Die Wohnungsprivatisierung der Stadt Halle wird zu einem Desaster für die Mieter und die Beschäftigten der beiden kommunalen Wohnungsbaugesellschaften führen. Jürgen Ehlers und Yaak Pabst meinen, dass die Zustimmung der LINKEN in Halle ein Fehler war.
Die Stadt Halle hat als »Ausweg« aus der dramatischen Verschuldung den Verkauf von Geschäftsanteilen von zwei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften (HWG und GWG) sowie die Privatisierung von knapp 6000 Wohnungen beschlossen. Die Stadt ist mit 280 Millionen Euro verschuldet. Zwar sollen zunächst nur 25 Prozent der Geschäftsanteile verkauft werden, aber gleichzeitig werden alle Rücklagen der Gesellschaften aufgelöst, um die Löcher im Haushalt der Kommune zu stopfen. Das kann nicht gut gehen, weil diese Rücklagen gebildet worden sind, um Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten bezahlen zu können und um Defizite zum Beispiel bei Leerstand oder sogar notwendigen Rückbau (Abbruch) finanzieren zu können. Das Auflösen der Rücklagen macht die Gesellschaften auf lange Sicht nur sehr eingeschränkt handlungsfähig, es sei denn, die Mieten werden erhöht.
Dem Verkauf und der Privatisierung hat leider auch die LINKE in Halle zugestimmt. Begründet wurde die Zustimmung mit dem Argument, dass ein ausgeglichener Haushalt Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit sei. Außerdem seien durch Zusatzklauseln eventuelle »soziale Härten für die Mieter« abgewendet worden. Eine Klausel ist zum Beispiel, dass die Stadt nicht an eine »Heuschrecke« verkaufen darf, sondern an eine Genossenschaft oder eine andere kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Der Verkauf an eine Genossenschaft beziehungsweise eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist kein »kleineres Übel« wie einige vielleicht meinen. Eine gute Wohnungsbaugesellschaft, egal ob Genossenschaft oder nicht, ist nur dann gut (im Sinne von preiswerten Mieten und vorbildlicher Bestandspflege), wenn es von der Kommune politisch gewollt ist. Das setzt voraus, dass diese Gesellschaften durch die Stadt politisch geführt werden können, weil diese über die Mehrheit im Aufsichtsrat verfügt. Und es setzt einen entsprechenden politischen Willen voraus, sich dem Profitbestreben des Marktes zu widersetzten und die Bedürfnisse der Mieter vor die Profitinteressen zustellen. Diesen politischen Willen gibt es in Halle leider nicht. Die politisch Verantwortlichen wissen das ganz genau. Sie vertrauen im besten Fall darauf, dass es schon nicht so schlimm kommen wird, wenn hinter verschlossenen Türen über die weiter oben genannten Einzelheiten gesprochen wird. Das hat nichts mit verantwortungsvoller linker Politik zu tun. Ebenso wird unterschlagen, dass Zusatzklauseln spätestens dann nicht mehr gelten, wenn der erste Käufer die Wohnungen weiter verkauft. Diese Erfahrungen wurden bei anderen Wohnungsverkäufen schon gemacht.
Es findet sich in der Argumentation des Fraktionschefs der LINKEN, Bodo Meerheim, auch kein Hinweis darauf, dass die Mieten nicht erhöht werden. Es ist lediglich die Rede davon, dass ein Investor, der mit 25 Prozent einsteigt, keinen Einfluss auf die Festlegung der Miethöhen haben soll. Damit ist nicht gesagt, dass die Stadt nicht selbst die Mieten erhöhen oder die Kosten durch Personalabbau und Verringerung der notwendigen Investitionen drücken will. Sollte es tatsächlich zu Verhandlungen mit einem Investor kommen, dann wird die Frage der zukünftigen Miethöhen und die Zahl der Beschäftigten im Fordergrund stehen und sollte es zu keiner Einigung in diesen Fragen kommen, dann wird er nicht einmal 5 Prozent der Anteile kaufen wollen. Die Stadt Halle hat sich durch den Verkauf erpressbar gemacht.
Das Argument der »Notwendigkeit« von Haushaltkonsolidierung ist unter den vom Bund vorgegebenen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen abzulehnen. Es gibt keinen objektiven Grund für immer weitere Kürzungsrunden und Sparprogramme, denn Geld ist genug vorhanden – aber der gesellschaftliche Reichtum ist ungercht verteilt. Die neoliberale Politik der Bundesregierung(en) hat zu dieser massiven Umverteilung geführt und ist auch verantwortlich für das finanzielle Ausbluten der Kommunen. Dieser Spieß muss grundsätzlich umgedreht werden, wenn Spielräume für linke Politik zurückgewonnen werden sollen. Eine Politik die im Hier und Jetzt erfolgreich seien möchte, muss Widerstand gegen die Umverteilung von Arm zu Reich organisieren und nicht die Armut verwalten.
Die LINKE in Halle ist mit 14 Vertretern im Stadtrat stärkste Kraft neben der CDU die ebenfalls 14 Sitze hat. Die LINKE hätte mit ihren Stimmen ein Verkauf und eine Privatisierung verhindern können. Fast alle Stadträtinnen und Stadträte der LINKEN sitzen in den Aufsichtsräten der kommunalen Unternehmen mit drin. Bei der GWG (Gesellschaft für Wohn- und Gewerbeimmobilien Halle-Neustadt mbH) & HWG (Hallesche Wohnungsgesellschaft mbH) ist der Spitzenkandidat der LINKEN Bodo Meerheim im Aufsichtsrat. Die Stärke der LINKEN in Halle hätte genutzt werden müssen, um gemeinsam mit Mieter und Mieterinnen und den Beschäftigten der Wohnungsbaugesellschaften den Protest gegen den Verkauf zu organisieren. Es hilft nichts, wenn die LINKE die aktuell gegebenen Bedingungen als unveränderlichen Rahmen ihrer Politik hinnimmt und dafür eintritt, etwas weniger brutal zu kürzen. Das lenkt von der wirklichen Perspektive einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung ab und unterminiert zudem die Glaubwürdigkeit der LINKEN als sozialistische Alternative.
Zu den Autoren:
Jürgen Ehlers ist aktives Mitglied der LINKEN in Frankfurt am Main. Er ist Archtitekt und Wohnungsmarktexperte. Yaak Pabst ist aktiv bei DIE LINKE.SDS an der Humboldt-Universität Berlin. Er ist Politologe und Redakteur des Magazins marx21 und bei marx21.de.
Mehr auf marx21.de:
- Privatisierungen: Öffentliche Wohnungen – Goldadern fürs Kapital (Öffentliche Wohnungen sind im Fadenkreuz internationaler Finanzinvestoren. Der Archtitekt Jürgen Ehlers beleuchtet die Hintergründe der Wohnungsprivatisierung und fragt, was die Linke dagegen tun kann)