Die französische Armee kämpft mit Unterstützung der Bundeswehr in Mali, angeblich um die Zivilbevölkerung vor mordenden Islamisten zu schützen. In Wirklichkeit folgt die Intervention ganz anderen Zielen, meint unsere Gesprächspartnerin Christine Buchholz
marx21.de: Die Grünen befürworten den Militäreinsatz in Mali. Spitzenkandidat Jürgen Trittin begründet das damit, dass so ein weiterer Vorstoß der Islamisten nach Süden gestoppt werden könnte. Beschreibt der Begriff »Islamisten« die Kräfte korrekt, die seit dem letzten Frühjahr die Abspaltung des Nordens vorantreiben?
Christine Buchholz: Den Vormarsch von rund tausend Rebellen in Richtung Süden haben nun Grüne, aber auch SPD, CDU und FDP, zum Anlass genommen das zu forcieren, was sie schon seit Monaten fordern: eine Beteiligung der Bundeswehr an der Auseinandersetzung um Mali. Bisher war allerdings nur von einer Ausbildungsmission für die malische Armee die Rede. Nun soll die Bundeswehr die Kampfhandlungen der französischen Armee direkt unterstützen.
Was die Kräfte angeht, die die Abspaltung des Nordens vorantreiben, so kommen dort zwei Konfliktlagen zusammen: zum einen der Kampf der Tuareg für nationale Selbstbestimmung und zum anderen das Agieren islamistischer Gruppen.
Die Sahara im Norden Malis ist Rückzugsgebiet bewaffneter Gruppen, die unter islamischer Fahne von kriminellen Aktivitäten leben. Sie haben den Konflikt mit den Tuareg genutzt, um Städte unter ihre Kontrolle zu bringen und scheinen in der malischen Bevölkerung kaum verankert zu sein.
Das Volk der Tuareg hat sich seit der Unabhängigkeit Malis im Jahr 1960 immer wieder gegen die Zentralregierung erhoben. Aus welchen Gründen?
Vom Reichtum unter dem Boden der Sahara haben die Tuareg nie etwas abbekommen. In den 1990er Jahren wurden ganze Tuareg-Familien Opfer von Gewalttaten, die die malische Armee und Milizen verübt haben.
An der Unterdrückung der Tuareg wird sich auch nichts ändern, wenn die französische Armee die Ortschaften im Norden zurückerobern sollte. Nun gibt es erste Meldungen, wonach die malische Armee im Rücken der französischen Kräfte Racheakte an arabischen Bewohnern von Orten verübt haben soll, denen sie Kollaboration mit Islamisten vorwirft. Das war leider zu erwarten.
Die islamisch geprägte Gruppe Ansar ad-Din ist eine relativ junge Erscheinung. Wie ist sie entstanden und welchen Rückhalt hat sie?
Bei den Ansar ad-Din – den »Anhängern des Glaubens« – handelt es sich um eine lokal verankerte Organisation. Sie ist eine Abspaltung von der säkularen MNLA, die jahrelang die politisch dominierende Kraft unter den Tuareg war. Ansar ad-Din nennen sich islamistisch, werden aber von einem Mann geführt, der durchaus für seine Liebe zum Whiskey bekannt ist.
Die Gruppe pflegte in den Auseinandersetzungen mit der malischen Armee Beziehungen zu »al-Kaida im islamischen Maghreb« (AQMI). Dabei handelt es sich um ein Überbleibsel des algerischen Bürgerkriegs. Ansar ad-Din verfolgt aber keinen globalen Dschihad, sondern will Veränderungen in Mali. Sie stand, wie auch die MNLA, wochenlang mit der malischen Regierung in Friedensverhandlungen. Der französische Angriff hat diese Verhandlungen abrupt beendet.
Vor den Kämpfen im Norden sind hunderttausende Menschen geflohen. Kann deren Entwurzelung einen Militäreinsatz rechtfertigen?
Der Krieg schafft weiteres Flüchtlingselend. Die UNHCR geht davon aus, dass es in naher Zukunft bis zu 300.000 zusätzliche Vertriebene innerhalb von Mali sowie mehr als 400.000 weitere Flüchtlinge in den Nachbarländern geben könnte.
Die Intervention erfolgt im Einklang mit der malischen Zentralregierung. Wie demokratisch ist diese Regierung?
Im März 2012 wurde Amadou Touré, der gewählte Präsident Malis, durch einen Militärputsch aus dem Amt entfernt. Der Anführer der Putschisten, Amadou Sanogo, ist als Hauptmann ein Vertreter des Mittelbaus. Er steht den USA nah. Sanogo nahm dort in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2010 an Ausbildungsmaßnahmen teil.
Im Dezember 2012 kam es zu einem weiteren Putsch unter Führung Sanogos, in dessen Verlauf der Premierminister der Übergangsregierung festgenommen wurde. Das ganze Kabinett trat unter Druck zurück. Die Unterstützungsmission der EU, an der sich auch die Bundesregierung beteiligt, legitimiert eine Regierung von Putschisten.
Wie kommt Frankreich dazu, die Putschisten zu unterstützen?
Es geht nicht um die Menschen in diesem armen Land. Es geht um Uran, Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten und Kupfer. Noch wichtiger sind der ehemaligen Kolonialmacht allerdings die Uranvorkommen im benachbarten Niger, dem drittgrößten Uranproduzenten der Welt.
Frankreich hat in den vergangenen fünfzig Jahren ein Netz von Politikern, Firmen, Geheimdiensten, Militärs und despotischen Regimen in Afrika aufgebaut. Für diesen Filz gibt es im Französischen einen eigenen Begriff: Françafrique. Der aktuelle Krieg in Mali hat viele Vorgänger. Frankreichs Armee hat in den letzten vierzig Jahren unter anderem im Tschad, in der Westsahara, der Elfenbeinküste, in Ruanda und Kongo militärisch interveniert. Immer ging es darum, die Interessen französischer Konzerne und generell den französischen Einfluss auf die Regierungen in diesen Ländern zu bewahren.
Und gibt Deutschland der französischen Regierung dabei Rückendeckung?
Bis zur Wiedervereinigung war die Bundesrepublik militärisch im Ausland nicht einsatzfähig. Die Regierung Kohl wollte das zu Beginn der 1990er Jahre ändern und begann, die deutsche Öffentlichkeit an bis dahin undenkbare Militäreinsätze zu gewöhnen. Es ging darum, irgendwann dieselbe militärische Stärke zu erlangen wie die wirtschaftlich schwächeren, aber politisch stärkeren Mächte Frankreich und Großbritannien. Die Bereitschaft der gegenwärtigen Bundesregierung, sich erneut an einem Krieg auf dem afrikanischen Kontinent zu beteiligen, ist Ausdruck dessen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière drückte es jüngst so aus: »Als starkes Mitglied der internationalen Gemeinschaft wird Deutschland künftig eher häufiger gefragt werden, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen – auch militärisch.«
Wie steht die Zivilgesellschaft in Mali zu den Putschisten und zu den ausländischen Truppen?
Es gibt in der Zivilgesellschaft angesichts der prekären Lage im Land Kräfte, die auf die durch einen Putsch an die Macht gekommene Regierung und auch auf militärische Unterstützung aus dem Ausland hoffen. Aber es gibt auch Organisationen, die sich gegen den Krieg stellen. So existiert eine Initiative von Frauen, die im Dezember einen Appell veröffentlicht haben unter dem Motto »Frauen sagen ›Nein‹ zum Stellvertreterkrieg in Mali«. Daran beteiligt ist die ehemalige malische Kulturministerin Aminata Traoré. Eine andere Initiative plant zurzeit eine »Bürgerkarawane für den Frieden«. Sobald es die Sicherheitslage zulässt, will das Bündnis mit einer großen Demonstration von Bamako oder Mopti aus in die umkämpften Gebiete ziehen.
Was können Linke in Deutschland jetzt tun?
Erstens wird DIE LINKE im Bundestag mit Nein stimmen, wenn es zur Debatte über den Bundeswehreinsatz in Mali kommen sollte. Zweitens müssen Linke allgemein die Hintergründe dieses neuen Krieges erklären und deutlich machen, dass eine weitere militärische Eskalation keines der wirklichen Probleme Malis löst. Drittens müssen wir die Kräfte in Mali unterstützen, die sich gegen den Krieg stellen und versuchen, das Elend der Flüchtlinge zu mildern.
Zur Person:
Christine Buchholz ist friedenspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag.
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