Seit dem 9. Januar streiken in Hessen die Busfahrinnen und -fahrer. In Darmstadt haben sich die Straßenbahnfahrerinnen und –fahrer mit dem Streik solidarisiert und am 11. Januar ebenfalls ihre Arbeit niedergelegt. marx21 sprach mit Reinhold Trautmann, Mitglied der Tarifkommission, über den Streik.
marx21: Reihnhold, wie kam es zu einem unbefristeten Streik und einem Solidaritätsstreik?
Reinhold Trautmann: Momentan befinden wir uns sowohl mit dem Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO) als auch mit dem Arbeitgeberverband Nahverkehr in einer Tarifauseinandersetzung. Mit dem LHO verhandeln wir seit April 2016. Diese Verhandlungen sind ins Stocken geraten. Seit Anfang Januar streiken wir. Zuerst haben nur die Busfahrerinnen und -fahrer gestreikt.
Nach 3 Tagen haben sich dann die Straßenbahnfahrer und –fahrerinnen solidarisiert und sind ebenfalls in den Streik getreten. Dieser Schritt war möglich, weil die Straßenbahnfahrerinnen und –fahrer eine vergleichbare Tätigkeit ausüben und ihr Tarifvertrag ebenfalls verhandelt wird. Momentan befinden sich in Darmstadt 270 Busfahrerinnen und -fahrer sowie 130 Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer im Ausstand.
Worin bestehen die Tarifforderungen der Busfahrerinnen und Busfahrer?
In Hessen werden die Busfahrerinnen und –fahrer im Vergleich mit den umliegenden Bundesländern am Schlechtesten bezahlt. So verdient ein Familienvater, der im Monat 170 Stunden Bus fährt gerade einmal 1600€ Netto, und dass obwohl Bus fahren eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit ist. In Stoßzeiten, während des Berufsverkehrs, befördert ein Busfahrer innerhalb von zwei Stunden rund 2000 Fahrgäste sicher durch die Stadt. Deshalb haben wir uns entschieden eine Lohnerhöhung von 1,50€ die Stunde, gestaffelt auf drei Portionen, einen Tag mehr Urlaub pro Jahr sowie bessere Pausenzeiten zu fordern.
Am Freitagnachmittag haben Streikende die Gleise der Straßenbahn blockiert. Was war passiert?
An diesem Tag hatte der Arbeitgeber versucht einen Notfallfahrplan mit dem Betriebsrat abzustimmen. Dieser wurde von Seiten des Betriebsratsvorsitzenden abgelehnt. Allerdings hatte die Arbeitgeberseite zu diesem Zeitpunkt eine Meldung veröffentlichen lassen, dass am Freitag einzelne Straßenbahnen wieder fahren würden. Am Freitagmittag waren viele unserer Kolleginnen und Kollegen bei einer Versammlung im Gewerkschaftshaus am anderen Ende der Stadt und hier vor dem Bus- und Bahndepot waren nur noch ein paar Streikende.
Angesichts der wenigen anwesenden Streikenden hat der Arbeitgeber versucht, dass Ausfahren der Straßenbahnen zu erzwingen. Zum Glück war zu diesem Zeitpunkt gerade Schichtwechsel und es kamen weitere Streikende zum Depot. Mit ihnen zusammen waren wir genug für eine Gleisblockade, die wir dann auch kurzer Hand gemacht haben. Seitdem hat der Arbeitgeber nicht mehr versucht, dass Ausfahren der Straßenbahnen zu erzwingen.
Wie reagiert die Bevölkerung auf den Streik, es sind wahrscheinlich nicht alle begeistert, dass keine Busse und Straßenbahnen mehr fahren?
Wir erfahren sehr großen Zuspruch und viel Solidarität aus der Bevölkerung. Unser Streikposten ist an einer der Darmstädter Hauptverkehrsstraßen, viele der Vorbeifahrenden Hupen und Winken, einige steigen aus den Autos aus und Spenden Geld für die Streikkasse. Heute kam eine Frau mit einer ganzen Tüte voll mit Kaffeestückchen vorbei. Diese Unterstützung motiviert uns sehr und gibt uns Rückhalt.
Gibt es etwas worüber ihr euch ärgert?
Ja, dass noch kein Vertreter der Stadtpolitik und auch noch keiner der Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl mit uns gesprochen hat. Obwohl wir sie eingeladen haben, möchte anscheinend von Seiten der Stadtregierung niemand mit uns reden. Das ist schade.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden jeden Tag entscheiden ob, wir am nächsten weiterstreiken und hoffen auf ein verhandlungsfähiges Angebot von Seiten des Arbeitgebers.
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