Vom derzeit wieder aufflammenden Streit um die Rettung Griechenlands sollte man sich nicht verwirren lassen. Denn in einer Hinsicht sind sich die beteiligten Akteure einig: Zahlen für die Eurokrise sollen nicht die Finanzinstitute und großen Anleger, sondern die Bevölkerungen. Eben das sieht der »Euro-Plus-Pakt« vor. Von Thomas Walter
Ende März wurde vom »Europäischen Rat«, der aus den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union besteht, der Pakt für den Euro beschlossen – bzw. der Euro-Plus-Pakt, weil auch Staaten ohne Euro beitreten können.(1) Vordergründig geht es um die Rettung von Staatsregierungen (Griechenland, Irland, Portugal), die ihre Schulden nicht mehr zahlen können. Eigentlich können Staaten auch pleite gehen, etwa Argentinien 2001. Das bedeutet aber, dass die Gläubiger der Staaten, also die Banken und diejenigen, die bei Banken ihr Geld angelegt haben, einen Teil der Verluste tragen müssen. Damit droht eine weitere Bankenkrise, die der Pakt für den Euro abwenden soll. Bis 2013 gilt der jetzige, vorläufig eingerichtete »Euro-Rettungsschirm«. Ab 2013 wird der Europäische Stabilisierungsmechanismus ESM dauerhaft in Kraft treten. Er kann insgesamt 500 Mrd. Euro an Krediten vergeben. Finanziert wird dieser Mechanismus über die Staaten der Eurozone, die sich das Geld natürlich beschaffen müssen.
80 Mrd. Euro werden von den Staaten direkt eingezahlt. 420 Mrd. Euro werden als Kreditgarantien für ESM-Anleihen bereitgehalten. Um für ESM-Anleihen das höchste Rating AAA der privaten Ratingagenturen zu erzielen, müssen die Staaten allerdings für mehr bürgen, nämlich für rund 620 Mrd. Euro. Ein solches Rating ist ein Urteil über die Kreditwürdigkeit eines Staates und hat Einfluss auf die Bedingungen, zu denen sich ein Staat (oder Unternehmen) Geld beschaffen kann. 250 Mrd. Euro stellt weiterhin der Internationale Währungsfonds (IWF) als Kredit zur Verfügung.
Die Kredite des ESM sollen den Eurostaaten zur Verfügung gestellt werden, sofern die Finanzminister der so genannten Euro-Gruppe, eine Koordinierungsgruppe der Eurostaaten, das einstimmig beschließen. Wie beim IWF soll der Zinssatz jeweils um einen Prozentpunkt, ab dem dritten Jahr um zwei Prozentpunkte über dem liegen, was der ESM an Zinsen am Markt zahlen muss. Wenn es bei der Rückzahlung der Kredite Schwierigkeiten geben sollte, sollen zuerst der IWF, dann der ESM und dann die privaten Gläubiger ihr Geld zurück erhalten. Der ESM kann den Staaten auch Geld geben, indem er direkt deren Staatsanleihen kauft.
Ab 2013 sollen private Gläubiger einen Teil der Verluste tragen, wenn Staaten nicht zurückzahlen können. Zuvor müssen die Europäische Kommission und der IWF zu dem Ergebnis kommen, dass es anders nicht geht.
Wem nutzt, wem schadet der Pakt?
Das Kapital steht seit der Finanzkrise von 2007 vor vielen Problemen. Jahrzehntelang war der Weltkapitalismus nur noch über Kredit künstlich gewachsen. Schließlich zeigte sich, dass diese Kredite nie würden zurückgezahlt werden können. Da die Gläubiger der Banken aber ihr Geld natürlich zurückhaben wollten, standen die Eliten vor der Wahl, die Banken zusammenbrechen zu lassen oder die Verluste mussten sozialisiert werden, indem die Staaten Kapitalhilfen für die Banken organisierten. »Europa hat sich entschieden, in der Krise die Bürger zur Kasse zu bitten und die Banken ungeschoren davonkommen zu lassen«, schreibt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«.(2a)
Allerdings konnten die Regierungen gar nicht rasch genug oder nicht in dem erforderlichen Ausmaß helfen. Was tun? Karl Marx hatte noch geschrieben: »Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprozesses kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, dass nun etwa eine Bank, z.B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft.«(3) Genau das haben allerdings die zentralen Staatsbanken, in Europa die Europäische Zentralbank (EZB), in den USA die Federal Reserve, getan. Sie halfen, indem sie mit selbst gemachtem Geld den Banken ihre wertlosen Papiere abkauften.
Um die Finanzmärkte zu erhalten, mussten die Zentralbanken außerdem jetzt Bankgeschäfte selbst durchführen, weil den Banken nicht einmal mehr die Banken selbst trauten.
Bei kleineren Staaten wie Griechenland, Irland, Portugal bekamen die Kapitalanleger Zweifel, ob diese Länder ihre Schulden würden zurückzahlen können. Diese Länder bekamen Kredit nur noch mit riesigen Risikoaufschlägen auf die Zinsen.
Bevor die Krise ausbrach, glaubten Kapitalanleger, dass im Notfall finanzkräftigere Länder wie Deutschland verschuldeten Staaten beispringen würden. Da aber in der Krise auch die Verschuldung der starken Länder stieg, wollten die Kapitalanleger sich jetzt nicht mehr darauf verlassen – zumal solche Hilfen gemäß der sogenannten No-bailout-Klausel nicht einmal erlaubt waren. Um die Konkurrenz zwischen den Staaten im Konzerninteresse anzuheizen, war bei der Einführung des Euro durchgesetzt worden, dass keine europäische Regierung einer anderen helfen darf, wenn diese bankrott zu gehen droht (»No-bailout-Klausel« laut Artikel 125 des AEU-Vertrags, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Jeder Staat sollte so von den privaten Kapitalgebern abhängig gemacht werden. Erst jetzt, wo die privaten Kapitalgeber um die Rückzahlung fürchten, entdeckt man plötzlich juristische Hintertürchen und erlaubt zwischenstaatliche Hilfen.
Mit den Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der Staaten war deren Zahlungsunfähigkeit erst recht vorprogrammiert. Die EZB musste schon wieder einspringen, indem sie den Banken, wieder mit selbstgemachtem Geld, die Staatspapiere Portugals und anderer betroffener Länder abkaufte.
Eine Aufgabe des Paktes besteht darin, dass die Hilfen der EZB wieder zurückgefahren und dafür den Regierungen aufgebürdet werden sollen. Die zentralen Staatsbanken können sich ihre Hilfen zwar auch wieder zurückholen. Sie drucken ja ihr Geld selbst und bürden so die Lasten über höhere Preise der Allgemeinheit auf. Doch das kann auch die – aus Sicht der Herrschenden – »Falschen« treffen, etwa Kapitalisten. Dazu kommt, dass Zentralbanken das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Wenn ständig über Kredite der Zentralbanken an notleidende Banken, auch noch zu sehr günstigen Konditionen, gesprochen wird, können auch andere auf die Idee kommen, einen Kredit der Zentralbank in Anspruch nehmen zu wollen. Sind die Staatshilfen an die Banken dagegen alle bei den Regierungen untergebracht, dann können diese beim Sozialstaat »sparen« mit der Begründung, dass ja die hohe Staatsverschuldung abgebaut werden muss.
Treibende Kräfte hinter dem Pakt
Hinter dem Pakt stehen die Konzerne. Der Präsident des Bankenverbandes Andreas Schmitz drückt das so aus: »Die Politiker retten das Konzept des Euro! Der Euro hat der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren enorme Stabilität und Wachstumschancen geboten. Die Rückkehr zur D-Mark ist keine Alternative. Mit einer Neuauflage wären wir bestenfalls eine größere Schweiz und beim Export würden wir nicht bloß von China nur noch die Hacken sehen. Alle Einschnitte der letzten Dekade: Lohnzurückhaltung, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wären vergebens gewesen.«(4)
Die französische und deutsche Regierung versprechen sich vom Pakt, die anderen kapitalistischen Länder den eigenen Kapitalinteressen unterordnen zu können. Diese sind in Geldnot und müssen sich helfen lassen, wollen sie weiter ihren Anteil an der kapitalistischen Ausbeutung haben. Deutschland und Frankreich wollen die Bedingungen diktieren. Die Bedingungen sind Privatisierungen und Lohn- und Sozialabbau, so dass deutsches bzw. französisches Kapital dort kostengünstig produzieren kann. So lautet beispielsweise ein Punkt im Pakt: »Sicherstellung, dass die Lohnabschlüsse im öffentlichen Sektor den auf eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerichteten Anstrengungen im Privatsektor förderlich sind (eingedenk der wichtigen Signalwirkung der Löhne des öffentlichen Sektors).«
Das Rentenalter soll zwischen den Staaten »angeglichen« werden. Die deutsche Regierung denkt nicht daran, das Renteneintrittsalter, das sie gerade auf 67 Jahre anhebt, wieder abzusenken. Also sollen die anderen Staaten ihr Rentenalter auf deutsches Niveau anheben.
Durchgesetzt werden soll das alles durch einen europaweiten Dirigismus. Im Text des Paktes wimmelt es an Begriffen wie »stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung« mit der Arbeitsgruppe »Wirtschaftspolitische Steuerung«, »neuer Rahmen für die Überwachung der Wirtschaftspolitik« mit schon bestehendem »regulären Überwachungsrahmen« oder jährliches »Monitoring«. Ökonomen wie Hans Werner Sinn sehen schon eine neue Planwirtschaft im Werden.(5)
Auch die Regierungen der kleineren Länder, etwa Griechenlands oder Portugals, versprechen sich durch den Pakt Hilfe im Kampf gegen die eigene Arbeiterklasse. Was diese Regierungen nicht aus eigener Kraft gegen die Bevölkerung durchsetzen konnten, soll jetzt durchgesetzt werden, indem man behauptet, man könne gegen »die Deutschen« oder gegen die Europäische Union nichts machen.
Tatsächlich hätten die nationalen Regierungen Spielräume. Diese Spielräume nutzen sie aber nur für eigene Kapitalinteressen, oder wenn sie Konflikten mit der eigenen Bevölkerung aus dem Weg gehen wollen. Portugal z.B. weigerte sich eine Zeit lang erfolgreich, die »Hilfen« der EU, die ja an Bedingungen zu Lasten der Bevölkerung geknüpft sind, in Anspruch zu nehmen. Die portugiesische Regierung wusste, dass die EZB nicht zulassen konnte, dass die portugiesischen Staatspapiere im Kurs fallen. Dies würde schließlich die privaten Banken treffen, die diese Papiere gekauft hatten. Also blieb der Zentralbank, die die privaten Banken um jeden Preis schützen will, nichts anderes übrig, als diese Papiere zu kaufen. Inzwischen hat aber die portugiesische Regierung in diesem Nervenkrieg nachgegeben und ist bereit »gegen strenge Auflagen«, die natürlich nicht sie treffen, sondern die Bevölkerung, Kredite des Europäischen Rettungsschirmes anzunehmen.
Ein ähnliches Pokerspiel gibt es auch zwischen der deutschen Regierung und der EZB. Unter dem Druck der eigenen kleinbürgerlichen Anhänger bringt die CDU/CSU-FDP-Regierung immer wieder ins Gespräch, dass Griechenland oder Portugal doch nicht so ohne weiteres geholfen wird. Dann müssten aber eben wiederum die Banken und die Gläubiger der Banken die Verluste tragen. Das kann die EZB nicht zulassen. Sie müsste also helfen. Der schwarze Peter wäre wieder bei der EZB. Inzwischen hat sich die EZB bei der deutschen Regierung beschwert, dass diese immer noch gelegentlich querschießt. Auf die Idee, dass eben Banken und Kapitalanleger die Verluste tragen müssen, kommt die EZB nicht, aus Angst, dass dann ihr System zusammenbricht.(6)
Ob der Pakt den Euro wirklich rettet, ist schon allein wegen dieser Querelen unklar. Während die einen die internationalen Konzerne und Banken retten und die Konzernverluste bei der Bevölkerung abladen wollen, haben andere Kapitalfraktionen Angst, dass sie beim Bezahlen mit von der Partie sind. Dies spiegelt sich darin wieder, dass »populistische« Parteien hochkommen, oder dass auch aus den Reihen der CDU/CSU und FDP immer wieder Querschüsse kommen. So äußerte sich zum Beispiel Patrick Adenauer, bis vor kurzem Chef der »Familienunternehmer«, enttäuscht über seine Partei CDU, die immer noch mehr Geld den Banken hinterherwirft, obwohl diese von der Zentralbank billigen Kredit bekommen, den sie zu hohen Zinsen an die Unternehmen weiterreichen.(7) Mittelschichtkreise wollen durchzusetzen, dass der Bundestag Hilfen des ESM im Einzelfall genehmigen muss, während das Finanzministerium im Konzerninteresse ein unbürokratisches Entscheidungsrecht des Finanzministers als demokratische Legitimierung für ausreichend hält. Allerdings haben diese Mittelschichtkreise keine Chance gegen die Konzerne. Zur Lachnummer hat sich z.B. das von FDP-Ex-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf den Weg gebrachte »Kapitalentflechtungsgesetz« entwickelt, die FDP-Variante von »Zerschlagt die Banken und Konzerne!« Um die Mittelschichten bei Laune zu halten, werden die bürgerlichen Parteien umso mehr versuchen, die Krisenverluste zu Lasten der Arbeitnehmer und des Sozialstaates abzuwickeln.
Die Zwergenaufstände der Mittelschichten zeigen, dass die Krise des Kapitalismus längst auf die »Ideologiewirtschaft« übergegriffen hat. Karl Marx hatte das in seiner Analyse des Finanzkapitalismus und dessen Krise so dargestellt: »Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Erscheinung dar. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert daher die Staatseinmischung heraus. Er reproduziert eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachern, Gründern und bloß nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.«(8)
Dieses »Monopol« bereitet den bürgerlichen Krisenmanagern große Sorgen und fordert in der Tat die »Staatseinmischung« heraus. Die Banken sind sprichwörtlich »too big to fail«, zu groß, als dass der kapitalistische Staat sie fallen lassen könnte. Erbittert wehren sich die Interessenvertreter der Banken und Konzerne gegen eine Beteiligung an den Kosten, obwohl sie selbst für die vergebenen Kredite verantwortlich sind. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« schreibt: »Nur ein Thema verschweigen Europas Regierungschefs: die labile Situation der Banken. Die Politiker erwecken den Eindruck, es gehe bei der Krise längst nur noch um die Staaten – vor allem um die an der Peripherie der Euro-Zone. Griechenland, Portugal, Irland und so. Aber das stimmt nicht. Es geht auch um Banken. Auch um deutsche Banken.«(2b)
Zombiebanken bevölkern einen Zombiekapitalismus, der nur noch staatlich künstlich am Leben erhalten werden kann. Dies wird von den Märkten schon längst eingepreist. Dass der DAX, wenigstens beim so genannten »Performance«-Index, schon wieder 7500 Punkte erreicht hat nach dem letzten Höhepunkt von 8000 im Jahr 2007, liegt nicht zuletzt daran, dass die Märkte sich darauf verlassen, dass notfalls die zentralen Staatsbanken die Kurswerte stützen, indem sie die Papiere kaufen.(9) Dies wird in der Wirtschaftspresse als die »neue Sorglosigkeit« und als »sittliche Versuchung« oder »moral hazard« beklagt. Die Märkte verlassen sich einfach darauf, dass Verluste notfalls sozialisiert werden.
Aufgaben der Linken
Der Euro-Pakt empfiehlt fast nur Ausgabenkürzungen. Verluste der Banken und der anderen Kapitalisten sollen sozialisiert werden zu Lasten des Sozialstaates. Nur einmal erwähnt er die Anhebung des Rentenbeitragssatzes. Auch dies träfe die Arbeitnehmer. Aber die Linke könnte daran anknüpfen und die Besteuerung der Reichen statt Kürzung von Sozialausgaben verlangen. Das ständige Gejammere über die zu hohe Staatsverschuldung, die durch die kapitalistische Krise verursacht wurde, muss damit beantwortet werden, dass die Reichen besteuert werden, statt deren Guthaben bei den Banken mit immer noch größeren Staatshilfen zu retten.
Aufgabe der Linken ist es auch, sich dagegen zu verwahren, dass der Staat immer stärker in die Wirtschaft zugunsten des Kapitals eingreift und dass zentral für das Kapital geplant und gesteuert wird und nicht für die Menschen. Wenn der Pakt vorsieht, dass geplant, stärker wirtschaftspolitisch koordiniert, gesteuert, überwacht oder gemonitort wird, dann sollte das im Interesse der Bevölkerung geschehen und nicht für »wankende Banken«. Wenn die »No-Bailout-Klausel« fallen gelassen wird, nur weil sonst Verluste für private Banken drohen, dann kann die Linke dass zum Anlass nehmen und »Ausnahmen« auch für den Sozialstaat fordern, etwa bei der neuen »Schuldenbremse« im Grundgesetz.
Fordern alleine reicht selbstverständlich nicht. Die Linke hat die Möglichkeit und Aufgabe, Kämpfe und Streiks von Gewerkschaften praktisch zu unterstützten. Die Linke kann europaweite Solidarität organisieren helfen – auch gegen rassistische Versuche, Migranten als Sündenböcke für die Auswirkungen von Krise bzw. Sozialabbau zu präsentieren.
In der Ideologiekrise des Kapitalismus Stellung beziehen, ist eine weitere wichtige Aufgabe. Der Kapitalismus hat inzwischen für Krisenzeiten eine Reihe von Plan-B-Ideologien entwickelt.
Nach Weltwirtschaftskrise, Faschismus und dem Zweiten Weltkrieg war der Kapitalismus ebenfalls in einer Ideologiekrise. Damals wurde in Deutschland von bürgerlichen Ökonomen der Ordoliberalismus entwickelt, der einen »starken Staat« fordert, um die Bildung von Monopolen zu verhindern. So sollte die Kritik am Kapitalismus aufgefangen werden. Die Monopole haben sich natürlich um die Forderungen der Ordoliberalen nicht gekümmert. In der heutigen Wirtschaftskrise wird der Ordoliberalismus wieder entdeckt, z.B. von dem Ökonomen Hans-Werner Sinn, von CDU- und Attac-Mitglied Heiner Geißler, aber auch von Sahra Wagenknecht.(10) In einem Augenblick, wo das Kapital für seine Interessen mehr und mehr auf staatliche Planung und Eingriffe zurückgreift, sollte aber besser über Defizite der Marktwirtschaft und über eine andere, wirklich demokratische Wirtschaftsweise im Interesse der Bevölkerung nachgedacht werden.
Zum Autor:
Thomas Walter ist Ökonom und Mitglied der LINKEN.
Mehr auf marx21.de:
- Desaster made in Germany: Griechenlands Wirtschaftsdaten sind nicht viel schlechter als die anderer Staaten. Thomas Walter erklärt, warum das Land trotzdem im Zentrum der Krise steht (Artikel vom 21. Mai 2010)
Anmerkungen:
(1) »Schlussfolgerungen« und Text des Paktes finden sich hier: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/119824.pdf (PDF, 155 KB)
(2a) und (2b) Christian Siedenbiedel: »Schon wieder wanken Banken«, FAZ.net 06.03.2011
(3) Karl Marx: »Das Kapital«, Band III, S. 507
(4) FR-Interview mit Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes Deutsche Banken in Berlin: »Die Banken sind nicht so stark wie sie sein müssten«, Frankfurter Rundschau 11.03.2011
(5) Welt-online 04.02.2011: »Ifo-Chef sieht EU auf dem Weg in die Planwirtschaft«
(6) Jörg Eigendorf: »Die EZB verkommt zur Schuldenagentur der EU«, »Die Welt« vom 16.05.2011 und J. Dams, J. Eigendorf und M. Greive: »Deutschland lädt Griechenland-Krise bei uns ab«, »Die Welt« vom 16.05.2011
(7) Henrike Rossbach: »Im Gespräch: Patrick Adenauer ›Wir sind von dieser Regierung enttäuscht‹«, FAZ.net 06.05.2011
(8) Karl Marx: »Das Kapital«, Band III, S. 454.
(9) Deutsche Bundesbank: Performanceindex. Beim Kurswertindex sieht es etwas bescheidener aus. Hier erreicht der DAX etwa die Hälfte des Verlustes, den er seit dem letzten Höhepunkt 2007 hinnehmen musste.
(10) Gespräch mit Sahra Wagenknecht: »Kapitalismus untergräbt Freiheit und zerstört Demokratie« – Über Defizite der Planwirtschaft, Vorzüge ordoliberalen Denkens und den richtigen Weg zum Sozialismus. »junge Welt«, Wochenendbeilage 14./15. Mai 2011