Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen sind nur noch der Kandidat des Militärrates und der Kandidat der Muslimbruderschaft im Rennen. marx21.de dokumentiert eine Stellungnahme der ägyptischen Revolutionären Sozialisten, die zur Bildung einer Front gegen den Militärrat aufruft
Die Bewegung der Revolutionären Sozialisten bekräftigt ihre grundlegende Ablehnung des Kandidaten des Militärrats, der ehemaligen Nationaldemokratischen Partei und der Kräfte der Konterrevolution, Ahmad Shafik. Shafik hat es geschafft, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu erreichen, wo er nun dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Dr. Mohammed Mursi, gegenübersteht.
Dies verdankt Shafik der massiven Mobilisierung durch das konterrevolutionäre Lager, das die ganze organisierte Macht der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen eingesetzt hat. Dazu zählen der staatliche Unterdrückungsapparat, die Medien und Geschäftsinteressen, die hinter Shafik stehen.
Opposition unterdrückt
Sein Erfolg verdankt sich nicht zuletzt der Schmutzkampagne, der systematischen Unterdrückung und Einschüchterung der anderen gesellschaftlichen Kräfte, die ihren Höhepunkt vor den Wahlen fanden und von den niedersten Elementen des alten Regimes ausgedrückt wurden, die es wagten, wieder bei Wahlen anzutreten.
Hinzu kam die Unfähigkeit der reformistischen und der revolutionären Kräfte, sich zu einer vereinten Front zusammenzuschließen, um diese Kandidatur zu verhindern. Nicht zuletzt reflektiert Shafiks Kandidatur auch das Versagen der Kandidaten, die aus der Revolution hervorgegangen sind, dabei, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, der klar das Programm der Revolution vorträgt. Davor hatten wir noch kürzlich gewarnt.
Kandidat der Revolution
Auf der anderen Seite begrüßt die Bewegung der Revolutionären Sozialisten die Leistung all der Wähler aus der Unterschicht, der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, der Angestellten, der Kopten, der Arbeitslosen und der Jugendlichen der Revolution, die Hamdin Sabahi unterstützt haben. Er ist in den Wahlen nur knapp hinter Shafik gelandet und erhielt 21,2 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Darin spiegelt sich seine große Unterstützung in der Bevölkerung, unter den Kräften, die das Projekt der Revolution unterstützen, und unter allen, die zu einem Programm der Linken stehen, das soziale Fragen und die Frage der Demokratie vereint. Dies hat es erlaubt, eine Front der militanten Linken aufzubauen, die auf den ägyptischen Straßen große Beliebtheit genießt.
Sieg des Militärrats verhindern
Wir unterstreichen, dass wir alle Initiativen begrüßen, die dazu führen, Vorfälle von Wahlbetrug gegen Sabbahi zu verifizieren, und ebenso alle Anstrengungen, das Gesetz, das den Ausschluss von den Wahlen erlaubt, gegen Ahmad Shafik anzuwenden. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass die Massen die wirkungsvollste, einflussreichste und verlässlichste Kraft in den Kämpfen um Demokratie sind.
Sie haben sich ihre Teilnahme daran durch ihren großen revolutionären Kampf verdient. Aus ihren Reihen gingen vom Beginn der Revolution bis heute Märtyrer hervor, und viele wurden verwundet. Wir sind auch überzeugt, dass ein Sieg Shafiks in der zweiten Runde ein große Niederlage für die Revolution und ein schwerer Rückschlag gegen ihre demokratischen und sozialen Ziele wäre.
Gemeinsame Front gegen Shafik
Shafiks Sieg böte eine hervorragende Gelegenheit für die Vorbereitungen, die die Konterrevolution treffen könnte, um einen brutaleren und umfangreicheren Rachefeldzug unter der Losung der Wiederherstellung der Sicherheit auf den Straßen zu beginnen.
Wir rufen daher alle reformistischen und revolutionären Kräfte sowie die verbliebenen revolutionären Kandidaten auf, eine nationale Front zu bilden, die sich gegen den Kandidaten der Konterrevolution stellt, und verlangen, dass die Muslimbruderschaft folgende Ziele anerkennt:
- Die Bildung einer Präsidentschaftskoalition mit Hamdin Sabahi und Abdel Moneim Abul Futuh als Vizepräsidenten.
- Die Wahl eines Premierministers, der nicht der Muslimbruderschaft oder der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei angehört und die Bildung einer Regierung, die das gesamte politische Spektrum repräsentiert und in der die Kopten vertreten sind.
- Die Zustimmung zu einem Gesetz für die Freiheit der Gewerkschaften, das klar den Pluralismus und die Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung unterstützt; ein solches Gesetz steht im Gegensatz zu dem Gesetzesvorschlag, den die Bruderschaft der Volksversammlung vorgelegt hat.
- Die Übereinkunft der Bruderschaft mit anderen politischen Kräften zugunsten einer zivilen Verfassung, die soziale Gerechtigkeit, das Recht auf ein kostenloses und qualitativ hochwertiges Gesundheits- und Bildungssystem, das Recht zu streiken, zu demonstrieren und friedliche Sit-ins zu organisieren, die öffentlichen und privaten Rechte aller Bürger und die Vertretung von Frauen, Kopten, Arbeitern und Jugendlichen in der verfassungsgebenden Versammlung garantiert. Wir müssen die Muslimbruderschaft und alle anderen politischen Kräfte an dieser Stelle dazu aufrufen, die Interessen der Revolution vor die eigenen parteipolitischen Interessen zu stellen und sich gegen Shafik zu verbünden, damit wir unsere Revolution nicht zur leichten Beute für ihre Feinde machen.
Kritik an der Muslimbruderschaft
Unsere Position bedeutet derweil selbstverständlich nicht, dass wir unsere Kritik an dem Sozial- und Wirtschaftsprogramm der Muslimbruderschaft, der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei und ihrem »Renaissance Projekt« aufgeben, denn dieses ist im Kern auf Marktwirtschaft und die Finanz- und Geschäftswelt ausgerichtet.
Noch schwächen wir unsere Kritik an dem politischen Vorgehen der Führung der Bruderschaft und der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei ab, an ihrem Vertrauen in den Militärrat und an ihren Attacken auf die Revolutionäre während der Zusammenstöße in der Mohammed-Mahmoud-Straße, vor den Kabinettsbüros und anderswo.
Recht der Massen verteidigen
Zu diesen Angriffen gehörte, dass den Revolutionären Sozialisten und anderen revolutionären Kräften Verrat vorgeworfen wurde, sowie die förmliche Einreichung einer rechtlichen Beschwerde über uns beim Generalstaatsanwalt.
Was uns jedoch in erster Linie treibt, ist das Interesse der Revolution und ihre Zukunft. Wir müssen das Recht der Massen verteidigen, Entscheidungen zu treffen, und diese Entscheidungen zu überprüfen, denn das ist eine Vorbedingung dafür, dass sie ihr Bewusstsein und ihre Positionierung gegenüber unterschiedlichen politischen Kräften entwickeln können.
Muslimbruderschaft breit verankert
Wir sind uns auch über die Größe des Irrtums bewusst, der darin liegt, nicht zwischen dem Reformismus der Muslimbruderschaft und dem vermeintlichen Faschismus Shafiks zu unterscheiden. Die Bruderschaft wird bei Wahlen von Millionen Menschen unterstützt, die eine Neuverteilung der Revolution und echte Demokratie wünschen.
Sie wird von einfachen Mitgliedern von Gewerkschaften und Berufsverbänden ebenso getragen wie von anderen sozialen und demokratischen Organisationen, und sie hat ein Publikum unter armen Bauern, Arbeitern und den Arbeitslosen.
Shafik, Mann des Militärs
Shafik ist ein Mann des Militärs. Er und die Verbrecher, die seine Wahl leiten, sind in dem Wunsch verbunden, die Revolution zu beenden und die Tür zu weiteren demokratischen oder wirtschaftlichen Kämpfen zuzuschlagen. Wir schwören heute, uns dem weitestmöglichen Kampf der Masse unseres Volkes gegen den Kandidaten des alten Regimes anzuschließen. Mit der Wahl Shafiks würde eine rote Linie überschritten, als wenn Mubarak zurückkäme oder von seinen Verbrechen freigesprochen würde. Sie wäre gleichbedeutend mit der Leugnung der Opfer der Märtyrer und einer Anerkennung des Scheiterns der Revolution.
Die Bedingungen für den weiteren Kampf für ein anständiges Leben ebenso wie die Fortführung der politischen und sozialen Revolution würde extrem erschwert werden, sollte Shafik in den Präsidentenpalast einziehen.
- Verwandeln wir die zweite Runde der Wahlen in einen Schlag gegen das alte Regime!
- Kämpfen wir darum, die Massen gegen die Revolte der Sklavenhalter zu organisieren!
(Aus dem Englischen von David Meienreis)