Ein Sieg der Demokraten bei der US-Wahl im November 2008 scheint sicher. Ein grundlegender Politikwechsel hingegen nicht, meint David Meienreis.
(Der Text ist erschienen in: marx21 Nr.4, Februar 2008, Printausgabe)
Am 5. Februar fanden in 20 US-Bundesstaaten die parteiinternen Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten statt. Zu Drucklegung dieses Magazins standen die Ergebnisse noch nicht fest, aber aller Wahrscheinlichkeit nach haben die US-Demokraten an diesem „Super Tuesday“ Hillary Clinton oder Barack Obama als ihren Kandidaten gekürt.. Da die Republikaner, die Partei des regierenden Präsidenten George Bush, durch dessen Sozial-, Steuer- und Außenpolitik schwer angeschlagen sind, haben die Demokraten an diesem Tag voraussichtlich auch entschieden, wer am 4. November die Präsidentschaftswahl gewinnen wird.
Im linken und liberalen Lager setzen viele ihre Hoffnungen auf einen Demokratischen Wahlsieg. Ein Schwarzer oder eine Frau im Weißen Haus würde nicht nur ein neues Kapitel der amerikanischen Geschichte aufschlagen. Auch das bisherige Abstimmungsverhalten der beiden US-Senatoren und ihre politischen Aussagen aus den vergangenen Monaten scheinen darauf hinzuweisen, dass mit ihrer Amtszeit ein neue Ära des sozialen Ausgleichs, der Bürgerrechte und einer friedlicheren Außenpolitik beginnen könnte. Ähnliche Hoffnungen hatten sich an die Wahl Bill Clintons 1991 geknüpft. Ähnlich wie damals werden auch sie enttäuscht werden.
Das liegt nicht nur an der Nähe der beiden Kandidaten zum Big Business. So sind Clintons Hauptsponsoren die Unternehmen der Rüstungs- und der Pharmaindustrie. Obama wird vor allem vom Finanzkapital, den großen Banken und Investmentfirmen der New Yorker Wall Street finanziert. Aber auch wenn sich seine Geldgeber aus den Reihen der Gewerkschaften, Umweltverbände oder der Friedensbewegung rekrutieren würden, müsste jedes kommende Regierungsoberhaupt der USA sich an die Lösung einer Reihe schwerer Probleme des US-Kapitals machen. Auch die Politik der Bush-Regierung entspringt nicht der persönlichen Bosheit des Präsidenten, sondern ist eine Antwort der herrschenden Klasse der USA auf den relativen Niedergang ihres Landes im Weltgefüge.
"Mama Warbucks" und der "neue Kennedy"
Die beiden Lager dieser herrschenden Klasse, die in den Republikanern und den Demokraten ihre politischen Vertreter haben, unterscheiden sich lediglich in taktischen Fragen. Beide wollen aber den globalen Führungsanspruch der USA militärisch und ökonomisch verteidigen. So ist Obamas außenpolitisches Projekt, „die amerikanische Führung zu erneuern.“1
Gerade die beiden Spitzenkandidaten der Demokraten betonen, wie sehr sie an einer Zusammenarbeit der beiden Parteien interessiert sind, und haben in der Vergangenheit oft mit den Republikanern abgestimmt. Wirtschaftspolitisch hat Obama erst dieser Tage die „Dynamik“ von Präsident Reagan gelobt, der in den USA die harte Wende zum Neoliberalismus und zum Kampf gegen die Gewerkschaften einläutete.2 Auf die Frage, wie sie im „Krieg gegen den Terror“ das Verhältnis von Menschen- und Bürgerrechten gegenüber Sicherheitsfragen gewichten wolle, erwiderte Clinton knapp, sie sehe die erste Aufgabe des amerikanischen Präsidenten in der Verteidigung und Sicherung der Vereinigten Staaten.3 Die Militärausgaben hält Clinton gar für zu niedrig, den Einsatz von Atomwaffen gegen „Terroristen“ will sie nicht ausschließen.4 Bis kurz vor Beginn des Wahlkampfes räumte sie dem Präsidenten auch das Recht ein, in Einzelfällen von „der üblichen internationalen Praxis“ abzuweichen und Gefangene zu foltern.5 Wie vor ihm Bill Clinton versucht Obama, sich mit Verweisen auf John F. Kennedy zu profilieren. Kennedy zeichnete sich verantwortlich für die Kuba-Krise und die Eskalation des Vietnamkrieges. Historisch gesehen waren es vor allem demokratische Präsidenten, die das Land in Kriege führten. In Bezug auf die Situation im Irak schlagen die Demokraten vor, das US-Militär seiner Leistungsfähungsfähigkeit entsprechend zu reduzieren. Die Dauer der Besatzung wollten sie kürzlich nicht einmal auf weitere zehn Jahre begrenzen.
Denn das Eingeständnis einer Niederlage in ihrem weltweiten Krieg würde für die USA bedeuten, ihren globalen Vormachtsanspruch endgültig abgeben zu müssen. Das US-Kapital steht wirtschaftlich enorm unter Druck. Seinen Abstieg kann es zurzeit nur noch durch das Ausspielen der militärischen Übermacht seines Staates abbremsen.
Supermacht auf tönernen Füßen
Überschattet wird die US-Wahl von dem Crash, der auf die Spekulationsblase im Immobilien- und Hypothekenmarkt gefolgt ist. Immer größere Finanzunternehmen melden milliardenschwere Verluste aus dem Handel mit Grundstücken und Immobilienkrediten. Diese Krise breitet sich auf immer weitere Kreise, Branchen und Länder aus. In den USA werden bis Ende des Jahres womöglich zwei Millionen Haushalte ihre Unterkünfte zwangsversteigern müssen. Nach dem wirtschaftlichen Wachstum in den ersten Jahren der Bush-Regierung, von dessen Früchten die Masse der Normal- und Geringverdiener nichts abbekam, steht nun eine Rezession an. Arbeits- und Obdachlosigkeit drohen vielen Millionen Menschen in einem Land, dessen Sozialwesen seit 30 Jahren von demokratischen und republikanischen Präsidenten unterschiedslos ausgedünnt und zerschlagen worden ist.
Immer größere auch Industrieunternehmen werden in den Strudel gerissen, dessen Zentrum nun die Krise des US-Finanzwesens darstellt.. Aufgrund der wirtschaftlichen Krise wird sich das Haushaltsdefizit der Bush-Regierung den bisherigen Schätzungen zufolge mindestens verdoppeln. Der wissenschaftliche Dienst des Kongresses hat Anfang Januar einen Bericht vorgelegt, in dem er die möglichen Folgen einer ausgewachsenen Dollarkrise auslotet.6 Eine solche scheinen sie nicht mehr auszuschließen. Sie könnte mittelfristig bedeuten, dass der Dollar seine Stellung als weltweite Reserve- und Leitwährung einbüßt.7 Die US-Währung hat in den vergangenen Jahren bereits 30 Prozent ihres Tauschwertes gegenüber anderen Währungen wie dem Euro verloren. Trotzdem drängen führende Ökonomen auf eine weitere Abwertung, um das ausufernde US-Handelsdefizit einzugrenzen.
Die Immobilienblase der vergangenen Jahre folgte auf den Börsenkrach von 2001. Das grundlegende Problem der globalen und der US-Wirtschaft bleibt ungelöst: Die profitablen Anlagemöglichkeiten im produzierenden Gewerbe reichen nicht aus. Daran hat auch die staatlich dirigierte, massive Umverteilungspolitik der Präsidenten seit Ronald Reagan nichts Grundsätzliches ändern können.
Im Ergebnis steht die US-Regierung nun vor einem Schuldenberg, der in jedem anderen Land den Internationalen Währungsfond mit seinen berüchtigten Strukturanpassungsmaßnahmen auf den Plan rufen würde. Ausländische Investoren sind im Besitz von Firmenanteilen im Wert von zwei Dritteln des US-Bruttoinlandsproduktes. Die US-Wirtschaft ist auf den Import von mehr als acht Milliarden Dollar pro Tag angewiesen, um sich zu refinanzieren.8 Die Autoren des oben erwähnten Berichtes für den Kongress drängen deshalb auf eine internationale Lösung der Probleme. Die wichtigen anderen Akteure – die EU-Staaten, Japan und China – sollen hinzugezogen werden. Ihre Binnennachfrage müsse gestärkt werden, damit sie weniger exportieren und mehr US-Produkte importieren. Ihre Zentralbanken sollen konzertiert an den Finanzmärkten intervenieren. Staatliche Einrichtungen sollen eingreifen, um ein unheilvolles Ausufern der Krise zu verhindern. Nicht von ungefähr sieht die Wirtschaftspresse unter Schaudern einen „neuen Keynesianismus“ heraufdämmern.
Keine Alternative
Wenn Clinton und Obama eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Staaten ankündigen und angesichts des Hypothekencrashs ein Sofortpaket der Regierung fordern, wollen sie den von der Regierung Bush angerichteten Schaden begrenzen. Dass deren Kurs in die Sackgasse geführt hat, haben die Spitzen aus US-Wirtschaft und Staat schon so deutlich erkannt, dass Bush weitgehend isoliert ist und seit langem als „lame duck“, als lahme Ente bezeichnet wird, als Schaufensterpräsident, der weder die Bevölkerung noch das Kapital auf seiner Seite hat.
Auch außenpolitisch ist das kaum noch zu leugnen. Wie Clinton aber nach dem 11. September zu den feurigsten Unterstützern des Präsidenten gehörte, schlägt sie auch jetzt keinen Abzug aus dem Irak vor. In Afghanistan sieht sie ebenso wie Obama ein wichtiges Schlachtfeld, von dem sich die USA in absehbarer Zukunft nicht zurückziehen dürften. Auch der Iran steht auf der Liste der möglichen Angriffsziele der Demokraten weiterhin ganz oben. In dieser Frage kritisiert Clinton die Bushregierung gar dafür, andere Staaten in die Verhandlungen einbezogen zu haben.9
Die breite Ablehnung des weltweiten Feldzugs der Bush-Regierung in der US-Bevölkerung interpretieren die Demokraten im Sinne handwerklicher Fehler. Bush habe falsche taktische Entscheidungen getroffen und das US-Militär so in die Krise geführt. Der heiße Streit in der amerikanischen herrschenden Klasse ist mittlerweile dahingehend entschieden, dass der ausschließliche Einsatz militärischer Mittel und Drohungen nicht zum Ziel führt. Die Kosten der US-Kriege werden untragbar, auch weil diese von keiner nachhaltigen politischen Strategie zum Umgang mit den besetzten Ländern begleitet werden. Obama wie Clinton kündigen deshalb verstärkte diplomatische Zusammenarbeit an. Die „Lasten“ sollen „geteilt“ werden.
„Sicher scheint, dass es zu einem radikalen Kurswechsel nicht kommen wird, jedenfalls nicht kurzfristig“, prognostiziert ein Kommentar der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.10 Es wäre auch das erste Mal, dass ein Stabswechsel von einer Hand der US-Herrschenden in die andere eine grundlegende Veränderung brächte. Die Krise des US-Kapitals werden auch die Demokraten auf Kosten der einfachen Menschen in den USA und weltweit zu lösen versuchen.
Autor:
David Meienreis hat Nordamerikastudien studiert und arbeitet im Arbeitskreis Internationale Politik der Linksfraktion im Bundestag.
Anmerkungen:
1 Barack Obama: Renewing American Leadership, in: Foreing Affairs, Vol. 86, Nr. 4, Juli/August 2007, S. 2-16.
2 "Obama's Reagan Comparison Sparks Debate"; blog.washingtonpost.com. Das gesamte Interview unter: http://news.rgj.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20080115/VIDEO/80115026..
3 "Hillary Clinton on Homeland Security"; www.ontheissues.org.
4 "Hillary Clinton on Military Policy", Foreign Policy in Focus, 12. Dezember 2007, wwwfpif.org.
5 "Hillary Clinton on Homeland Security"; www.ontheissues.org.
6 CRS Report for Congress, "Dollar Crisis: Prospects and Implications", 8. Januar 2008; Order Code RL34311.
7 Vgl. "Dollar's golden era is ending, warns Soros", 25. Januar 2008, www.telegraph.co.uk.
8 C. Fred Bergsten, "Currency Misalignment and the US Economy", Einlassung vor Unterausschüssen des House of Representatives, 9. Mai 2007; www.iie.com.
9 "Hillary Clinton on Military Policy", Foreign Policy in Focus, 12. Dezember 2007, wwwfpif.org.
10 Jochen Thies: Die unsichere Supermacht, in: Neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte, Jg. 55, 2008, H. 1/ 2, , S. 34.