt hat.
Am Vorabend der Wahlen tat Mélenchon Le Pen als Schreckgespenst ab. Sie sei der »Yeti der französischen politischen Landschaft« und »Straßenbauarbeiter für die Kreuzzüge«. Er verglich jene, die »Besser Le Pen als Mélenchon« rufen mit jenen, die in den 1930er Jahren »Besser Hitler als die Volksfront« riefen. Der Vergleich ist berechtigt. Die Aufgabe jetzt ist es, diesen schönen Worten Taten folgen zu lassen.
(Zuerst erschienen in der britischen Wochenzeitung Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson)
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