Flankenschutz für westlichen Interventionismus sei die Unterstützung der syrischen Revolution, warf Junge-Welt-Autor Werner Pirker Christine Buchholz vor. Hier ist ihre Antwort
Ist es möglich, sowohl gegen Assad zu sein, und sich zugleich gegen ausländische Einmischung in Syrien zu richten? Werner Pirker hält dies für unmöglich und greift mich deshalb in seiner Kolumne »Der Schwarze Kanal« (Junge welt, Wochenendbeilage vom 21.01.2012) an. Er behauptet, die von mir bekundete Solidarität mit der syrischen Revolution sei »nichts anderes als der linke Flankenschutz für den westlichen Interventionismus«. Dies ist eine Behauptung, für die Werner Pirker keinerlei Belege anführt. Er führt überhaupt nur eine einzige Stelle aus der von mir verfassten Stellungnahme an, in der er ich das Assad-Regime für dessen Brutalität angreife: »Geschätzte 5000 Menschen wurden seit Beginn der Proteste ermordet, viele weitere inhaftiert, gedemütigt und gefoltert.« Zu dieser Aussage, die auch syrische Linke bestätigen, stehe ich.
Warum Werner Pirker daraus einen »Flankenschutz für den westlichen Interventionismus« ableitet, bleibt sein Geheimnis. Anlass dazu gab ich ihm nicht. Er war jedenfalls gezwungen, den kompletten übrigen Text meiner Stellungnahme zu ignorieren. Bereits in der Überschrift fordere ich: »Nein zu westlicher Intervention«. Im weiteren Verlauf attackiere ich die heuchlerische Politik des Westens gegenüber Syrien und ihre Bündnispartner im konservativ ausgerichteten oppositionellen Syrischen Nationalrat. Schließlich stelle ich mich offensiv gegen die Sanktionspolitik, wie sie nun vom Westen beschlossen wurde. Zusammengefasst argumentiere ich: »DIE LINKE ist die einzige Partei im Bundestag, die gegen eine militärische Intervention des Westens im Nahen Osten steht. Ebenso steht sie als einzige Partei gegen eine Embargopolitik, die einzig die Armen in Syrien treffen und die Revolution schwächen würde.« Dies war, ist und bleibt meine Position.
Haltlose Vorwürfe
Hätte die Junge Welt meine Stellungnahme abgedruckt, die ich ihr zur Verfügung gestellt habe, dann wäre deutlich geworden, dass Werner Pirkers Anwürfe völlig haltlos sind. Seit Jahren stelle ich mich im Bundestag und auf der Straße aktiv gegen alle westlichen Interventionen, ob in Afghanistan, Somalia, Sudan oder Libyen.
Ich habe mich deshalb auch zu keinem Zeitpunkt von meinen eigenen Fraktionskollegen distanziert, die den Aufruf »Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!« unterzeichnet haben. Claudia Wangerin hat in der Jungen welt vom 20. Januar zu Recht festgestellt, dass in dem Aufruf »keine Sympathien für die dortigen Regimes geäußert, sondern lediglich Maßnahmen abgelehnt wurden, die nach Einschätzung der Linken vor allem die einfache Bevölkerung treffen«.
Repression durch Assad
Werner Pirker wirft mir vor, ich übernähme unkritisch die Angaben bürgerlichen Medien. Zunächst einmal: Es ist das Assad-Regime, das jede freie Berichterstattung aus dem Land heraus unterbindet. Ich muss meine Aussagen deshalb auf die Informationen stützen, die Vertreter der Bewegung unter Gefahr für Leib und Leben nach draußen senden. Dank der weiten Verbreitung moderner Kommunikationsmedien können die von Handys aufgenommenen Bilder von Demonstrationen und die bewaffneten Repressionsmaßnahmen jeden Abend im Internet oder auf Al-Jazeera gesehen werden – sofern man die Realität sehen will.
Werner Pirker tut diese Quellen ab. Er selbst stützt sich in seinem Kommentar statt dessen auf überhaupt keine Quellen. Es reicht ihm aus, dass das Assad-Regime beim Westen in Ungnade gefallen ist. Was ihn nicht interessiert, ist die langjährige Kooperation des Assad-Regimes mit den deutschen Repressionsbehörden, von der ich in meinem Artikel gesprochen habe. Ebenso wenig scheint er wahrzunehmen, dass in den vergangenen Jahren die Assad-Regierung die repressive staatskapitalistische Struktur Syriens einem Prozess der wirtschaftlichen Liberalisierung unterworfen hat. Von diesem Prozess profitieren nicht nur einige wenige Vertreter der herrschenden Staatspartei oder der mit ihnen kooperierenden Kommunistischen Partei Syriens, sondern auch deutsche Firmen wie Siemens.
Assad und der deutsche Staat
CDU/CSU und FDP möchten diese Kooperation zwischen Assad, dem deutschen Staat und dem deutschen Kapital vergessen machen. Deshalb haben sie eigens im Bundestag am 19. Januar eine »Aktuelle Stunde« einberufen, um ausgerechnet DIE LINKE als Kollaborateure des Assad-Regimes zu brandmarken. Ulrich Maurer verwies in seiner Reaktion darauf, dass es unsere Fraktion ist, die die linke Opposition Syrien seit Monaten unterstützt und eine Ende der Abschiebungen von Regimegegnern über Ungarn nach Syrien fordert. Auch dazu stehe ich, wie die gesamte Linksfraktion.
Jetzt, wo das Assad-Regime seinen Wert für den Westen verloren hat, positionieren sich die Regierungen in Berlin, Paris und Washington gegen ihn. Sie stellen sich heuchlerisch an die Seite der syrischen Revolution. Das allein ändert aber noch nicht den Charakter der revolutionären Bewegung. Vielmehr findet nun ein Positionskampf innerhalb der syrischen Opposition statt. Die westlich orientierten syrischen Geschäftsleute werden die ersten sein, die auf einen Dialog mit dem mörderischen Regime setzen, um den Staatsapparat zu stabilisieren.
Mit den Unterdrückten
Ich habe in meiner Stellungnahme für die Solidarität mit der syrischen Revolution gestritten. Menschenmassen, die über Wochen und Monate trotz drohenden Beschuss durch Heckenschützen auf die Straße gehen, um ihre Wut gegen einen Diktator auszudrücken, gebührt unser Respekt und unsere Unterstützung. Diese Bewegung ist wie jede authentische revolutionäre Bewegung in all ihrer Lebendigkeit politisch vielfältig. Es geht darum, sich mit den verschiedenen Positionen im brüderlichen Geiste auseinanderzusetzen, anstatt sie abzutun.
Werner Pirker hält seine Position nur durch, weil er die Realitäten auf den Kopf stellt. So behauptet er ernsthaft, der syrische Aufstand sei »nicht die Fortsetzung der arabischen Revolution, sondern ihre Eindämmung.« Das hieße im Umkehrschluss: Das Assad-Regime, gegen das sich diese Bewegung richtet, sei die Bewahrerin der arabischen Revolution. Nicht einmal Assad selbst ist bisher auf diese groteske Idee gekommen. Es ist auch nicht überliefert, dass er sich mit den Bewegungen solidarisiert hat, die den tunesischen Diktator Ben Ali oder den ägyptischen Diktator Mubarak gestürzt haben. Die Bewegung in Syrien hat, wie ihre Vorbilder in den anderen arabischen Staaten, als eine friedliche Straßenprotestbewegung begonnen. Sie wurde von der tunesischen und ägyptischen Revolution inspiriert und teilt ihre Forderungen. Es ist für jeden Araber offensichtlich, dass Assad in einer Reihe mit anderen Staatschefs steht, mit Ben Ali, Mubarak, Gaddafi, König Khalifa und Saleh. Und er reagiert auch genauso brutal wie alle anderen.
Es sollte für jeden Linken und jeden Antiimperialisten selbstverständlich sein, sich mit den Unterdrückten zu solidarisieren, und nicht mit den Unterdrückern. Genauso selbstverständlich sollte es sein, im Meinungsstreit unter Linken auf Diffamierungen zu verzichten. Diese Methode können wir den Parteien überlassen, die wirklich auf militärische Interventionen oder neue Hungerembargos gegen Ländern im Nahen Osten drängen.
Mehr im Internet:
- Solidarität mit der Revolution – Nein zu westlicher Intervention: Christine Buchholz' Beitrag anlässlich der Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema DIE LINKE und Syrien
- Revolution 21: Werner Pirkers Antwort in der Jungen Welt
Mehr auf marx21.de:
- Der syrische Aufstand und die Linke : Die Geschichte Tunesiens und Ägyptens zeigt, dass der Westen stets dazu bereit war, antidemokratische und autoritäre Regimes zu tolerieren und zu unterstützen, wenn dies im Einklang mit den eigenen Interessen stand. Doch dieser Schluss kann dann zu Verwirrungen führen, wenn Regime, die sich offiziell in Opposition zur westlichen Dominanz im Nahen Osten befinden, von Innen herausgefordert werden