Aus guten Gründen hat die Anti-AKW-Bewegung erneut heftig gegen den Castor-Atommülltransport nach Gorleben protestiert. Es ist weiterhin notwendig, auf die Straße zu gehen, meint Frank Eßers
Trotz des so genannten Atomausstiegsbeschlusses der Merkel-Regierung im Juni, den auch SPD und Grüne abgesegnet haben, sind über 20.000 Atomgegnerinnen und -gegner am Wochende im Wendland zusammengekommen, um gegen den Castor-Atommülltransport zu demonstrieren. 2500 Aktivisten – so viele wie im letzten Jahr – haben sich an den Blockaden des Transportes beteiligt. Laut Aussage des Anti-Atom-Netzwerkes .ausgestrahlt waren das die zweitgrößten Proteste im Wendland seit 35 Jahren. Damit ist der Plan der Regierung gescheitert, an der »Atomfront« für Ruhe zu sorgen.
Dass der diesjährige Castor-Transport nach Gorleben auf so viel Widerstand getroffen ist, liegt nicht an der Sturheit der Anti-AKW-Bewegung. Und auch nicht daran, dass Protestieren zum Lebensinhalt der Aktivisten geworden ist – wie in einigen Medien kolportiert wurde. Für den anhaltenden Widerstand gibt es im Kern zwei Gründe: Erstens ist der Regierungsbeschluss eine Mogelpackung, die einen unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie keineswegs garantiert (marx21 berichtete). Das letzte AKW soll erst im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Bis dahin kann der Ausstiegsbeschluss noch rückgängig gemacht werden – so wie der Ausstiegsbeschluss der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000 von der schwarz-gelben Regierung im Oktober 2010 gekippt wurde. Wie wackelig der aktuelle »Atomausstieg« auf Raten ist, wird allerdings erst im Zusammenhang mit anderen Beschlüssen der Bundesregierung deutlich, die ein Hindernis für eine Energiewende sind.
Der zweite Grund ist Gorleben selbst: Der dortige Salszstock ist als Endlager für hochradioktiven nuklearen Abfall ungeeignet. Die Eignung von Salz als Endlager ist umstritten. Die Tonschicht über dem Salzstock wird zudem von einem mit Geröll gefüllten Graben durchschnitten, durch den Grundwasser fließt, das den Salzstock angreift. Unter diesem befindet sich außerdem ein Erdgasvorkommen, welches die Gefahr birgt, dass Gas bis ins geplante Endlager aufsteigt und dort explodiert.
Aktenkundig sind mittlerweile die zahlreichen Täuschungen, die Regierungen begangen haben, um der Öffentlichkeit Gorleben als angeblich sicher zu verkaufen. Zu Recht weist .ausgestrahlt darauf hin: »Die Sicherheitskriterien werden immer wieder an die Mängel des Salzstocks angepasst, statt ehrlich einzugestehen, dass Gorleben den Kriterien nicht entspricht. Bleibt der Standort, in dessen Ausbau bereits 1,6 Milliarden Euro geflossen sind, im Rennen, dann wird es immer starke Kräfte in der Auseinandersetzung geben, die alleine aufgrund der Kostenfrage diesen Ort favorisieren, egal wie die geologische Situation aussieht.«
Die Versicherung von Umweltminister Röttgen (CDU), es würde »ergebnisoffen« nach einem Atommüllendlager gesucht, wird von der Anti-Atombewegung bezweifelt: »73 Millionen Euro hat die Bundesregierung für den weiteren Ausbau des maroden Salzstocks in Gorleben zum Endlager eingeplant, nur 3 Millionen Euro dagegen für die Suche nach Alternativen zu Gorleben. Von einer ›weißen Landkarte‹ bei der Endlagersuche kann also keine Rede sein«, kritisiert .ausgestrahlt
Auch bei den Atommüll-Lagern Morsleben und Asse kann man bespielhaft sehen, wie wenig Wert Regierungen und Atomindustrie auf Sicherheit legen: Morsleben ist stark einsturzgefährdet und in die Stollen der Schachtanlage Asse dringt Wasser ein. Im Jahr 2008 berichtete die Presse über radioaktiv verseuchte Salzlauge. Asse ist ebenfalls einsturzgefährdet.
Solange AKWs am Netz sind, würde die Festlegung auf einen Endlagerstandort der Atomlobby Argumente liefern, an der Kernenergie festzuhalten. Auch deswegen geht die Anti-Atom-Bewegung weiterhin auf die Straße bzw. auf die Schienen.
Wenn Konzerninteressen den Umgang mit dem Atommüll bestimmen, kann es keinen gesellschaftlichen Konsens geben. Voraussetzungen für einen solchen wären, dass alle AKWs abgeschaltet sind, kein weiterer hochradioaktiver Abfall produziert wird und Gorleben als Standort für ein Endlager fallengelassen wird.
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